Soziale Kontakte

Aus wissenschaftlichen Studien ist bekannt, dass getrennt oder geschieden lebende Personen häufiger an Depressionen erkranken. Je einsamer ein Mensch ist, desto höher ist sogar sein Mortalitätsrisiko (Sterblichkeitsrisiko), denn soziale Isolation wirkt sich vergleichbar negativ auf die Gesundheit aus wie die Risikofaktoren Rauchen, Adipositas und Hypertonie (Bluthochdruck). Besonders gesellschaftsliebende Personen leiden unter den Auswirkungen fehlender sozialer Kontakte. Da mit steigendem Lebensalter der Verlust des Ehepartners oder von Verwandten und Freunden zunimmt, ist es umso wichtiger, bestehende Kontakte zu pflegen. Belastende Situationen und Ereignisse werden besser ertragen und bewältigt, wenn man damit nicht allein ist, sondern Menschen an seiner Seite weiß, die einem Halt geben.

Wie kommt es zur sozialen Isolation?

Von sozialer Isolation spricht man, wenn am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilgenommen wird. Dieses gilt aber erst dann als pathologisch (krankhaft), wenn sich daraus Gefühle wie Einsamkeit und Niedergeschlagenheit entwickeln.

Was trägt dazu bei, dass Menschen nicht mehr ausreichend am gesellschaftlichen Leben teilnehmen?

Exogene Faktoren (z. B. Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe) oder endogene Faktoren (z. B. Persönlichkeitsstruktur) führen dazu, dass Menschen nicht mehr ausreichend am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

Exogene Faktoren

  • Alleinerziehende – Doppelbelastung (Erwerbstätigkeit und Erziehung des Kindes/der Kinder) und daraus resultierend fehlende Zeit für das gesellschaftliche Leben
  • Arbeitslose – keine Erwerbsarbeit; Situation des Versagens (Versager), aus Scham fern vom öffentlichen Leben bleiben
  • Chronisch Kranke (inkl. Behinderte) – Einschränkung in der Leistungsfähigkeit; ggf. Einschränkung in der Mobilität, der Sinneswahrnehmung (z. B. Seh- oder Hörstörungen), damit Einschränkungen der Kommunikation (Gespräch) und somit verminderte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
  • Senioren – altersbedingte Auflösung sozialer Bindungen, z. B. Ausscheiden aus dem Berufsleben; Verlust des Ehepartners; Verlust von Freunden (durch Krankheit oder Tod)
  • Pflegebedürftige Menschen – Hier sind Pfleger und soziale Netzwerke (Angehörige/Familie und Freunde, soweit noch vorhanden, die einzige Brücke zum gesellschaftlichen Leben.
  • Erleiden eines Traumas – Traumata, vor allem in der Kindheit, können das Vertrauen zur Gesellschaft vermindern und somit zur Isolation führen.
  • Teil einer ethnischen oder LGBTQ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender)-Minderheit mit Diskriminierung (Rassismus, Homo- bzw. Transphobie) derselben. Dies kann sowohl die Teilnahme in der Gesellschaft als auch das Vertrauen in diese erschweren. 

