Verstopfung (Obstipation) – Weitere Therapie

Allgemeiner Hinweis

  • Nicht jeder muss jeden Tag müssen; wer mit wenigen Stuhlgängen pro Woche beschwerdefrei ist, muss sich deshalb keine Gedanken machen!

Allgemeine Maßnahmen

  • Nach dem Aufwachen, aber vor dem Aufstehen, eine Bauchmassage mit der flachen Hand entlang des Dickdarmverlaufs in kreisenden Bewegungen vom rechten unteren Quadranten des Abdomens über den rechten oberen und linken oberen hin zum linken unteren Quadranten.
  • Versuch eines Stuhlgangs auch bei fehlendem Stuhldrang von mindestens 5 Minuten täglich nach dem Frühstück etwa zur selben Tageszeit zur Konditionierung des Darms und Ausnutzung des gastrokolischen Reflexes.
  • Bei Patienten mit vorwiegend sitzender Tätigkeit ist eine morgendliche Gymnastik und/oder Walking empfehlenswert.
  • Ferner kann bei der Defäkation (Stuhlgang) eine volle Hüftbeugung nach vorn die rektale Entleerung beim Pressen erleichtern. Als Hilfe hierzu kann die Standfläche um die Toilettenschüssel um 15 cm erhöht werden.
  • Unterdrücken des Stuhldrangs sollte vermieden werden.
  • Steigerung der körperlichen Aktivität!
  • Normalgewicht anstreben! 
    Bestimmung des BMI (Body-Mass-Index, Körpermasse-Index) bzw. der Körperzusammensetzung mittels der elektrischen Impedanzanalyse und ggf. Teilnahme an einem ärztlich betreuten Abnehmprogramm
    • BMI ≥ 25 → Teilnahme an einem ärztlich betreuten Abnehmprogramm
    • BMI-Rechner – ermitteln Sie unter Berücksichtigung von Geschlecht und Alter Ihren gesunden Gewichtsbereich! (Anzeige)
  • Überprüfung der Dauermedikation (z. B. Anticholinergika, Antidepressiva oder Opioiden) wg. möglicher Auswirkung auf die vorhandene Krankheit
  • Vermeidung psychosozialer Belastungen:
    • Psychische Belastungen

Konventionelle nicht-operative Therapieverfahren

  • Einweg-Vibrationskapsel – In einer Phase-III-Studie schafften 40 % mindestens eine zusätzliche komplette Darmentleerung pro Woche, mit einer Placebokapsel waren es nur halb so viele [2].
  • Sakralnervenstimulation (Synonym: sakrale Neuromodulation, SNS) kann bei therapierefraktärer ("mit üblichen Mitteln nicht therapierbar") Slow Transit Obstipation (durch mangelnde Beweglichkeit des Darms wird der Darminhalt nur langsam vorwärts bewegt; die Ausscheidung kann dadurch um bis zu zwei Wochen verzögert sein) erwogen werden.
  • Bei einer Dyschezie (rektale Obstipation; Stuhldrang wird verspürt, der Stuhl kann aber nicht auf normale Weise ausgeschieden werden) können zusätzlich zu den Basismaßnahmen Glycerin-Suppositorien (Glycerin-Zäpfchen), Suppositorien, die CO2 im Rektum freisetzen oder kleine Einläufe dem Patienten Erleichterung verschaffen.
  • Stuhltraining kann bei Beckenbodendyssynergie (neuromuskulär bedingte Funktionsstörung) eingesetzt werden
  • Die Einnahme von Probiotika (probiotische Nahrungsergänzungsmittel) sollte versucht werden.

