Tauchtauglichkeitsuntersuchung
Eine Tauchtauglichkeitsuntersuchung sollte regelmäßig von allen Tauchern, Anfängern wie Fortgeschrittenen durchgeführt werden.
Die Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM) empfiehlt für gesunde Personen zwischen dem 18. und 40. Lebensjahr ein Untersuchungsintervall von drei Jahren. Für alle anderen Personen und bei medizinischen Auffälligkeiten (relative Kontraindikationen (Gegenanzeigen): z. B. Otitis externa (Gehörgangsentzündung), gut eingestelltes Asthma bronchiale (bei stabiler Lungenfunktion), chronisches Vorhofflimmern (VHF) mit guter Frequenzkontrolle bei normaler Belastbarkeit ohne einschränkende Grunderkrankung) verkürzt sich das Intervall auf ein Jahr.
Die offiziellen Tauglichkeitszertifikate der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM) dürfen von allen Ärzten, die sich an die aktuellen Richtlinien der Gesellschaft halten, ausgestellt werden.
Das Verfahren
Zur Tauchtauglichkeitsuntersuchung gehören:
- Ausführliche Anamnese
- Vorerkrankungen (inkl. Operationen)
- körperliche Leistungsfähigkeit
- taucherischer Ausbildungsstand
- psychische Situation
- Sichtung aktueller Befunde
- Kritische Überprüfung aller Medikamente, insbesondere von Antidepressiva (Arzneimittel gegen Depressionen), Antiemetika (Arzneimittel gegen Übelkeit), Antihistaminika (Arzneimittel, die die Effekte der körpereigenen Substanz Histamin aufheben), Antikonvulsiva (Arzneimittel, die zur Behandlung bzw. Verhinderung von Krampfanfällen eingesetzt werden), Antipsychotika (Neuroleptika) (Arzneimittel, die eine sedierende und antipsychotische – den Realitätsverlust bekämpfende – Wirkung haben), Narkotika (Betäubungsmittel) und Stimulanzien des Zentralnervensystems
- Vorerkrankungen (inkl. Operationen)
- Körperliche Untersuchung (unter Berücksichtigung der Untersuchungsbögen der Fachgesellschaften: GTÜM; ÖGTH); Untersuchung bzw. Beurteilung:
- Haut, Augen
- Trommelfell per Otoskopie (Ohrenspiegelung; visuelle Inspektion/Betrachtung der Trommelfellbeweglichkeit)
- Druckausgleich nach Valsalva (Valsalva-Versuch)
Durchführung: Kräftige Exspiration (Ausatmung) gegen verschlossene Mund- und Nasenöffnung. Dabei Anspannung der Atemmuskulatur und Bauchmuskulatur, was den Luftdruck in den Luftwegen erhöht. Über die Eustachi-Röhre kommt es beim Valsalva-Versuch zum Druckausgleich zwischen Nasen-Rachen-Raum und Mittelohr (= Belüftung des Mittelohres).
Valsalva positiv: Bei intaktem Trommelfell wölbt sich dieses dabei nach außen, was mittels eines Otoskops (Ohrenspiegelung) beobachtet werden kann. - Auskultation (Abhören) von Herz und Lunge
- Palpation (Abtasten) des Abdomens
- orientierende Untersuchung des Bewegungsapparates
- orientierende neurologische Untersuchung
- Ruhe-EKG – Untersuchung der elektrischen Aktivität des Herzens während der Belastung und in Ruhe
- Belastungs-EKG ab dem 40. Lebensjahr, bei auffälliger Anamnese auch bei unter 40-Jährigen – Untersuchung der elektrischen Aktivität des Herzens während der Belastung (Fahrradergometrie)
- Spirometrie (Lungenfunktionstest: Vitalkapazität (VC), Einsekundenkapazität (FEV1), forcierte Vitalkapazität (FVC); FEV1/FVC))
- Urinuntersuchung mittels Streifentest (pH-Wert des Urins, Proteine, Glucose, Nitritgehalt, Bilirubin, Ketone)
- Blutuntersuchungen (fakultativ)
- Sportmedizinische Beratung
Absolute Kontraindikationen (Gegenanzeigen) für eine Tauchtauglichkeit (Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht!):
