Direkt wirkende antivirale Substanzen (DAA) – Standard bei Hepatitis C

Direkt wirkende antivirale Substanzen (engl. Direct Acting Antivirals, DAA) haben die Therapie der chronischen Hepatitis-C-Virus-(HCV)-Infektion revolutioniert. Im Gegensatz zur früheren Interferon-basierten Therapie zeichnen sie sich durch eine gezielte antivirale Wirkung, eine hohe Heilungsrate und eine sehr gute Verträglichkeit aus. Seit ihrer Einführung im Jahr 2014 gelten DAA als internationaler Therapiestandard für nahezu alle HCV-Genotypen.

Zielsetzung und Wirkung

  • Therapeutische Zielsetzung
    • Erreichen einer Sustained Virological Response (SVR), d. h. Virusfreiheit im Serum ≥ 12 Wochen nach Therapieende
    • Rückbildung entzündlicher Leberveränderungen
    • Verhinderung der Progression zu Leberfibrose, Zirrhose und hepatozellulärem Karzinom (HCC)
    • Reduktion der HCV-bedingten Morbidität, Mortalität und Transplantationsnotwendigkeit
  • Wirkmechanismus
    • NS3/4A-Proteaseinhibitoren – hemmen die virale Protease, die für die Prozessierung des viralen Polyproteins notwendig ist
    • NS5A-Inhibitoren – blockieren die Bildung des viralen Replikationskomplexes
    • NS5B-Polymeraseinhibitoren – unterdrücken die RNA-abhängige RNA-Polymerase-Aktivität

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Primäre Indikationen
    • Chronische Hepatitis C bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren
    • Alle HCV-Genotypen (1 bis 6), je nach Wirkstoffkombination
  • Sekundäre Indikationen
    • HIV-Koinfektion
    • HCV-Reinfektion nach Lebertransplantation
    • Leberzirrhose (kompensiert oder dekompensiert)
  • Off-Label-Use
    • Kinder
    • Akute Hepatitis C (in Einzelfällen mit hoher Viruslast)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Absolute Kontraindikationen
    • Überempfindlichkeit gegenüber einem Wirkstoff oder Hilfsstoff
    • Gleichzeitige Einnahme starker Enzyminduktoren (z. B. Rifampicin, Johanniskraut)
  • Relative Kontraindikationen
    • Dekompensierte Leberzirrhose bei bestimmten NS3/4A-Inhibitoren
    • Fortgeschrittene Niereninsuffizienz (je nach Wirkstoff)
  • Spezielle Patientengruppen
    • Schwangere (unzureichende Datenlage, insbesondere bei Ribavirin-Kombinationen)
    • Kinder unter 12 Jahren (noch keine reguläre Zulassung)

Das Verfahren (Anwendung und Durchführung)

  • Verabreichungsform
    • Oral, meist als feste Kombinationstablette (z. B. Sofosbuvir/Velpatasvir, Glecaprevir/Pibrentasvir)
    • Einmal tägliche Einnahme, unabhängig oder abhängig von den Mahlzeiten je nach Präparat
  • Dosierung
    • Standarddosierung je nach DAA-Kombination und Patientenkonstellation
    • Glecaprevir/Pibrentasvir: 300 mg/120 mg täglich
    • Sofosbuvir/Velpatasvir: 400 mg/100 mg täglich
    • Bei Kombination mit Ribavirin ggf. gewichtsadaptierte Dosis (1.000-1.200 mg/d)
  • Therapiedauer
    • 8 Wochen bei unkomplizierter HCV-Infektion ohne Zirrhose
    • 12 Wochen bei kompensierter Zirrhose oder Koinfektionen
    • 24 Wochen bei Vorbehandlung oder dekompensierter Zirrhose
  • Kombinationstherapien
    • Zwei- oder Dreifachkombinationen aus unterschiedlichen DAA-Klassen
    • Kombination mit Ribavirin bei komplexen Verläufen oder Resistenzmutationen
    • Keine Kombination mit Interferon notwendig (veraltet)

Pharmakokinetik und Pharmakodynamik

  • Resorption
    • Hohe orale Bioverfügbarkeit, oft Verbesserung durch Einnahme mit fettreicher Mahlzeit
  • Verteilung
    • Starke Proteinbindung (z. B. NS5A-Inhibitoren > 99 %)
    • Gute Gewebedurchdringung
  • Metabolismus
    • Vorwiegend hepatisch (CYP3A4, UGT1A1, P-Glykoprotein)
    • Individuelle Unterschiede bei der Metabolisierung beachten
  • Elimination
    • Biliär und renal, je nach Substanz unterschiedlich
    • Sofosbuvir: renale Elimination über aktiven Metaboliten (GS-331007)

