Leistungsverhalten unter Höhenbedingungen
Das Leistungsverhalten unter Höhenbedingungen hat sich in Sportmedizin zu einem zentralen Thema entwickelt, da immer mehr Menschen im Urlaub sportlich aktiv sein möchten und dies unabhängig vom ausgewählten Reiseziel. Befindet sich der Urlaubsort in größerer Höhe, so stellt dies häufig eine veränderte körperliche Belastung für den Urlauber dar. Doch nicht nur für den Urlaub in großer Höhe ist das Verständnis des Leistungsverhaltens in der Höhe von Bedeutung. Besonders Leistungssportler werden oftmals mit der Ausübung ihrer Sportart in großer Höhe konfrontiert, da entweder die ausgeübte Sportart wie beispielsweise beim Wintersport für gewöhnlich immer in der Höhe ausgeübt wird oder weil der Sportler einen verbesserten Trainingseffekt durch das "Höhentraining" erzielen soll.
Änderung der physikalischen Größen beim Training in großer Höhe
Der Luftdruck
- Bei einer zunehmenden Höhe ist ein Abfall des Luftdruckes zu erkennen. Dieser Abfall des Druckes wird auch als hypobare Umgebung bezeichnet. Allerdings verhält sich der Luftdruckabfall nicht proportional zur Höhe, da dieser durch die Reduktion der darüber liegenden Luftmassen in steigender Höhe exponentiell abfällt. Das Verhältnis von Höhe und Luftdruck wird in der barometrischen Höhenformel beschrieben.
- Laut dieser Formel ergibt sich bis zur Höhe von 3.000 m eine Druckreduktion von 8 mmHg pro 100 m Höhenzunahme. In einer Höhe von 8.000 m lässt sich abweichend von der barometrischen Höhenformel eine Luftdruckreduktion um 70 % feststellen.
Der Sauerstoffpartialdruck
- Anders als der Luftdruck ändert sich der Sauerstoffvolumen mit steigender Höhe nicht. Der Sauerstoffvolumenanteil von 20,93 % bleibt konstant, da auch in großen Höhen eine ausreichende Luftdurchmischung aufgrund der Temperaturdifferenzen gegeben ist. Deshalb fällt der Sauerstoffpartialdruck linear zum Luftdruck mit steigender Höhe ab.
- Als Beispiele für die Veränderung des Sauerstoffpartialdruckes bei unterschiedlichen Höhen können der Sauerstoffpartialdruck in der wasserdampfgesättigten Trachea auf Meereshöhenniveau und auf Höhe der Zugspitze (fast 3.000 m) dienen. Vergleicht man den Sauerstoffpartialdruck auf Meereshöhenniveau mit dem in einer Höhe von 3.000 m, so fällt auf, dass dieser auf Höhe der Zugspitze um 50 mmHg von 150 mmHg auf 100 mmHg reduziert wird. In 8.000 m beträgt der Sauerstoffpartialdruck lediglich 46 mmHg.
- Die Sauerstoffpartialdruck-Werte schwanken jedoch sehr stark, da die Druckangaben durch unterschiedliche Wetterbedingungen variabel sein können. Die so hervorgerufenen Schwankungen können mehrere mmHg beziehungsweise Pascal betragen.
Die Luftdichte
- Bein einer Zunahme der Höhe ist eine Verringerung des Luftdruckes wie beschrieben zu erkennen. Mit diesem Abfall des Luftdruckes geht auch eine Reduktion der Anzahl der Gasmoleküle pro Volumeneinheit Luft einher. Diese Reduktion der Anzahl der Gaspartikel wird als abnehmende Luftdichte bezeichnet.
- Durch die hervorgerufene Abnahme der Luftdichte erfolgt eine Verringerung des Atemwiderstandes, sodass eine reduzierte Atemarbeit die Folge ist. Da bei sportlicher Betätigung ein größeres Atemminutenvolumen gemessen werden kann, ist bei der Durchführung des Trainings in großer Höhe eine signifikant reduzierte Atemarbeit das Resultat. Die erhöhte Atemarbeit bei sportlicher Belastung erfolgt unabhängig von der Höhe aufgrund der turbulenten Luftströmungen durch das erhöhte Atemzeitvolumen. Vergleicht man das maximale Atemminutenvolumen in Abhängigkeit von der Höhe, so lässt sich ein höheres maximales Atemzeitvolumen in der Höhe erkennen.
- Folge dieser reduzierten Luftdichte ist eine Abnahme des Luftwiderstandes, der bei sportlicher Belastung der Bewegungsgeschwindigkeit entgegenwirkt. Resultat des verminderten Luftwiderstandes ist daher eine höhere Fortbewegungsgeschwindigkeit bei kurzen Belastungen, wie beispielsweise beim 100 m-Sprint in der Leichtathletik.
Die Temperatur
- Normalerweise verhält sich die Umgebungstemperatur proportional zur zunehmenden Höhe. Für eine Höhensteigerung um 1.000 m erfolgt eine Temperaturreduktion um 6,5 °C, sofern die Ausgangstemperatur 15 °C auf Meereshöhe beträgt. Des Weiteren wird die Temperaturabnahme durch zusätzliche Faktoren, wie beispielsweise Jahres- und Tageszeit beeinflusst.
