Zungenbelag – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Zungenbelags dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie häufig Erkrankungen der Mundhöhle, Haut oder des Stoffwechsels (z. B. Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen)?
  • Gibt es eine familiäre Häufung von Infektionen oder Immunschwächen (z. B. selektiver Immunglobulin-A-Mangel, angeborener Immundefekt, rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes)?

Soziale Anamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Sind Sie in Ihrem Beruf schädigenden Stoffen (Chemikalien, Rauch, Staub) ausgesetzt?
  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Stress in Ihrem Umfeld?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Haben Sie einen auffälligen Zungenbelag bemerkt?
    • Welche Farbe hat der Belag? (weißlich, gelblich, bräunlich, schwarz)
  • Ist die Zunge zusätzlich verfärbt? (rote Flecken, Glanz, mattes Aussehen)
  • Haben Sie ein Zungenbrennen?
  • Sind neben dem Zungenbrennen weitere Beschwerden aufgetreten, wie:
    • Juckreiz?
    • Kribbeln oder stechende Schmerzen?
    • Mundtrockenheit?
    • Störungen des Geschmacksempfindens (verzerrte Wahrnehmung, metallischer Geschmack)?
    • Schwellungen der Zunge oder des Mundraums?
    • Veränderungen im Rachen- oder Gaumenbereich?
  • Haben Sie Mundgeruch bemerkt?
  • Bestehen Schwierigkeiten beim Kauen oder Schlucken?
  • Seit wann bestehen die Symptome?
  • Gibt es Auslöser für die Beschwerden, wie bestimmte Nahrungsmittel, heiße Getränke oder Medikamente?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Ernähren Sie sich ausgewogen?
  • Haben Sie in letzter Zeit stark gewürzte, heiße oder reizende Speisen verzehrt?
  • Trinken Sie ausreichend Flüssigkeit? Wie hoch ist Ihre tägliche Flüssigkeitsaufnahme?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Anämie (Blutarmut)
    • Autoimmunerkrankungen (z. B. Lichen planus, Sjögren-Syndrom)
    • Hauterkrankungen (Mykosen wie Fuß- oder Scheidenpilz)
    • Infektionserkrankungen (Mundsoor, chronische Infekte, HIV)
    • Leber- und Magenerkrankungen (z. B. Leberzirrhose (Leberschrumpfung), Refluxkrankheit (Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre))
    • Mundhöhlenerkrankungen (Aphten, Parodontitis)
    • Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus)
  • Haben Sie in letzter Zeit eine Operation oder zahnärztliche Behandlung gehabt?
  • Sind Allergien bekannt?
    • Wenn ja, gegen welche Stoffe (z. B. Medikamente, Nahrungsmittel, Umweltstoffe)?

Medikamentenanamnese

Medikamente und Substanzen, die zu einer Verfärbung der Zunge führen können

  • Antibiotika: Längerfristige Gabe bestimmter Antibiotika (z. B. Tetracycline, Doxycyclin) führt zur "schwarzen Haarzunge" durch veränderte Bakterienflora.
  • Antimykotika: Langfristige Verwendung von Nystatin-Suspensionen verursacht gelblich-weißen Zungenbelag durch Veränderung der Flora.
  • Bismutpräparate: Wismutsubsalicylat (z. B. in der Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen) führt zu schwarz-braunem Belag durch chemische Reaktion mit Schwefel im Speichel.
  • Chemotherapie und Zytostatika: Verschiedene Chemotherapeutika können eine schwarze oder weiße Haarzunge durch verminderte Immunabwehr oder Schleimhautveränderungen verursachen.
  • Eisenpräparate: Orale Eisenpräparate verursachen dunklen bis schwarzen Zungenbelag durch Eisenablagerungen.
  • Fluorid: Fluoridhaltige Mundspülungen führen bei übermäßiger Anwendung zu gelb-braunen Verfärbungen.
  • Mundspülungen: Chlorhexidin, ein Antiseptikum, das häufig in der Zahnmedizin verwendet wird, kann einen braunen bis schwarzen Zungenbelag verursachen.
  • Rauchen oder Nikotinprodukte: Langfristiger Konsum verursacht gelb-braune bis schwarze Verfärbungen durch Teerablagerungen und Trockenheit der Mundhöhle.
  • Trizyklische Antidepressiva: Medikamente wie Amitriptylin fördern Mundtrockenheit, die das Wachstum von Bakterien begünstigt und zu Zungenbelägen führen kann.

