Einfluss des Sports auf das Immunsystem

Das Immunsystem stellt das biologische Abwehrsystem des menschlichen Körpers dar. Als Hauptfunktion des Immunsystems ist die Erkennung "fremder bzw. schädlicher Substanzen" zu nennen, welche durch die Kooperation diverser zellulärer und humoraler Systeme erfolgt. Das System der Immunabwehr lässt sich vereinfacht in folgende Systeme einteilen. Einerseits besteht die Möglichkeit, das Immunsystem anatomisch in ein lymphatisches und ein nicht-lymphatisches System zu unterteilen. Andererseits ist es inzwischen gebräuchlicher, das Immunsystem funktionell in ein natürliches System der angeborenen Immunität (Synonym: unspezifisches Immunsystem) und in ein adaptives System der erworbenen Immunität (Synonym: spezifisches Immunsystem) zu unterteilen. Betrachtet man die Entwicklung der verschiedenen Zellen des Immunsystems, so wird deutlich, dass jeder einzelne Zellsubtypus aus der Hämatopoese entsteht. Als Basis für die Entwicklung einer Zelle des Immunsystems steht somit immer die hämatopoetische Stammzelle. Obwohl es eine strikte Einteilung der Zelltypen in das erworbene und das angeborene Immunsystem gibt, muss jedoch beachtet werden, dass eine vielfältige Kommunikation zwischen den verschiedenen Zellpopulationen über Zytokine und über membrangebundene Rezeptoren und deren Liganden die Funktion des Immunsystems gewährleistet.

Folgende Zelltypen sind für die Funktion des Immunsystems von entscheidender Bedeutung:

Lymphozyten und ihre Subpopulationen

  • Insgesamt stellen die Lymphozyten und ihre dazugehörigen Subgruppen ungefähr 30 % aller im Körper gespeicherten und zirkulierenden Leukozyten dar. Eine Klassifizierung der Lymphozyten erfolgt in verschiedene Subgruppen aufgrund der unterschiedlichen Rezeptorstrukturen. Diese Form der Klassifizierung wird als CD-Klassifizierung (CD: Cluster of differentiation) bezeichnet.
  • T-Lymphozyten – Die größte Untergruppe der Lymphozyten stellen die T-Lymphozyten mit einem Anteil von 70 % aller Lymphozyten dar. Charakteristisch für die T-Lymphozyten ist das Vorkommen von CD3+-Rezeptoren. Die Entwicklung dieser Lymphozytengruppe geschieht im Thymus, bis aus den Vorläuferzellen schließlich Antigen-erkennende T-Lymphozyten entstehen. Der Prozess der Antigenerkennung erfolgt bei den T-Lymphozyten durch die Verwendung eines T-Zell-Rezeptors, nachdem durch Monozyten oder Makrophagen, welche sich aus den Monozyten entwickeln, das Antigen präsentiert wurde.
  • Ts-Lymphozyten (T-Suppressor-Lymphozyten) – Diese Subgruppe zeichnet sich durch das Vorhandensein von CD3+- und CD8+-Rezeptoren aus. Als Funktion dieses Zelltypus ist die Suppression überschießender Immunreaktionen anzuführen. Um diese Funktion ausüben zu können, bedarf es einer Interaktion von den Ts-Lymphozyten mit nahezu allen kernhaltigen Zellen des menschlichen Körpers.
  • Tc-Lymphozyten – Diese Untergruppe, die sowohl über CD3+- und CD8+- als auch über CD28+-Rezeptoren verfügt, stellt eine Population von zytotoxischen Zellen dar. Analog zu den Ts-Lymphozyten bedürfen auch die Tc-Lymphozyt zur Ausübung ihrer Funktion einer Kommunikation mit den kernhaltigen Körperzellen. Die Hauptaufgabe dieser Lymphozyten ist die Erkennung von virusinfizierten Zellen. Sollten die Tc-Lymphozyten auf eine infizierte Körperzelle stoßen, so wird diese umgehend eliminiert.
  • Th-Lymphozyten – Damit die verschiedenen Komponenten des Lymphozytensystems sinnvoll aktiviert werden, benötigt der Körper einen Zelltyp zur Koordination dieser Abwehrzellen. Diese Aufgabe übernehmen die Th-Lymphozyten, welche über CD3+- und CD4+-Rezeptoren verfügen. Ohne das Vorhandensein dieses Zelltyps ist es beispielsweise den Tc-Lymphozyten nicht möglich, virusinfizierte Zellen zu zerstören. Über die Sezernierung von Interleukinen (ILs) besteht die Möglichkeit der Stimulation von B-Lymphozyten, Makrophagen und zytotoxischen T-Zellen.  
  • B-Lymphozyten – Neben den T-Lymphozyten gibt es eine weitere wichtige Population von Lymphozyten, die CD19+-Rezeptor-tragenden B-Lymphozyten. Vergleicht man die Anzahl von T- und B-Lymphozyten, so wird deutlich, dass die Menge an T-Lymphozyten mehr als das 6-fache beträgt. Im Gegensatz zu den T-Lymphozyten benötigt diese Lymphozytengruppe keinerlei Antigenpräsentation durch Makrophagen oder Monozyten, da die Erkennung von Antigenen durch membrangebundene Immunglobuline erfolgt. Als entwicklungstechnisch wichtig ist des Weiteren anzuführen, dass sich die B-Lymphozyten zu Plasmazellen differenzieren können. Als entscheidende Aufgabe der B-Lymphozyten ist die Herstellung von Antikörpern zu nennen.

