Stuhlinkontinenz – Differentialdiagnosen
Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)
- Fehlende Angulation (Abknicken) des Dickdarms
- Analatresie – fehlendes Anoderm (Analschleimhaut) führt zur eingeschränkten Sensibilität am Anus und kann so zur Überlaufinkontinenz führen
- Spina bifida – embryonale Verschlussstörung im Bereich der Wirbelsäule (Fehlbildung des Neuralrohres; Neuralrohrdefekt) nach kranial ("nach oben hin" bzw. "zum Kopf hin") oder kaudal ("nach unten hin") unterschiedlicher Ausprägung.
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Diabetes mellitus
- Diabetische Neuropathie – Nervenschädigung durch erhöhte Blutzuckerwerte
- Fructoseintoleranz (Fruchtzuckerunverträglichkeit)
- Lactoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit)
- Sorbitintoleranz
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Apoplex (Schlaganfall) – 50-70 % sind stuhlinkontinent
- Hämorrhoiden
- Zentrale Einblutungen – Blutungen im Gehirn, nicht näher bezeichnet
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Analprolaps (Synonym: Hämorrhoidalprolaps; Aftervorfall)
- Chronische Obstipation (Verstopfung)
- Colitis indeterminata − chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED), die keine sichere Unterscheidung in Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn zulässt
- Colitis ulcerosa – chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED)
- Diarrhoe (Durchfall) – kann zur symptomatischen Stuhlinkontinenz führen
- Divertikulitis − Erkrankung des Dickdarmes, bei der sich in Ausstülpungen der Schleimhaut (Divertikel) eine Entzündung bildet
- Fisteln – unphysiologische Verbindung zwischen zwei Hohlräumen
- Enterokolisch – Verbindung zwischen Dünn- und Dickdarm; kann zur symptomatischen Stuhlinkontinenz führen
- Rektokutan – Verbindung zwischen Mastdarm und der Haut
- Rektovaginal – Verbindung zwischen Mastdarm und Scheide
- Generalisierte Beckenbodeninsuffizienz (Beckenbodenschwäche)
- Infektiöse Colitis − Darmentzündung durch Bakterien, Viren oder Parasiten wie beispielsweise Salmonellen
- Intraanale Kondylome
- Mikroskopische Kolitis oder mikroskopische Colitis (MC; Synonyme: kollagene Kolitis; Kollagenkolitis, Kollagencolitis) – chronische, etwas atypisch ablaufende Dickdarmschleimhautentzündung, deren Ursache unklar ist und die klinisch mit heftiger wässriger Diarrhoe (Durchfall) einhergeht/4-5-mal täglich, auch nachts; einige Patienten leiden dazu unter Abdominalschmerzen (Bauchschmerzen); 75-80 % sind Frauen/ Frauen > 50 Jahre; die korrekte Diagnose ist nur mit Koloskopie (Darmspiegelung) und Stufenbiopsien (Entnahme von Gewebeproben in den einzelnen Dickdarmabschnitten), d. h. durch eine histologische (feingewebliche) Untersuchung zu stellen.
Beachte: Bei Erstdiagnose der MC sollte ein Zöliakiescreening erfolgen. - Morbus Crohn – chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED); verläuft meist in Schüben und kann den gesamten Verdauungstrakt befallen; charakterisierend ist der segmentale Befall der Darmmukosa (Darmschleimhaut), das heißt es können mehrere Darmabschnitte befallen sein, die durch gesunde Abschnitte voneinander getrennt sind.