Medikamente, die zu einer Xerostomie (Mundtrockenheit) führen können

  • ACE-Hemmer (Benazepril, Captopril, Cilazapril, Enalapril, Fosinopril, Imidapril, Lisinopril, Moexipril, Perindopril, Quinapril, Ramipril, Spirapril, Trandolapril, Zofenopril)
  • Alpha-2-Agonisten (Apraclonidin, Brimonidin, Clonidin)
  • Alpha-1-Rezeptorenblocker (Bunazosin, Doxazosin, Prazosin, Terazosin)
  • Anorektikum (Sibutramin)
  • Antiallergika (H1-Antihistaminika)
  • Anticholinergika (Ipratropiumbromid) [über periphere Rezeptorblockade]; Aclidinium, Biperiden, Darifenacin, Glycopyrronium, Metixen, Methantheliniumbromid, Oxybutynin, Phenoxybenzamin, Propiverin, Scopolamin, Solifenacin, Tiotropium, Tolterodin, Trihexyphenidyl, Trospiumchlorid, Umeclidinium
    • Methantheliniumbromid
    • Siehe ggf. auch unter "Anticholinerge Wirkung durch Medikamente".
  • Antidepressiva [über zentrale Rezeptorblockade]
    • Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NaSSA) – Mirtazapin
    • Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NARI) – Reboxetin, Viloxazin
    • Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) – Duloxetin, Venlafaxin
    • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) – Trazodon
    • Trizyklische Antidepressiva (TZA) – Amitriptylin, Butriptylin, Cianopramin, Clomipramin, Desipramin, Doxepin, Imipramin, Iprindol, Melitracen, Nortriptylin, Opipramol, Protriptylin, Trimipramin)
  • Antiemetika (Dimenhydrinat, Scopolamin)
  • Antiepileptika (Gabapentin)
  • Antihistaminika (Clemastin, Dimetinden, Ketotifen)
  • Antiparkinsonmittel
    • Anticholinergika (Belladonna-Gesamtextrakt, Benzatropin, Biperiden, Bornaprin, Metixen, Pridinol, Procyclidin, Scopolamin, Trihexyphenidyl)
    • Dopaminerge Substanzen (Amantadin, Apomorphin, Bromocriptin, Cabergolin, Alpha-Dihydroergocryptin, Levodopa, Lisurid, Memantin, Pergolid, Pramipexol, Ropinirol)
  • Antipsychotika (Neuroleptika)
    • Konventionelle (Klassische) Antipsychotika (Neuroleptika)
      • Phenothiazintyps (Levomepromazin, Triflupromazin)
  • Antisympathotonika (α-Methyldopa)
  • Anxiolytika (Azapirone, Hydroxyzin)
  • ß-3-Mimetikum (Mirabegron)
  • Betablocker (Metoprolol)
  • Bronchodilatatoren (β2-Mimetika) – Sulbutamol, Terbutalin)
  • Carboanhydrasehemmer, lokale (Brinzolamid, Dorzolamid)
  • Diuretika
    • Schleifendiuretika (Azosemid, Bumetanid, Etacrynsäure, Etozolin, Furosemid, Piretanid, Torasemid)
    • Thiaziddiuretika (Benzthiazid, Chlorothiazid, Hydrochlorothiazid (HCT), Hydroflumethiazid, Methyclothiazid, Polythiazid, Trichlormethiazid)
  • Dopaminagonisten (Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid)
  • Dopaminantagonisten (Butyrophenone: Haloperidol)
  • Drogen (Amphetamine, Tetrahydrocannabinol)
  • Hypnotika
  • Magnesiumsulfat
  • Narkotika, zentral wirkende Analgetika
  • Opioidantagonisten (Nalmefen, Naltrexon)
  • Parasympatholytika (Atropin)
  • Perchlorate (Perchlorat)
  • Psychotrope Substanzen wie Modafinil
  • Sedativa
  • Spasmolytika (Butylscopolamin)
  • Sympathomimetika
    • indirekte Sympathomimetika (Amphetamine)
  • Zytostatika

Medikamente, die zu einem Mundbrennen führen können

  • Mundspülungen
  • Reserpin

Medikamente, die zu einer Mykose (Pilzerkrankung) der Mundhöhle führen können

  • Antibiotika
  • Cortisonhaltige Asthmasprays

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.