Granulozyten

  • Neutrophile Granulozyten – diese Subgruppe der Granulozyten stellt den größten Anteil aller zirkulierenden Leukozyten im Körper dar. Die im Knochenmark produzierten Zellen bleiben nur wenige Stunden im Blutkreislauf und werden nach 1-2 Tagen vollständig abgebaut. Neben der Freisetzung von Entzündungsmediatoren ist die Phagozytose von Bakterien als Hauptfunktion anzugeben.
  • Eosinophile Granulozyten – diese Fraktion der Granulozyten ist hauptsächlich für die Eliminierung von Parasiten zuständig und hat damit wahrscheinlich eine synergistische Wirkung mit dem Histamin. Die Produktion dieses Zelltyps erfolgt ebenfalls im Knochenmark.
  • Basophile Granulozyten – auch diese Granulozytenpopulation wird im Knochenmark synthetisiert. Die Aufgabe dieser Zellen ist bis heute jedoch unklar.

Natürliche Killer-Zellen (NK-Zellen)

  • Da die NK-Zellen weder über eine Antigenspezifität noch über einen nachweisbaren Aktivierungsmechanismus verfügen, zählt man diese Zellen zum unspezifischen zellulären Immunsystem. Ihnen wird die Funktion zugeschrieben, Tumorzellen und virusinfizierte Zellen zerstören zu können.

Makrophagen

  • Die Makrophagen sind ungefähr einen Tag im Blutkreislauf und differenzieren sich anschließend zu Gewebsmakrophagen wie beispielsweise den Kupffer-Zellen. Wie aus dem Namen schon abzuleiten ist, ist die Hauptaufgabe des Zelltyps die Elimination von Mikroorganismen und Immunkomplexen. Außerdem verfügen Makrophagen über einen riesigen Pool an Interleukinen und Tumornekrosefaktoren (TNF). Überdies sind die Makrophagen auch an der Antigenpräsentation beteiligt und können zur Entstehung von Fieberzuständen beitragen.

Betrachtet man die Veränderungen der Komponenten des Immunsystems während einer sportlichen Belastung, so wird erkennbar, dass sich besonders beim Ausdauertraining die Konzentration an Lymphozyten im Blut erhöht. Vergleicht man jedoch die Menge der Lymphozyten während der Belastungsphase mit der Zahl der Lymphozyten in der Erholungsphase, so ist ein Abfall der Konzentration festzustellen. Der Anstieg der Lymphozyten beim Ausdauertraining beruht auf einer Steigerung der Konzentration fast aller Lymphozyten. Besonders stark wird ein Abfall von Zellen des Immunsystems nach dem Ausdauersport bei den natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) festgestellt. Da dieser Zelltyp die Funktion der Elimination von virusinfizierten Zellen hat, lässt sich so z. B. eine verstärkte Infektneigung bei nicht ausreichender Vorsorge erklären. Eine Konzentrationsveränderung von Ts-Lymphozyten konnte bei Trainingsbelastungen bisher nicht bewiesen werden.

Ähnlich wie bei den Lymphozyten erhöht sich die Konzentration der Granulozyten beim Sport, allerdings fällt ihre Konzentration nach dem Ausführen einer sportlichen Betätigung nicht ab, sondern bleibt vielmehr konstant oder kann sogar noch steigen. Insgesamt überwiegt jedoch die Schwächung der Abwehrfunktion des Körpers nach dem Sport.