- Ohr:
- deutliche Gehörgangsschwellung
- akute Tubendysfunktion bei nicht funktionierendem Druckausgleich
- Trommelfellperforationen
- Hörsturz (mit vestibulärer Symptomatik; Hörsturz bzw. Tinnitus (Ohrgeräusche) im Akutstadium)
- Lunge:
- akute Bronchitis
- unkontrolliertes Asthma bronchiale
- Belastungs- und/oder Kälte-induziertes Asthma
- Exazerbation (Krankheitsschub; akute Verschlechterung) eines Asthma bronchiale
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit Einschränkungen der Lungenfunktion (Stadium 2 nach GOLD: FEV1 80-50 % vom Soll;
FEV1/FVS < 70 %) - akute Exazerbation einer COPD
- Lungenemphysem (irreversible Überblähung der kleinsten luftgefüllten Strukturen (Lungenbläschen, Alveolen) der Lunge)
- Lungenzysten/Bullae (größere Blasen), Bronchiektasen (Synonym: Bronchiektasie; irreversible sackförmige oder zylindrische Ausweitungen der mittelgroßen Atemwege (Bronchien))
- Herz:
- Herzrhythmusstörungen:
- behandlungsbedürftige Tachykardien (> 100 Herzschläge pro Minute)) mit und ohne strukturelle Herzerkrankungen
- Supraventrikuläre Extrasystolen (Herzextraschlag, der oberhalb des Ventrikels (Herzkammer) entsteht) mit Bewusstseinsstörungen
- Komplexe Arrhythmien
- < 1 Jahr nach akutem Koronarsyndrom (ACS; Phasen der koronaren Herzkrankheit (KHK), die unmittelbar lebensbedrohlich sind); ebenso danach, wenn Angina pectoris (Brustenge, Herzschmerz), Herzinsuffizienz (Herzschwäche), reduzierte Ventrikelfunktion (Herzkammerfunktion) oder behandlungsbedürftige Rhythmusstörungen vorliegen
- hämodynamisch wirksame Vitien (Herzfehler, die die Strömungsmechanik des Blutes (Hämodynamik) wirksam beeinflussen): z. B. Aorten- und Mitralstenose (Herzklappenfehler, bei dem die Öffnung der Aortenklappe/Mitralklappe eingeengt ist) mit Klappenöffnungsflächen von < 1,5 cm²
- persistierendes Foramen ovale (PFO; offenes Foramen ovale) – erhöhte Gefahr von Embolien (Verschluss eines Gefäßes); klinisch entsteht das Bild einer Dekompressionserkrankung (DCI, englisch decompression illness; Taucherkrankheit); 4-fach erhöhtes Risiko für DCI
Beachte: Ein PFO betrifft ca. 25 Prozent der Bevölkerung.
- Herzrhythmusstörungen:
In der Schwangerschaft sollte wegen der Gefahr einer möglichen Teratogenität (Fruchtschädigung) nicht mit Druckgasgeräten getaucht werden.
Die Tauchtauglichkeit erlischt:
- bei akuten Erkrankungen bis zur vollständigen Genesung
- bei Belüftungsstörungen jeglicher Art
- nach schweren Erkrankungen*
- nach operativen Eingriffen*
- nach einem Tauchunfall*
*In diesen Fällen ist eine erneute tauchmedizinische Untersuchung erforderlich!
Beachte: In der Gruppe der Sporttaucher der Altersklasse größer 50 Jahre traten besonders häufig kardiovaskuläre Risiken auf. Jeder Zweite war übergewichtig, mehr als jeder Zweite war ehemaliger Raucher und jeder Dritte gab erhöhte Cholesterinwerte an [1].
Fazit: im Rahmen der Tauchtauglichkeitsprüfung sollte der BMI (Körpermasse-Index) bestimmt, der Raucherstatus erfragt, anamnestische kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie (Bluthochdruck) erhoben und Cholesterin bestimmt werden. Dieses wird dazu beitragen, das Risiko für tödliche Ereignisse während des Sporttauchens zu reduzieren.
Literatur
- Buzzacot P et al.: Risk factors for cardiovascular disease among active adult US scuba divers. European Journal of Preventive Cardiology 2018, online Juli. doi: https://doi.org/10.1177/2047487318790290