- Obstipation (Verstopfung) mit/ohne Stuhlimpaktierung/Kotsteine
- Obstruktive Defäkationsstörung – Stuhlentleerungsstörung durch eine Passagebehinderung im Mastdarm
- Post-Cholezystektomie-Diarrhoe – Auftreten von Durchfällen nach operativer Entfernung der Gallenblase
- Pseudodiarrhoe – von einer Pseudodiarrhoe spricht man, wenn lediglich eine erhöhte Stuhlfrequenz vorliegt, das Stuhlgewicht jedoch normal ist; dies tritt vor allem beim Reizdarmsyndrom auf
- Proktitis – Entzündung der Mastdarmwand
- Reizdarmsyndrom (Colon irritable) – funktionelle Darmstörung, bei der keine ursächlichen Störungen gefunden werden können
- Rektumprolaps (Mastdarmvorfall)
- Rektumulkus (Mastdarmgeschwür)
- Strahlencolitis − Dickdarmentzündung, die nach Bestrahlungen, vor allem im Rahmen einer Krebstherapie, auftreten kann
- Strahlenproktitis – Entzündung der Mastdarmwand, die nach Bestrahlungen, vor allem im Rahmen einer Krebstherapie, auftreten kann
Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)
- Sklerodermie – Gruppe von seltenen Erkrankungen, die mit einer lederartigen Bindegewebsverhärtung der Haut einhergehen
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Analkarzinom (Afterkrebs)
- Hirntumor, nicht näher bezeichnet
- Rektumkarzinom (Mastdarmkrebs)
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Bandscheibenvorfall
- Conus-Cauda-Syndrom – durch Verletzung der Cauda equina (Nervenfasern am Ende des Rückenmarks) bedingte neurologische Störung mit schlaffer Beinlähmung, Reithosenanästhesie, Blasen- und Mastdarmstörungen
- Demenz, nicht näher bezeichnet – > 70 % sind stuhlinkontinent
- Hirnorganisches Psychosyndrom (HOPS) – psychische Störungen, die bei diffusen Hirnschäden auftreten können
- Meningomyelozele – Vorwölbung einer Abschnittes des Rückenmarks (Myelon) mitsamt der Hirnhäute (Meningen) durch einen Defekt in der Wirbelsäule
- Morbus Alzheimer
- Multiple Sklerose (MS) – chronisch verlaufende Erkrankung, die zu Lähmungen führen kann
- Multiple Systematrophie (Shy-Dager-Syndrom)
- Parkinson-Syndrom – Symptomatik des Morbus Parkinson bei diversen neurologischen Störungen
- Plexus/Nervus pudendus Schaden
- Polyneuropathie – chronische Störungen der peripheren Nerven
- Spina bifida (offener Rücken)
- Tetraplegie (Querschnittslähmung)
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)
- Dammriss III. Grades mit Verletzung des Sphinkters (Schließmuskel)/Trauma des Beckenbodens bei vaginale Entbindung (Scheidenentbindung) [häufigste Inkontinenzursache der Frau]
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Anale Vernarbungen
- Dehnungsschaden
- Verletzungen wie Quetschungen oder Pfählungsverletzungen
Medikamente
- Laxantien (in hoher Dosierung) − Abführmittel wie Lactulose
- Psychopharmaka
Operationen
- Zust. n. Operation im Beckenbereich, vor allem am Kontinenzorgan; z. B. Whitehead-OP (supraanodermale Hämorrhoidektomie; kreisförmige Ausschneiden der Hamorrhoiden-Polster; gilt heutzutage als Kunstfehler), Hämorrhoidektomie (operative Hämorrhoidenentfernung), Sphinkterotomie (operative Durchtrennung des Schließmuskel), Fistulotomie (Fistelspaltung), Rektumresektion (operative Entfernung des Mastdarms), Episiotomie (Dammschnitt)/Geburtstrauma
Strahlentherapie (Radiatio)
- Radiatio im Beckenbereich
Weiteres
- Analverkehr/Analsex [1]
- Beckenbodensenkung ("descending perineum syndrome")
- Verhaltensbedingte Risikofaktoren für Stuhlinkontinenz
- Ernährung
- Ballaststoffarme Ernährung – Kann zu Verstopfung führen, die den Schließmuskelmechanismus schwächt.
- Übermäßiger Konsum von reizenden Lebensmitteln wie stark gewürzte Speisen, Alkohol oder Koffein – Kann die Darmfunktion beeinträchtigen.
- Genussmittelkonsum
- Alkohol – Kann die Darmmotilität und den Stuhlgang unkontrolliert fördern.
- Tabak (Rauchen) – Beeinträchtigt die Durchblutung des Beckenbodens und schwächt die muskuläre Stabilität.
- Körperliche Aktivität
- Bewegungsmangel – Führt zu einer Schwächung der Beckenbodenmuskulatur.
- Übermäßige Belastung durch schweres Heben – Kann die Beckenbodenmuskulatur überlasten und den Schließmuskel beeinträchtigen.
- Psycho-soziale Situation
- Chronischer Stress – Kann die Darmfunktion negativ beeinflussen und die Wahrnehmung von Stuhldrang verschlechtern.
- Ernährung
- Geburtsmechanismen
- Vaginale Geburt – Kann zu Schädigungen des Beckenbodens führen, die langfristig das Risiko für Stuhlinkontinenz erhöhen.
Literatur
- Markland AD et al.: Anal intercourse and fecal incontinence: evidence from the 2009-2010 National Health and Nutrition Examination Survey. Am J Gastroenterol 2016; 111: 269-274