Ernährungsmedizin

  • Ernährungsberatung auf der Grundlage einer Ernährungsanalyse
  • Ernährungsempfehlungen gemäß einem Mischköstler unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkrankung [1]. Das bedeutet u. a.:
    • täglich insgesamt 5 Portionen frisches Gemüse und Obst (≥ 400 g; 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst)
    • ein- bis zweimal pro Woche frischen Seefisch, d. h. fette Meeresfische (Omega-3-Fettsäuren) wie Lachs, Hering, Makrele
  • Beachtung folgender spezieller Ernährungsempfehlungen:
    • Eine fett- und proteinreiche (eiweißreiche) Ernährung sowie eine hohe Aufnahme von raffinierten Kohlenhydraten fördert die Obstipation.
    • Ballaststoffreiche Kost (lösliche und unlösliche Ballaststoffe) in den Ernährungsplan aufnehmen:
      • Der Ballaststoffgehalt sollte täglich circa 35 g betragen. Besonders die unlöslichen Ballaststoffe wie Lignin, Zellulose und manche Hemizellulosen, enthalten in Getreide, Gemüse, Obst, erhöhen das Stuhlvolumen, indem sie Flüssigkeit binden. Dadurch wird die natürliche Darmbewegung beschleunigt und die Verweildauer des Speisebreis im Darm verringert.
      • Lösliche Ballaststoffe wie Pektin haben eine höhere Wasserbindungskapazität. Durch ihre gelbildende Funktion wird im oberen Gastrointestinaltrakt viel Flüssigkeit gebunden. Sie erhöhen zwar das Stuhlvolumen nur in geringem Maße, beeinflussen aber die Stuhlkonsistenz und den Gasdruck deutlich.
      • Besonders Weizenkleie (10-30 g/Tag) steigert aufgrund der hohen Wasserbindungsfähigkeit das Stuhlgewicht. Auch Leinsamen und Flohsamenschalen (12 g pro Tag; bis zu dreimal täglich ein gehäufter Esslöffel in 250 ml Flüssigkeit eingerührt und dann unmittelbar trinken) sind empfehlenswert.
        Ggf. auch zweimal täglich eine grüne Kiwi oder täglich 100 g Backpflaumen
      • Auch Obst- und Gemüse-Smoothies sind zur Aufnahme löslicher Ballaststoffe und Quellstoffe geeignet.
      • Grüne Kiwi: Vergleich von zweimal täglichem Verzehr jeweils einer grünen Kiwi mit der Einnahme von Flohsamenschalen (7,5 g täglich) führte zu einer klinisch relevanten Steigerung um median 1,5 Stuhlentleerungen wöchentlich im Vergleich zu vorher – signifikant mehr als in der Gruppe, die Flohsamenschalen erhalten hatte (+ 0,7 Entleerungen wöchentlich) [3].
      • Wichtig: Bei Kindern mit Verstopfung helfen Ballaststoffe nicht, denn die Ursache liegt hier nicht in der Ernährung, sondern ist auf eine entsprechende Veranlagung zurückzuführen. Die Erkenntnisse wurden gewonnen aus Angaben zum Stuhlverhalten von Kindern im Alter von 5 Wochen, sechs Monaten sowie bei Zweieinhalb-Jährigen und Vier- bis 10-Jährigen. Mittel der Wahl sind Substanzen, die den Stuhl weich machen [S2k-Leitlinie].
    • Rohkost sollte reine Brot- oder Getreidemahlzeiten ergänzen.
    • Täglich zweimal frische Sauermilchprodukte (wirken den Blähungen entgegen)
    • Es sollte auf eine ausreichende Flüssigkeitsmenge geachtet werden, da bei einer Aufnahme von weniger als 0,5 Liter pro Tag eine Obstipation verstärkt werden kann; Flüssigkeitsaufnahme von 1,5(-2) Liter über den Tag verteilt
    • Sollte ein Kaliummangel (Serum-Kalium < 3,5 mval/l) vorliegen, so kann dies durch kaliumreiche Nahrungsmittel (siehe "Lebensmittellisten"), Kalium-Supplemente behoben werden.
    • Ernährung reich an:
      • probiotischen Lebensmitteln wie Milchprodukte (Sauermilchprodukte, Joghurt, Kefir, Dickmilch), Schwarzwurzeln, Sauerkraut, saure Gurken) – können zur Besserung der Beschwerden führen
  • Auswahl geeigneter Lebensmittel auf Grundlage der Ernährungsanalyse
  • Siehe auch unter "Therapie mit Mikronährstoffen (Vitalstoffe)" – ggf. Einnahme eines geeigneten Nahrungsergänzungsmittels
    Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
    Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
  • Detaillierte Informationen zur Ernährungsmedizin erhalten Sie von uns.

Sportmedizin

  • Ausdauertraining (Cardiotraining)
  • Für die Funktion und die Motilität des Darms ist ausreichende Bewegung von großer Bedeutung. So kann ein träger Darm durch eine gesteigerte körperliche Aktivität – wie beispielsweise Walking und Gymnastik – angeregt werden und so bei einigen Patienten eine medikamentöse Therapie ersetzen. 
  • Erstellung eines Fitness- bzw. Trainingsplans mit geeigneten Sportdisziplinen auf der Grundlage eines medizinischen Checks (Gesundheitscheck bzw. Sportlercheck)
  • Detaillierte Informationen zur Sportmedizin erhalten Sie von uns.

Psychotherapie

  • Ggf. Stressmanagement
  • Entspannungsphasen dürfen im Alltag nicht fehlen! Hilfreich können Entspannungsverfahren wie Yoga, autogenes Training oder Qigong sein.
  • Detaillierte Informationen zur Psychosomatik (inkl. Stressmanagement) erhalten Sie von uns.

Komplementäre Behandlungsmethoden

  • Biofeedback-Therapie: Liegt ein Anismus (Beckenbodendyssynergie; der Analkanal kann sich nicht ausreichend öffnen und das Rektum sich nicht entleeren) vor, kann eine Biofeedback-Therapie versucht werden. Gleiches gilt für eine obstruktive Defäkation (OD): Form der chronischen Obstipation, die eine Entleerungsstörung des Rektums (Mastdarm) darstellt.
    Biofeedback ist eine Methode aus dem Bereich der Verhaltenstherapie. Es handelt sich dabei um ein Entspannungsverfahren, bei welchem körpereigene Parameter sichtbar gemacht und so eine willentliche Veränderung eben jener Parameter mit dem Ziel der Entspannung durchgeführt werden soll.

Organisationen und Selbsthilfegruppen

  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)
    Postfach 91 01 52, D-51071 Köln
    Telefon: 0221-89920, Fax: 0221-8992300, E-Mail: poststelle@bzga.de, Internet: www.bzga.de

Literatur

  1. Tappin D et al.: Challenging the view that lack of fibre causes childhood constipation. Arch Dis Child 2020. doi.org/10.1136/archdischild-2019-318082
  2. Rao SSC et al.: Randomized Placebo-Controlled Phase 3 Trial of Vibrating Capsule for Chronic Constipation. Gastroenterol 2023; https://doi.org/10.1053/j.gastro.2023.02.013
  3. Gearry R et al.: Consumption of 2 Green Kiwifruits Daily Improves Constipation and Abdominal Comfort—Results of an International Multicenter Randomized Controlled Trial The American Journal of Gastroenterology 2023;118(6):p 1058-1068, June 2023. | doi: 10.14309/ajg.0000000000002124

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Chronische Obstipation. (AWMF-Registernummer: 021-019), April 2022 Langfassung