Zungenbelag – Differentialdiagnosen
Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)
- Eisenmangelanämie ‒ Blutarmut, die durch einen Eisenmangel bedingt ist; Zunge erscheint eher blass; Zungenbrennen [s. u. Eisenmangelanämie]
- Immundefizienz/Abwehrschwäche → Candidose (Synonyme: Candidasis, Candidosis)
- Perniziöse Anämie – Anämie (Blutarmut), die durch einen Mangel an Vitamin B12 oder seltener durch einen Folsäuremangel bedingt ist; glatte, rote entzündete Zunge und Zungenbrennen ("Hunter-Glossitis") [s. u. megaloblastäre Anämie]
- Plummer-Vinson-Syndrom (Synonyme: Sideropenische Dysphagie, Paterson-Brown-Kelly-Syndrom) ‒ Kombination mehrerer Symptome, die durch eine Schleimhautatrophie im oberen Gastrointestinaltrakt (Mundhöhle bis Magen) bedingt ist; die Erkrankung führt aufgrund der Schleimhautatrophie im Mund zu Schluckbeschwerden und Zungenbrennen, des Weiteren treten auf: Schleimhautdefekte, Mundwinkelrhagaden (Einrisse im Mundwinkel), brüchige Nägel und Haare und Dysphagie (Schluckbeschwerden) durch größere Schleimhautdefekte; die Erkrankung ist ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms (Speiseröhrenkrebs)
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Diabetes mellitus (→ Candidose)
- Eisenmangel
- Folsäuremangel
- Vitamin B12-Mangel
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Osler-Weber-Rendu-Krankheit (Synonyme: Morbus Osler; Osler-Syndrom; Morbus Osler-Weber-Rendu; Morbus Osler-Rendu-Weber; Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie, HHT) – autosomal-dominant vererbte Erkrankung, bei der es zu Teleangiektasien (sichtbare Erweiterungen oberflächlich gelegener kleinster Blutgefäße) kommt. Diese können überall auftreten, finden sich jedoch besonders in Nase (Leitsymptom: Epistaxis (Nasenbluten)), Mund, Gesicht und den Schleimhäuten des Gastrointestinaltrakts (Magen-Darm-Traktes). Da die Teleangiektasien sehr verletzlich sind, kann es leicht zu Einrissen und somit zur Blutung kommen.
Haut und Unterhaut (L00-L99)
- Lichen ruber planus (Knötchenflechte) – Beschreibung von kleinen flachen, leicht schuppenden Knötchen hier: Lichen ruber mucosae oris; brennende Zungenschmerzen können bereits vor dem Auftreten sichtbarer Veränderungen auftreten
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Candidose – Infektionskrankheiten durch Pilze (Sprosspilze) der Gattung Candida (hier: Mundschleimhautentzündung inkl. Zunge)
- Scharlach (Kinderkrankheit); zunächst weiß belegte Zunge, später rot gefärbte Zunge mit vergrößerten Zungenpappeln (sogenannte "Himbeerzunge") [s. u. Scharlach]
- Typhus (Tropenerkrankung): mittig grau-weiß/gelb belegte Zunge mit freien rötlichen Rändern (sog. Typhuszunge) [s. u. Typhus]
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)
- Lebererkrankungen? → gelblicher Zungenbelag? [Bedeutung wird kontrovers beurteilt]
- Leberzirrhose – irreversible (nicht umkehrbare) Schädigung der Leber und einen ausgeprägten Umbau des Lebergewebes; Endpunkt vieler Lebererkrankungen, die sich durch einen langsam progredienten (fortschreitenden) Verlauf über Jahrzehnte auszeichnen; Lackzunge (besonders rote und unbelegte Zunge) und Lacklippen (glatte, lackrote Lippen) [s. u. Leberzirrhose]
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Gastritis (Magenschleimhautentzündung) → weißer (bis schmutzig-weißer) Zungenbelag [s. u. Gastritis]
- Gingivostomatitis ulcerosa/geschwürige Entzündung des Zahnfleisches und der Mundschleimhaut (Formen: Plaut-Vincent wg. bakterieller Mischinfektion; Agranulozytose/Fehlen oder starke Abnahme der Granulozyten im Blut wg. Unverträglichkeitsreaktionen)
- Glossitis (Zungenentzündung) → roter Zungenbelag [s. u. Glossitis]
- Glossitis mediana rhombica: ovale schmerzlose Veränderung im mittleren Drittel des Zungenrückens, die nicht von Papillen bedeckt ist; unbekannte Ursache
- Lingua geographica (Landkartenzunge): harmlose Veränderung der Zungenoberfläche; Konstitutionsanomalie; die Zunge bekommt ihr typisches Aussehen durch Abstoßung des Epithels der fadenförmigen Papillen der Zungenoberfläche (Papillae filiformes); es zeigen sich weißliche und rötliche Bezirke, die einer Landkarte ähneln; Spektrum der Beschwerden reicht von symptomlos bis zu einem brennenden Gefühl oder brennenden Schmerzen.
