Angiotensin-Rezeptor/Neprilysin-Inhibitor (ARNI)

Angiotensin-Rezeptor/Neprilysin-Inhibitoren (ARNI) stellen eine moderne Wirkstoffklasse in der Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) dar. Der Wirkstoffkomplex besteht aus zwei pharmakologisch aktiven Komponenten: einem Angiotensin-II-Rezeptorblocker (ARB) und einem Neprilysin-Inhibitor. Die Kombination dieser beiden Mechanismen hat eine synergistische Wirkung auf das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und das natriuretische Peptidsystem (NPS). Die Einführung von ARNI hat die Therapie der HFrEF erheblich verbessert, insbesondere durch die Reduktion der Hospitalisierungsrate und die Senkung der Mortalität [1].

Zielsetzung und Wirkung

  • Wirkmechanismus:
    • Angiotensin-II-Rezeptorblockade – Blockade des Angiotensin-II-Rezeptors Typ 1 (AT1) führt zu einer Vasodilatation, Natriurese und einer Senkung des Blutdrucks.
    • Neprilysin-Inhibition – Neprilysin ist ein Enzym, das natriuretische Peptide abbaut. Die Hemmung von Neprilysin führt zu einer erhöhten Konzentration natriuretischer Peptide, die eine vasodilatierende, natriuretische und antiproliferative Wirkung entfalten.
  • Therapeutische Zielsetzung:
    • Verbesserung der hämodynamischen Stabilität
    • Reduktion der kardialen Nachlast und Vorlast
    • Verbesserung der Nierenfunktion und Reduktion des kardiorenalen Syndroms
  • Erwartete Effekte:
    • Reduktion der Hospitalisierungsrate wegen Herzinsuffizienz
    • Verbesserung der Lebensqualität
    • Verlängerung der Lebenserwartung

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Primäre Indikationen:
    • Chronische Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) (NYHA II–IV)
    • LVEF (Linksventrikuläre Ejektionsfraktion) ≤ 40 %
  • Sekundäre Indikationen:
    • Herzinsuffizienz nach Myokardinfarkt mit eingeschränkter Ejektionsfraktion
    • Kombinationstherapie bei therapieresistenter Hypertonie mit Zeichen der Herzinsuffizienz
  • Off-Label-Use:
    • Chronische Niereninsuffizienz mit Proteinurie

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Absolute Kontraindikationen:
    • Angioödem in der Anamnese unter ARB oder ACE-Hemmern
    • Schwere Leberinsuffizienz (Child-Pugh C)
    • Gleichzeitige Einnahme von ACE-Hemmern (innerhalb von 36 Stunden)
    • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Relative Kontraindikationen:
    • Hypotonie (systolischer Blutdruck < 100 mmHg)
    • Schwere Niereninsuffizienz (eGFR < 30 ml/min/1,73 m²)
    • Hyperkaliämie (> 5,5 mmol/l)
  • Spezielle Patientengruppen:
    • Ältere Patienten (Dosisanpassung erforderlich)
    • Patienten mit Diabetes mellitus (Erhöhtes Risiko für Hypoglykämien)

Das Verfahren (Anwendung und Durchführung)

  • Verabreichungsform:
    • Oral (Tabletten)
  • Dosierung:
    • Initial: 24/26 mg oder 49/51 mg zweimal täglich
    • Zieldosis: 97/103 mg zweimal täglich
  • Therapiedauer:
    • Langzeittherapie
  • Kombinationstherapien:
    • Beta-Blocker, Mineralkortikoidantagonisten (MRA), Diuretika

Pharmakokinetik und Pharmakodynamik

  • Resorption:
    • Schnelle Resorption nach oraler Gabe
    • Bioverfügbarkeit: ca. 60 %
  • Verteilung:
    • Hohe Proteinbindung (~95 %)
    • Gleichmäßige Verteilung im Gewebe
  • Metabolismus:
    • Neprilysin-Inhibitor wird durch Esterasen in den aktiven Metaboliten umgewandelt
    • ARB wird hepatisch durch CYP450-Enzyme metabolisiert
  • Elimination:
    • Hauptsächlich renal (ca. 70 %)
    • Halbwertszeit: ca. 12 Stunden

Mögliche Nebenwirkungen

  • Häufige Nebenwirkungen:
    • Hypotonie
    • Hyperkaliämie
    • Schwindel
    • Kopfschmerzen
  • Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen:
    • Angioödem
    • Nierenfunktionsstörungen
    • Leberschädigung
  • Langzeitnebenwirkungen:
    • Verschlechterung der Nierenfunktion bei vorbestehender Niereninsuffizienz
    • Elektrolytstörungen (Hyperkaliämie, Hyponatriämie)

Wechselwirkungen

  • Pharmakokinetische Wechselwirkungen:
    • Kaliumsparende Diuretika → Risiko für Hyperkaliämie
    • NSAIDs (nichtsteroidale Antirheumatika) → Verschlechterung der Nierenfunktion
  • Pharmakodynamische Wechselwirkungen:
    • ACE-Hemmer → Gefahr eines Angioödems
    • Kaliumpräparate → Risiko einer Hyperkaliämie
  • Klinisch relevante Wechselwirkungen:
    • Erhöhtes Risiko für Hypotonie bei gleichzeitiger Anwendung mit Alpha-Blockern

Anwendungsbeschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen

  • Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz:
    • GFR 30–60 ml/min/1,73 m² → Initial niedrigere Dosis
    • GFR < 30 ml/min/1,73 m² → Kontraindikation
  • Anwendung bei älteren Patienten:
    • Vorsicht bei älteren Patienten aufgrund erhöhten Hypotonierisikos
  • Notwendige Monitoring-Maßnahmen:
    • Kaliumspiegelkontrolle
    • Blutdruckkontrolle
    • Nierenfunktion (eGFR)

Therapieüberwachung und Monitoring

  • Laborkontrollen:
    • Kaliumspiegel, Kreatinin, eGFR
    • Leberwerte (ALT, AST)
  • Therapiekontrolle:
    • Blutdruckkontrolle
    • Klinische Symptomatik (Ödeme, Dyspnoe)
  • Compliance:
    • Sicherstellung der regelmäßigen Einnahme

Alternative Therapieoptionen

  • Pharmakologische Alternativen:
    • ACE-Hemmer (z. B. Ramipril)
    • ARB (z. B. Valsartan)
  • Nicht-medikamentöse Alternativen:
    • Salzrestriktion
    • Flüssigkeitsrestriktion
    • Kardiologische Rehabilitation

Besonderheiten und spezifische Empfehlungen

  • Empfehlungen zur Anwendung:
    • Gabe bei Patienten mit symptomatischer HFrEF nach vorheriger Behandlung mit ACE-Hemmern oder ARB
    • Empfohlen gemäß Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC)

Zusammenfassung

Angiotensin-Rezeptor/Neprilysin-Inhibitoren (ARNI) stellen eine wesentliche Weiterentwicklung in der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz dar. Die Kombination aus Angiotensin-II-Rezeptorblockade und Neprilysin-Inhibition verbessert die Prognose und Lebensqualität von Patienten mit HFrEF erheblich.

Literatur

  1. McMurray JJV, Packer M, Desai AS, et al. Angiotensin–Neprilysin Inhibition versus Enalapril in Heart Failure. New England Journal of Medicine. 2014;371(11):993-1004. doi: 10.1056/NEJMoa1409077.

Leitlinien

  1. Ponikowski P, Voors AA, Anker SD et al. 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. European Heart Journal. 2016;37(27):2129-2200. doi: 10.1093/eurheartj/ehw128.