Mögliche Nebenwirkungen

  • Häufige Nebenwirkungen
    • Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit
    • Schlafstörungen, Diarrhö
  • Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen
    • Bradykardie bei gleichzeitiger Gabe von Amiodaron
    • Leberfunktionsstörungen bei fortgeschrittener Zirrhose
  • Langzeitnebenwirkungen
    • Keine nachgewiesene Karzinogenität
    • Kein Hinweis auf Spätkomplikationen bei SVR

Wechselwirkungen

  • Pharmakokinetische Wechselwirkungen
    • Wechselwirkungen mit CYP3A4-Substraten, -Inhibitoren und -Induktoren
    • Interaktion mit Statinen, Antiepileptika, Antimykotika
  • Pharmakodynamische Wechselwirkungen
    • Additive Wirkungen auf QT-Zeit oder Herzfrequenz mit anderen Substanzen (z. B. Amiodaron)
  • Klinisch relevante Wechselwirkungen
    • Notwendigkeit eines umfassenden Medikationschecks vor Therapiebeginn
    • Anpassung der Begleitmedikation bei immunsupprimierten Patienten (z. B. nach Transplantation)

Anwendungsbeschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen

  • Dosisanpassung bei Nieren- oder Leberinsuffizienz
    • Sofosbuvir bei GFR < 30 ml/min kontraindiziert aufgrund Anreicherung des Metaboliten GS-331007
    • Bei dekompensierter Zirrhose sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung
  • Anwendung bei älteren Patienten, Kindern, Schwangeren
    • Ältere Patienten vertragen die Therapie gut
    • Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren nicht zugelassen
    • Schwangerschaft vermeiden (insbesondere bei Ribavirin)
  • Notwendige Monitoring-Maßnahmen
    • Kontrolle von Leberwerten, HCV-RNA, Kreatinin und HBV-Status
    • Regelmäßige Überprüfung der Adhärenz

Therapieüberwachung und Monitoring

  • Laborkontrollen
    • Leberwerte (ALT, AST, Bilirubin), Blutbild, Nierenfunktion
    • HCV-RNA zu Beginn, Woche 4 und Woche 12 nach Therapieende
  • Therapiekontrolle
    • Dokumentation der SVR12 als Erfolgskriterium
    • Bei Therapieversagen: Durchführung einer Resistenztestung
  • Compliance
    • Einhaltung der täglichen Einnahme entscheidend für Therapieerfolg
    • Patientenschulung zur Förderung der Adhärenz

Alternative Therapieoptionen

  • Pharmakologische Alternativen
    • Interferon-basierte Therapien heute obsolet
  • Nicht-medikamentöse Alternativen
    • Keine kausale Option verfügbar
    • Nur supportive Maßnahmen (z. B. Alkoholabstinenz, Ernährungsberatung)
  • Kombinationstherapien
    • Bei spezieller Indikation (z. B. Zirrhose, Vorbehandlung) zusätzlich Ribavirin

Besonderheiten und spezifische Empfehlungen

  • Empfehlungen zur Anwendung in Spezialfällen
    • Lebertransplantierte: individuell angepasste DAA-Kombinationen
    • Patienten mit HCC: Therapie nach Tumorkontrolle möglich
  • Internationale Leitlinien und Empfehlungen
    • EASL und AASLD empfehlen DAA als Standardtherapie für alle HCV-Patienten
  • Hinweise zu neuen Studien und Entwicklungen
    • Entwicklung von Ultrakurztherapien (4 Wochen) bei Frühdiagnose
    • Kombination mit Immunmodulation in Erprobung

Zusammenfassung

Direkt wirkende antivirale Substanzen haben die Behandlung der chronischen Hepatitis C transformiert. Mit Heilungsraten über 95 %, guter Verträglichkeit und kurzer Therapiedauer ermöglichen sie eine kausale Therapie für fast alle Patienten. Die moderne DAA-Therapie stellt heute den internationalen Standard dar und ist ein Modell für erfolgreiche antivirale Strategien.

Literatur

  1. Pawlotsky JM: Hepatitis C Virus Resistance to Direct-Acting Antiviral Drugs in Interferon-Free Regimens. Gastroenterology . 2016 Jul;151(1):70-86. doi: 10.1053/j.gastro.2016.04.003.
  2. EASL. EASL recommendations on treatment of hepatitis C: Final update of the series. J Hepatol. 2020;73(5):1170-1218. doi:10.1016/j.jhep.2020.08.018
    https://doi.org/10.1016/j.jhep.2020.08.018
  3. Graf C et al.: Real-world effectiveness of sofosbuvir-based therapy for chronic hepatitis C in Germany: The German Hepatitis C Registry (DHC-R). JHEP Rep. 2024 Feb 7;6(3):100994. doi: 10.1016/j.jhepr.2023.100994