- Lingua plicata (Faltenzunge; Synonyme: Faltenzunge, Kerbzunge, Furchenzunge, Lingua fissurata, Lingua scrotalis, Lingua dissecta, Lingua cerebelliformis): autosomal dominant vererbte Variante der Beschaffenheit der Zungenoberfläche; verstärkte längs- und/oder querverlaufende Faltenbildung; hat keinen Krankheitswert; Teilsymptom beim Melkersson-Rosenthal-Syndrom; wird häufig auch bei Patienten mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) gefunden
- Parodontitis – Erkrankung des Parodonts (Zahnhalteapparat) → belegte Zunge unterschiedlicher Farbe und Stärke
- Schwarze Haarzunge (Lingua pilosa nigra; Nigrities linguae; Lingua villosa nigra (vereinfacht auch Lingua nigra)): einen Krankheitswert im eigentlichen Sinne soll die Haarzunge nicht haben. Auftreten: 3-5 % der Normalbevölkerung, hauptsächlich bei Männern; bedingt durch die Verlängerung bestimmter Papillen (Hyperplasie der Papillae filiformes) der Zunge, die einen haarigen und meist dunklen Belag auf dem hinteren Teil des Zungenrückens bilden.
- Xerostomie (Mundtrockenheit) [s. u. Xerostomie]
- Zungenfissur (Schleimhauteinriss in der Zunge), meist schmerzlos
Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)
- Kawasaki-Syndrom – akute, fieberhafte, systemische Erkrankung, die durch eine nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittleren Arterien gekennzeichnet ist); rote Himbeerzunge und spröde Lacklippen [s. u. Vaskulitis/Kawasaki-Syndrom]
- Sjögren-Syndrom – Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen, die zu einer chronisch-entzündlichen Erkrankung bzw. Zerstörung der exokrinen Drüsen führt, wobei die Speichel- und Tränendrüsen am häufigsten betroffen sind; häufig zeigt sich eine typisch rote, glänzende Lackzunge (besonders rote und unbelegte Zunge) [s. u. Sjögren-Syndrom]
Neubildungen (C00-D48)
- Leukoplakie der Mundschleimhaut – vorwiegend weiße Veränderung, die weder klinisch noch histopathologisch als eine andere definierbare Schleimhautveränderung charakterisiert werden kann
Medikamente
Medikamente, die zu einer Verfärbung der Zunge führen können
- Antibiotikagabe, längerfristig → "schwarze Haarzunge"
- Mundspülung mit Chlorhexidin (Antiseptikum, das vor allem in der Zahnmedizin verwendet wird) → brauner Zungenbelag
Medikamente, die zu einer Xerostomie (Mundtrockenheit) führen können
- ACE-Hemmer (Benazepril, Captopril, Cilazapril, Enalapril, Fosinopril, Imidapril, Lisinopril, Moexipril, Perindopril, Quinapril, Ramipril, Spirapril, Trandolapril, Zofenopril)
- Alpha-2-Agonisten (Apraclonidin, Brimonidin, Clonidin)
- Alpha-1-Rezeptorenblocker (Bunazosin, Doxazosin, Prazosin, Terazosin)
- Anorektikum (Sibutramin)
- Antiallergika (H1-Antihistaminika)
- Anticholinergika (Ipratropiumbromid) [über periphere Rezeptorblockade]; Aclidinium, Biperiden, Darifenacin, Glycopyrronium, Metixen, Methantheliniumbromid, Oxybutynin, Phenoxybenzamin, Propiverin, Scopolamin, Solifenacin, Tiotropium, Tolterodin, Trihexyphenidyl, Trospiumchlorid, Umeclidinium
- Methantheliniumbromid
- Siehe ggf. auch unter "Anticholinerge Wirkung durch Medikamente".
