SGLT2-Hemmer
SGLT2-Hemmer (Sodium-Glucose-Co-Transporter-2-Inhibitoren) sind eine wichtige Wirkstoffklasse in der Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 und Herzinsuffizienz. Sie wirken, indem sie die Rückresorption von Glucose in den proximalen Tubuli der Niere hemmen, was zu einer erhöhten Glucoseausscheidung über den Urin (Glukosurie) führt. Neben der Senkung des Blutzuckerspiegels haben SGLT2-Hemmer auch kardioprotektive und nephroprotektive Effekte gezeigt, weshalb sie zunehmend als Standardtherapie bei Patienten mit Diabetes und Herzinsuffizienz eingesetzt werden.
Zielsetzung und Wirkung
- Wirkmechanismus:
SGLT2-Hemmer blockieren den Natrium-Glucose-Co-Transporter 2 (SGLT2) in den proximalen Tubuli der Niere. Dies führt zu:- Verminderte Rückresorption von Glucose
- Erhöhter Glucoseausscheidung über den Urin (Glukosurie)
- Osmotische Diurese → Natrium- und Wasserausscheidung → Senkung der Vor- und Nachlast
- Therapeutische Zielsetzung:
- Verbesserung der Blutzuckereinstellung bei Diabetes mellitus Typ 2
- Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen bei Herzinsuffizienz
- Nierenschutz durch Senkung des intraglomerulären Drucks
- Erwartete Effekte:
- HbA1c-Reduktion um ca. 0,5-1,0 %
- Verbesserung der Herzinsuffizienzsymptomatik (NYHA-Stadium)
- Reduktion von Krankenhausaufenthalten bei Herzinsuffizienz
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Diabetes mellitus Typ 2 – als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Antidiabetika (z. B. Metformin)
- Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) – zur Senkung der Hospitalisierungsrate und der kardiovaskulären Mortalität
- Chronische Nierenerkrankung (CKD) – zur Verzögerung der Krankheitsprogression
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Absolute Kontraindikationen:
- Typ-1-Diabetes (Risiko einer Ketoazidose)
- Diabetische Ketoazidose
- Schwere Niereninsuffizienz (eGFR < 30 ml/min/1,73 m²)
- Relative Kontraindikationen:
- Hypotonie
- Urogenitale Infektionen (z. B. rezidivierende Harnwegsinfekte)
- Alter über 75 Jahre (erhöhtes Risiko für Volumenmangel und Hypotonie)
- Spezielle Patientengruppen:
- Schwangere und Stillende – keine ausreichenden Sicherheitsdaten vorhanden
- Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz – Datenlage begrenzt
Das Verfahren (Anwendung und Durchführung)
- Verabreichungsform:
- Oral in Tablettenform
- Dosierung:
- Empagliflozin: 10 mg oder 25 mg einmal täglich
- Dapagliflozin: 10 mg einmal täglich
- Canagliflozin: 100 mg oder 300 mg einmal täglich
- Therapiedauer:
- Langzeittherapie, regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion erforderlich
- Kombinationstherapien:
- Kombination mit Metformin, DPP-4-Inhibitoren (z. B. Sitagliptin) oder Insulin möglich
- Kombination mit GLP-1-Analoga bei unzureichender Blutzuckerkontrolle
Pharmakokinetik und Pharmakodynamik
- Resorption:
- Schnelle gastrointestinale Resorption (Tmax ≈ 1-2 Stunden)
- Verteilung:
- Hohe Plasmaproteinbindung (> 90 %)
- Metabolismus:
- Hepatische Metabolisierung (vorwiegend durch Glucuronidierung)
- Elimination:
- Renale Ausscheidung der inaktiven Metaboliten
Mögliche Nebenwirkungen
- Häufige Nebenwirkungen:
- Polyurie
- Genitale Mykosen (z. B. Candida-Infektionen)
- Harnwegsinfekte
- Hypotonie
- Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen:
- Euglykämische Ketoazidose
- Fournier-Gangrän (nekrotisierende Fasziitis im Genitalbereich)
- Volumenmangel und Elektrolytstörungen
- Langzeitnebenwirkungen:
- Erhöhtes Risiko für Frakturen (bei Canagliflozin)
- Potenzielles Risiko für Amputationen (v. a. Zehen)
Wechselwirkungen
- Pharmakokinetische Wechselwirkungen:
- Rifampicin – Induktion des SGLT2-Metabolismus → Wirkungsabschwächung
- Diuretika – Additiver Effekt auf die Natrium- und Wasserausscheidung → Risiko für Hypotonie
- Pharmakodynamische Wechselwirkungen:
- Insulin – Risiko für Hypoglykämien erhöht
- ACE-Hemmer – verstärkte Kaliumretention → Risiko für Hyperkaliämie
Anwendungsbeschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen
- Regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion (eGFR)
- Bei Anzeichen einer Infektion (z. B. Harnwegsinfekte) Therapie überdenken
- Flüssigkeitsbilanz kontrollieren → Risiko für Dehydratation beachten
Therapieüberwachung und Monitoring
- Laborkontrollen:
- HbA1c (alle 3 Monate)
- Nierenfunktion (eGFR, Kreatinin)
- Elektrolyte (v. a. Kalium)
- Therapiekontrolle:
- Blutdrucküberwachung
- Symptomkontrolle bei Herzinsuffizienz (z. B. Dyspnoe)
- Compliance:
- Patientenaufklärung über Infektionsrisiken und Symptome einer Ketoazidose
Alternative Therapieoptionen
- DPP-4-Inhibitoren (z. B. Sitagliptin)
- GLP-1-Analoga (z. B. Semaglutid)
- Metformin – weiterhin First-Line-Therapie bei Typ-2-Diabetes
Besonderheiten und spezifische Empfehlungen
- Kombination von SGLT2-Hemmern mit GLP-1-Analoga zeigt additive kardioprotektive Effekte
- Bei älteren Patienten vorsichtige Dosisanpassung aufgrund des Risikos für Hypotonie
Zusammenfassung
SGLT2-Hemmer sind eine wichtige therapeutische Option bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung. Durch die blutzuckersenkende, kardioprotektive und nephroprotektive Wirkung haben sie die Therapie von Diabetes und Herzinsuffizienz revolutioniert. Die Therapie erfordert jedoch eine sorgfältige Kontrolle der Nierenfunktion und die Berücksichtigung von Infektionsrisiken.
Literatur
- Zinman B et al.: Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. N Engl J Med. 2015;373(22):2117-2128.
- Neal B et al.: Canagliflozin and Cardiovascular and Renal Events in Type 2 Diabetes. N Engl J Med. 2017;377(7):644-657.
- Wiviott SD et al.: Dapagliflozin and Cardiovascular Outcomes in Type 2 Diabetes. N Engl J Med. 2019;380(4):347-357.
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