- Sportmedizinisch ist der Temperaturunterschied von wichtiger Bedeutung, da eine geringere Umgebungstemperatur eine intensivere Aufwärmarbeit des Sportlers notwendig macht. Auf Grund dessen ist die übliche Verhaltensweise vieler Wintersportler, erst den Lift zu benutzen und dann ohne Aufwärmen Ski zu fahren, als höchst riskant einzuschätzen.
Die Strahlungsintensität
- Die niedrige Außentemperatur und die Bedeckung eines Großteils des Körpers führen häufig zu einer Fehleinschätzung des Strahlenrisikos beim Wintersport in den Bergen. Mit zunehmender Höhe steigt die Intensität der ultravioletten Strahlung, da die Luftmasse zwischen Ozonschicht und Erdoberfläche geringer ist und eine zusätzliche starke UV-Strahlen-Reflexion an Schnee und Eis vorliegt.
- Durch die aufgezählten Faktoren potenziert sich das Risiko für einen Sonnenbrand und das Auftreten einer Schneeblindheit.
Der Wasserdampf in der Luft
- Der Wasserdampfdruck verändert sich wie die Temperatur in Abhängigkeit von der Höhe. Mit zunehmender Höhe fällt der Wasserdampfdruck durch eine sinkende Temperatur in der Umgebungsluft. Ein Höhenanstieg um 2.000 m reduziert den Wasserdampfdruck in der Luft um 50 %. Die Relevanz für die Sportmedizin ergibt sich aus der Tatsache, dass die Atemluft vor Überschreiten der Diffusionsbarriere im Bronchialsystem erst in den zuführenden Luftwegen auf 37 °C erwärmt und vollständig mit Wasserdampf gesättigt werden muss.
- Ist dies durch die zuführenden Luftwege nicht zu bewerkstelligen, so wird die Leistung des Sportlers beeinträchtigt, da eine Austrocknung der Alveolarwände mit Reduktion des Gasaustausches erfolgen würde. Durch das erhöhte Atemminutenvolumen beim Sport wird vermehrt relativ kalte und wasserungesättigte Luft eingeatmet, sodass mehr Wasser über die Schleimhäute in die Atemluft transportiert werden muss. Die heraus entstehende Austrocknung der Schleimhäute führt zu einem Hustenreiz und eine Hyperreaktivität der Schleimhäute bei vermehrter Durchblutung.
- Die Anfeuchtung der Atemluft durch die Schleimhäute kann beispielsweise bei Bergsteigern zu einem massiven Wasserverlust führen, der bis zu sechs Litern Wasser betragen kann. Da außerdem das Durstempfinden in großen Höhen reduziert ist, kann es häufig zu einer unbemerkten Exsikkose kommen.
Reaktion des Körpers auf eine plötzliche körperliche Beanspruchung in großer Höhe:
Wie bereits beschrieben, fällt der Sauerstoffpartialdruck in Abhängigkeit von der Höhe. Da jedoch der Sauerstoffbedarf des Sportlers nahezu konstant bleibt, reduziert sich der Sauerstoffanteil im Blut. Die hieraus resultierende Hypoxie in großer Höhe wird daher auch als Berg- oder Höhenkrankheit bezeichnet. Als Anpassungsreaktion auf die Hypoxie wird das Atemzentrum durch den Sauerstoffmangel stimuliert, was zur tieferen und schnelleren Atmung des Sportlers führt. Ab einer Höhe von ungefähr 3.000 m kann diese Atmungsform auch ohne sportliche Belastung auftreten.
Physiologische Regelkreisläufe zur Kompensation der Gewebehypoxie
Das Atemminutenvolumen (AMV)
- Über Chemosensoren im Bereich der Karotisgabel im Glomus caroticum wird die Sättigung des Blutes über bisher teils unbekannte Mechanismen ermittelt. Ein erniedrigter Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut führt zur Erregung im Glomus caroticum, die an das Atemzentrum im ZNS weitergeleitet wird. Als Folge führt der Sportler Atemzüge mit einem höheren Volumen und in einer höheren Frequenz durch.
- Problematisch ist jedoch das veränderte Kohlendioxidverhalten im Blut, da sich die Konzentration in der Luft in Abhängigkeit von der Höhe nicht verändert. Durch die sportliche Belastung in großen Höhen ändert sich auch nicht die Produktion von Kohlendioxid im Körper. Folglich führt der Sportler eine Hyperventilation mit einer massiv erniedrigten Kohlendioxidkonzentration im Blut durch.
- Über eine Kopplung des Atemzentrums mit dem Kreislaufzentrum führt eine Hypoxie zur Freisetzung von Katecholaminen, die eine Steigerung des Blutdruckes und somit des Herz-Zeit-Volumens (HZV) hervorruft. Die Steigerung des HZV beruht maßgeblich auf einer Steigerung der Herzfrequenz (Cave: Tachykardie, ggf. mit Tachyarrhythmien).