- Antidepressiva [über zentrale Rezeptorblockade]
- Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NaSSA) – Mirtazapin
- Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NARI) – Reboxetin, Viloxazin
- Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) – Duloxetin, Venlafaxin
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) – Trazodon
- Trizyklische Antidepressiva (TZA) – Amitriptylin, Butriptylin, Cianopramin, Clomipramin, Desipramin, Doxepin, Imipramin, Iprindol, Melitracen, Nortriptylin, Opipramol, Protriptylin, Trimipramin)
- Antiemetika (Dimenhydrinat, Scopolamin)
- Antiepileptika (Gabapentin)
- Antihistaminika (Clemastin, Dimetinden, Ketotifen)
- Antiparkinsonmittel
- Anticholinergika (Belladonna-Gesamtextrakt, Benzatropin, Biperiden, Bornaprin, Metixen, Pridinol, Procyclidin, Scopolamin, Trihexyphenidyl)
- Dopaminerge Substanzen (Amantadin, Apomorphin, Bromocriptin, Cabergolin, Alpha-Dihydroergocryptin, Levodopa, Lisurid, Memantin, Pergolid, Pramipexol, Ropinirol)
- Antipsychotika (Neuroleptika)
- Konventionelle (Klassische) Antipsychotika (Neuroleptika)
- Phenothiazintyps (Levomepromazin, Triflupromazin)
- Konventionelle (Klassische) Antipsychotika (Neuroleptika)
- Antisympathotonika (α-Methyldopa)
- Anxiolytika (Azapirone, Hydroxyzin)
- ß-3-Mimetikum (Mirabegron)
- Betablocker (Metoprolol)
- Bronchodilatatoren (β2-Mimetika) – Sulbutamol, Terbutalin)
- Carboanhydrasehemmer, lokale (Brinzolamid, Dorzolamid)
- Diuretika
- Schleifendiuretika (Azosemid, Bumetanid, Etacrynsäure, Etozolin, Furosemid, Piretanid, Torasemid)
- Thiaziddiuretika (Benzthiazid, Chlorothiazid, Hydrochlorothiazid (HCT), Hydroflumethiazid, Methyclothiazid, Polythiazid, Trichlormethiazid)
- Dopaminagonisten (Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid)
- Dopaminantagonisten (Butyrophenone: Haloperidol)
- Drogen (Amphetamine, Tetrahydrocannabinol)
- Hypnotika
- Magnesiumsulfat
- Narkotika, zentral wirkende Analgetika
- Opioidantagonisten (Nalmefen, Naltrexon)
- Parasympatholytika (Atropin)
- Perchlorate (Perchlorat)
- Psychotrope Substanzen wie Modafinil
- Sedativa
- Spasmolytika (Butylscopolamin)
- Sympathomimetika
- indirekte Sympathomimetika (Amphetamine)
- Zytostatika
Medikamente, die zu einem Mundbrennen führen können
- Mundspülungen
- Reserpin
Weiteres
- Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Überwiegend flüssige Ernährung (z. B. Fasten) → weißer (bis schmutzig-weißer) Zungenbelag
- Genussmittelkonsum → schwarzer Zungenbelag
- Alkohol (z. B. Rotwein)
- Kaffee
- Schlechte Mundhygiene → weißer (bis schmutzig-weißer) Zungenbelag
- Ernährung