Neben dem Einfluss auf die beschriebenen Zelltypen lässt sich auch eine Veränderung der Konzentration bei den Immunglobulinen der humoralen Immunität feststellen. Ähnlich wie bei den vorher beschriebenen Zellen des Immunsystems lässt sich auch eine belastungsabhängige Erhöhung der Konzentration erkennen. Bei den Immunglobulinen erfolgt diese jedoch bei anaeroben Leistungen stärker als bei aeroben. Besonders die Menge der IgMs und IgGs nimmt unter diesen Trainingsformen zu. Wird jedoch das Training beendet, so erhöht sich das Risiko einer Infektion, da insbesondere die IgAs, welche unter anderem zur Verhinderung von Infekten der oberen Atemwege dienen, in ihrer Menge im Serum abnehmen.

Bezieht man die hormonelle Regulation des Körpers bei intensivem Training noch in die Anpassung des Immunsystems beim Sporttreiben mit ein, so ist eine zusätzliche Schwächung der Abwehrkräfte durch die Zunahme des Hormons Cortisols festzustellen. Überdies führt eine starke körperliche Belastung zu einer Senkung der Lymphozyten und NK-Zellen, wo hingegen eine milde sportliche Belastung den Immunschutz verbessert. Als Resultat ist demnach die These vertretbar, dass Hochleistungssportler ein größeres Infektrisiko besitzen, während die Aktivität des Freizeitsportlers das Immunsystem fördert. Führt man einen Vergleich zwischen ausdauertrainierten und nicht ausdauertrainierten Personen durch, so ergibt sich, dass der trainierte Mensch weitaus mehr Zellen der unspezifischen Immunität exprimiert hat. Bei der Ausführung einer körperlichen Betätigung steigt diese Zahl noch weiter. Neben der muskulären Aktivität spielen auch mögliche Verletzungen des Sportlers eine wichtige Rolle in der Konzentration von Zellen des Abwehrsystems. Besonders die Menge an Mediatoren wie beispielsweise Zytokinen und Chemokinen erhöht sich durch eine muskuläre Schädigung.

Unabhängig von der Belastung im Training ist körperliche Arbeit ein Zustand, der dem einer Akut-Phase-Reaktion gleicht. Charakteristisch für eine solche Reaktion des Körpers ist unter anderem die Erhöhung des CRP (C-reaktives Protein) und von Lymphokinen wie z. B. dem Interleukin-1 und dem Tumor-Nekrose-Faktor (TNF). Des Weiteren ist eine massive Erhöhung des α1-Antitrypsins und des Fibrinogens zu erkennen, was darauf hindeutet, dass Sport ähnliche Aktivierungskaskaden hervorruft wie eine Gewebeschädigung. Konsequenz dieser Reaktion des Körpers kann eine Hyperthermie sein. In der Phase der Regeneration ist dieses Aktivierungsmuster nicht mehr im gleichen Maße aktiv, stattdessen erfolgt eine Sezernierung von Makrophagen und Granulozyten. Allerdings ist die Konzentration von Lymphokinen in der Regenerationsphase weitaus höher als in der belastungsfreien Ruhephase. In der Phase der Regeneration nach einem über mehrere Stunden andauernden Trainings sind besonders die Leukozyten erhöht, sodass eine Leukozytose im Blutbild nachgewiesen werden kann.

Führt ein Sportler zu häufig belastungsintensive Trainingseinheiten durch und ermöglicht seinem Körper keine ausreichende Regeneration, so führt das vermehrte Auftreten der Akut-Phase-Reaktion zu einer messbaren Schwächung des Immunsystems. Sollte jedoch eine bekannte Schwächung des Immunsystems schon vor dem Beginn eines Trainingsprogrammes vorliegen, so sollte die Intensität des Trainings submaximal sein, da sonst die Abwehrschwäche zu einer Infektneigung führt und beispielsweise die beim Training entstehenden Sauerstoffradikale (ROS) vom Immunsystem nicht neutralisiert werden können. Durch die fehlende Neutralisation wären Schädigungen an diversen Gewebestrukturen des Körpers möglich, aus denen sich weitere Folgeerkrankungen entwickeln können.

Literatur

  1. Hollmann W: Sportmedizin: Grundlagen von körperlicher Aktivität, Training und Präventivmedizin. Schattauer Verlag 2009
  2. Graf C: Lehrbuch der Sportmedizin. Deutscher Ärzte Verlag 2012
  3. de Marées H: Sportphysiologie. Sportverlag Strauß 2017
  4. Böcker W: Pathologie. Urban & Fischer Verlag 2008
  5. Löffler G: Biochemie und Pathobiochemie. Springer Verlag 2006
  6. Reimers C: Neurologie, Psychiatrie und Sport. Georg Thieme Verlag 2003
  7. Weineck J: Sportbiologie. Spitta Verlag 2004