Das Säure-Base-Gleichgewicht
- Infolgedessen erfolgt auch eine Veränderung des Säure-Base-Gleichgewichtes bei der Ausübung einer sportlichen Belastung in großer Höhe. Durch die Abatmung von Kohlendioxid und der gleichbleibenden Produktion im Gewebe entsteht eine Reduktion des Säuregrades vom Blut. Durch den sinkenden Kohlendioxidanteil verringert sich automatisch die Protonenkonzentration im Blut, sodass eine respiratorische Alkalose die Folge ist.
- Die erniedrigte Protonenkonzentration entspricht nicht dem Optimalzustand, was dazu führt, dass der Organismus bestrebt ist, die für die Zellfunktion ungünstige niedrige Protonenkonzentration zu erhöhen. Da der Sauerstoffpartialdruck keinen verminderten Atemantrieb als Korrektur der Alkalose zulässt, muss der Körper die verringerte Protonenkonzentration metabolisch korrigieren und basisches Bicarbonat über die Niere ausscheiden. Die metabolische Korrektur ist nur in mittleren Höhenlagen möglich, in größeren Höhen erfolgt maximal eine Teilkompensation des Säure-Basen-Gleichgewichtes.
- Da über die Ausscheidung von Bicarbonat die Fähigkeit des Blutes verloren geht, Säuren wie beispielsweise Lactat abzupuffern, kann die Ausdauerfähigkeit der Sportler durch die Lactatanhäufung im Muskel massiv vermindert werden.
- Ein Verlust von Kohlendioxid führt unabhängig von einem Puffergleichgewicht zu einer Verschiebung Sauerstoffbindungskurve nach links, sodass Sauerstoff besser an Hämoglobin binden kann, was zur Folge hat, dass sich im Hochgebirge mehr Sauerstoff im arteriellen Blut befindet. Durch die Linksverschiebung der Bindungskurve wird jedoch auch weniger Sauerstoff ans Gewebe abgeben.
- Erfolgt jedoch eine rasche Höhenzunahme, so erfolgt eine leichte Verlagerung der Bindungskurve nach rechts. Durch diese Verlagerung des Gleichgewichtes wird mehr Sauerstoff ans Gewebe abgegeben. Grund für diese Verschiebung ist die Zunahme von 2,3-Diphosphoglyzerat (2,3-DPG).
Reaktion des Körpers auf eine lang andauernde körperliche Beanspruchung in großer Höhe:
- Die durch die dauerhafte Hypoxie hervorgerufene Reaktion des Körpers unterscheidet sich von der akuten Korrektur einer Hypoxie in großer Höhe, da hier eine Steigerung von Atemminutenvolumen und Herzminutenvolumen (HMV) zur Korrektur nicht ausreichend ist. Stattdessen bedarf es einer Anpassung des Sauerstoffverbrauches im Gewebe und den dort vorliegenden Zellen.
- Die schon bei einem kurzen Höhenaufenthalt vorliegende Hyperventilation wird konstant beibehalten. Die zur Korrektur hervorgerufene Bicarbonatausscheidung kann nun durch eine erhöhte Hämoglobinmenge im Blut teilkompensiert werden, die als Polyglobulie bezeichnet wird. Nach wenigen Wochen ist der Hämoglobingehalt so hoch, dass das verstärkte Ansäuern der Muskulatur bei sportlicher Belastung problemlos korrigiert werden könnte. Allerdings entsteht eine sogenannte scheinbare Polyglobulie schon nach einem wenige Tage andauernden Höhenaufenthalt. Diese scheinbare Polyglobulie ist darauf zurückzuführen, dass das Plasmavolumen schon nach wenigen Tagen reduziert ist, die Erythrozytopoese jedoch einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt.
- Die entstehende Polygobulie erhöht jedoch nicht nur die Sauerstoffbindungskapazität des Blutes, sie birgt auch Nachteile. Als Beispiele wären die erhöhte Viskosität und die damit einhergehende vermehrte Herzarbeit zu nennen. Die hieraus resultierende verminderte Kapillarpassage kann möglicherweise zu einer Minderversorgung von Geweben führen.
Das Höhentraining
- Die reduzierte Versorgung des Muskelgewebes führt im Muskel zu einer vermehrten Kapillarisierung, die die Sauerstoffversorgung des Muskels begünstigt. Dieser Effekt bleibt auch mehrere Monate nach einem Höhenaufenthalt erhalten. Außerdem steigt der Myoglobingehalt, sodass mehr Sauerstoff im Muskelgewebe gespeichert werden kann.
- Durch die chronische Hypoxie adaptiert der Körper und die Kompensationsmechanismen wie beispielsweise die verbesserte Sauerstoffkapazität können auch nach der Höhenexposition für Wettkampferfolge genutzt werden.
Literatur
- de Marées H: Sportphysiologie. Sport & Buch Strauß Verlag 2003
- Dickhuth HH: Sportmedizin für Ärzte. Deutscher Ärzte Verlag 2007
- Rost R: Lehrbuch der Sportmedizin. Deutscher Ärzte Verlag 2001
- Klinke R: Lehrbuch der Physiologie. Georg Thieme Verlag 2005
- Schmidt R: Physiologie des Menschen. Springer Verlag 2004