Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) bei HER2-positivem Mammakarzinom

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) sind eine innovative Klasse von zielgerichteten Krebstherapeutika, die einen monoklonalen Antikörper mit einem zytotoxischen Wirkstoff (Payload) kombinieren. Diese Kombination ermöglicht eine spezifische Abgabe des Zytostatikums direkt an die Tumorzelle, wodurch gesunde Gewebe geschont werden. ADCs haben insbesondere beim HER2-positiven Mammakarzinom (Brustkrebs) in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte in der Therapie bewirkt und die Überlebensraten verbessert.

Zielsetzung und Wirkung

  • Wirkmechanismus:
    • Antikörper: Bindet spezifisch an das HER2-Antigen auf der Oberfläche von Tumorzellen.
    • Linker: Verbindet den Antikörper mit dem zytotoxischen Wirkstoff und ermöglicht eine gezielte Abgabe.
    • Zytotoxischer Wirkstoff (Payload): Wird nach Internalisierung in der Tumorzelle freigesetzt und hemmt die Zellteilung durch Destabilisierung der Mikrotubuli, was zur Apoptose (programmierter Zelltod) führt.
  • Therapeutische Zielsetzung:
    • Gezielte Abtötung von HER2-exprimierenden Tumorzellen
    • Reduktion systemischer Toxizität durch selektive Bindung an HER2-positive Zellen
  • Erwartete Effekte:
    • Verbesserung der Tumorkontrolle
    • Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS)
    • Teil- oder Vollremission bei metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Primäre Indikationen:
    • Metastasiertes HER2-positives Mammakarzinom nach Versagen vorheriger Therapien
    • Lokal fortgeschrittenes HER2-positives Mammakarzinom
    • HER2-positives Brustkrebsrezidiv
  • Sekundäre Indikationen:
    • HER2-low Mammakarzinom
    • HER2-überexprimierende gastrointestinale Tumoren (z. B. Magenkarzinom)
  • Off-Label-Use:
    • HER2-positive Lungenkarzinome
    • Andere HER2-exprimierende Tumorarten im Rahmen individueller Heilversuche

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Absolute Kontraindikationen:
    • Bekannte Überempfindlichkeit gegenüber Wirkstoffbestandteilen
    • Schwere Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse III oder IV)
    • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Relative Kontraindikationen:
    • Leberfunktionsstörungen
    • Einschränkung der Nierenfunktion
    • Vorbestehende Kardiomyopathie
  • Spezielle Patientengruppen:
    • Kinder und Jugendliche: Einsatz nur bei speziellen Indikationen (z. B. metastasiertes Mammkarzinom)
    • Ältere Patienten: Dosisanpassung bei eingeschränkter Organfunktion

Das Verfahren (Anwendung und Durchführung)

  • Verabreichungsform:
    • Intravenöse Infusion
  • Dosierung:
    • Trastuzumab-Emtansin (T-DM1): 3,6 mg/kg Körpergewicht alle drei Wochen
    • Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd): 5,4 mg/kg Körpergewicht alle drei Wochen
  • Therapiedauer:
    • Bis zum Fortschreiten der Erkrankung oder bis zum Auftreten inakzeptabler Nebenwirkungen
  • Kombinationstherapien:
    • Kombination mit anderen zielgerichteten Therapien (z. B. Tyrosinkinase-Inhibitoren)
    • Kombination mit Chemotherapie oder Immuntherapie

Pharmakokinetik und Pharmakodynamik

  • Resorption:
    • Nach intravenöser Gabe vollständige Bioverfügbarkeit
  • Verteilung:
    • Hohe Gewebepenetration
    • Bindung an HER2-exprimierende Tumorzellen
  • Metabolismus:
    • Intrazellulärer proteolytischer Abbau in Lysosomen
    • Freisetzung des zytotoxischen Wirkstoffs in der Zielzelle
  • Elimination:
    • Abbau über das retikuloendotheliale System (RES)
    • Halbwertszeit: 4-5 Tage

Mögliche Nebenwirkungen

  • Häufige Nebenwirkungen:
    • Hämatologische Toxizität: Thrombozytopenie, Anämie, Neutropenie
    • Gastrointestinale Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe
    • Fatigue: Müdigkeit und allgemeine Schwäche
    • Hautreaktionen: Exanthem, Juckreiz, trockene Haut
  • Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen:
    • Pneumonitis (Entzündung des Lungengewebes)
    • Kardiotoxizität: Herzinsuffizienz, Abnahme der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF)
    • Lebertoxizität: Erhöhung der Leberenzyme (ALT, AST), Ikterus (Gelbsucht)
    • Infusionsreaktionen: Fieber, Schüttelfrost, Hypotonie
  • Langzeitnebenwirkungen:
    • Chronische Fatigue: Anhaltende Müdigkeit auch nach Therapieende
    • Sekundäre Tumorentwicklung: Risiko für Zweitmalignome unter Langzeittherapie
    • Kardiomyopathie: Persistierende Einschränkung der Herzfunktion

Wechselwirkungen

  • Pharmakokinetische Wechselwirkungen:
    • Keine relevanten Wechselwirkungen mit CYP-Enzymen
  • Pharmakodynamische Wechselwirkungen:
    • Kombination mit Steroiden → Abschwächung der Immunantwort
    • Kombination mit Immunsuppressiva → Wirkungsverlust der ADC-Therapie
  • Klinisch relevante Wechselwirkungen:
    • Kombination mit Anthrazyklinen → Erhöhtes Risiko für Kardiotoxizität

Anwendungsbeschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen

  • Dosisanpassung:
    • Bei schwerer Leber- oder Niereninsuffizienz
    • Bei Auftreten von Nebenwirkungen (z. B. Thrombozytopenie)
  • Monitoring:
    • Regelmäßige Kontrolle von Blutbild, Leber- und Nierenwerten
    • EKG-Überwachung bei Patientinnen mit kardialen Vorerkrankungen

Therapieüberwachung und Monitoring

  • Laborkontrollen:
    • Blutbild, Leberwerte, Nierenwerte
    • Endokrine Parameter (TSH, Cortisol)
  • Therapiekontrolle:
    • Verlaufskontrolle mittels Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT)
    • Anpassung der Dosierung bei Auftreten von Nebenwirkungen
  • Compliance:
    • Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen
    • Sicherstellung der regelmäßigen Infusionsintervalle

Alternative Therapieoptionen

  • Pharmakologische Alternativen:
    • Tyrosinkinase-Inhibitoren
    • HER2-gerichtete monoklonale Antikörper (z. B. Trastuzumab)
  • Nicht-medikamentöse Alternativen:
    • Chirurgische Entfernung des Tumors
    • Strahlentherapie

Zusammenfassung

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) haben die Therapie des HER2-positiven Mammakarzinoms erheblich verbessert. Durch die zielgerichtete Abgabe des Zytostatikums an die Tumorzelle kann die Tumorkontrolle verbessert und das Überleben verlängert werden.

Literatur

  1. Verma S, Miles D, Gianni L, Krop IE, Welslau M, Baselga J et al.: Trastuzumab emtansine for HER2-positive advanced breast cancer. N Engl J Med. 2012;367(19):1783-91. doi: 10.1056/NEJMoa1209124.
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