Endogene Faktoren

  • Freie Entscheidung – Auch kann die soziale Isolation – ob im Rahmen einer religiösen oder persönlichen Lebensentscheidung – eine vollkommen bewusste und freiwillige sein. Je nach genetischer Konstitution kann in dieser Isolation durchaus Zufriedenheit verspürt werden. Für die Mehrzahl der Personen gilt dieser Sachverhalt allerdings nicht.
  • Negatives Selbstbild – Mangelndes Selbstwertgefühl führt dazu, dass sich diese Menschen selbst nicht als angenehm oder positiv wahrnehmen und deshalb aus Angst drohender Zurückweisung gesellschaftlichen Kontakt vermeiden.
  • Große Abweichungen vom normalen Intelligenzquotient (IQ) – Sowohl Menschen mit einem höheren als auch einem niedrigeren IQ können Schwierigkeiten haben, mit Menschen Kontakt zu knüpfen bzw. zu halten. Auch daraus kann zwangsläufig eine soziale Isolation entstehen.
  • Selektiv negative Wahrnehmung – Isoliert Lebende nehmen zunehmend negative Erfahrungen besonders wahr und blenden positive Erfahrungen aus.
  • Mangelnde soziale Kompetenz – Unfähigkeit, persönliche bzw. soziale Bedürfnisse zu artikulieren bzw. nicht in der Lage zu sein, diese durchzusetzen. Dieses wird auch zur Ursache für negative soziale Erfahrungen (erfolglose Zweierbeziehung; geringes Ansehen innerhalb einer Gruppe etc.).
  • Mangelndes Vertrauen – bei Gehirnarealen, die in die Vertrauensbildung involviert sind, ließen sich Abweichungen in der Verarbeitung gegenüber der Kontrollgruppe feststellen. Die vordere Inselrinde (anteriore Insula) war bei Einsamen weniger aktiv und nicht so ausgeprägt mit anderen Gehirnarealen vernetzt [5].

Häufig ist eine soziale Isolation das Ergebnis aus exogenen und endogenen Faktoren, die in der Folge zu Alkoholproblemen (Alkoholabusus) oder anderen Suchtverhalten oder auch zu Depressionen führt.

Je älter Sie werden, umso wichtiger wird es für Sie, Ihre sozialen Kontakte zu pflegen.

Soziale Ressourcen sowie das Vorhandensein von sozialen Bindungen beziehungsweise Vertrauenspersonen fördern die Gesundheit – belastende Ereignisse können dadurch aufgefangen werden.

Folgen der sozialen Isolation

  • Es gibt deutliche Belege für eine erhöhte Mortalität (Sterberate) bei sozialer Isolation und – mit etwas schwächerer Erkenntnislage – bei selbst wahrgenommener Einsamkeit älterer Menschen [1].
    Hinweis: Auch Studien im Rahmen der Covid-Pandemie zeigen, dass die soziale Isolation auf das Wohlbefinden einen negativen Einfluss haben kann [3]. Dieses kann zur Vernachlässigung von körperlicher Aktivität führen und somit einen kardioprotektiven ("herzschützenden") Lebensstil unterbinden.
  • Weitere Folgen der sozialen Isolation können Depressionen, Beeinträchtigung der Schlafqualität sowie ein erhöhter kognitiver Rückgang sein [2].
  • Bei Menschen, die wenig soziale Kontakte haben und älter als 50 Jahre sind, nimmt die Substanz im Hippocampus und der Hirnrinde im Zeitverlauf stärker ab als bei Personen, die weniger isoliert sind. Damit erhält die soziale Isolation auch eine Relevanz für die Entstehung der Demenz [6].
    Hinweis: Der hippocampus ist funktionell vor allem an der Bildung und Aufrechterhaltung von Gedächtnisinhalten sowie an Lernprozessen beteiligt.

Auswirkungen sozialer Kontakte auf das Befinden

  • Menschen, die die Gesellschaft mit anderen Menschen pflegen, fühlen sich im Alltag wohler, als wenn sie allein wären. Dieses war besonders ausgeprägt, wenn diese Menschen eine hohe soziale Kompetenz aufwiesen. Eine hohe soziale Kompetenz zeichnet sich aus, in stressigen Situationen soziale Hilfe zu holen und verträglich im Umgang mit anderen Menschen zu sein. 
    Menschen, die mehr von sozialem Kontakt profitierten, zeigten ein erhöhtes Hirnvolumen im anterioren cingulären Cortex. Dieser Teil des Vorderhirns wird mit der Verarbeitung von Emotionen in sozialen Situationen sowie Resilienz und Risiko für psychische Erkrankungen in Zusammenhang gebracht [4].

Literatur

  1. Seidler A et al.: Soziale Isolation als Sterblichkeitsrisiko für ältere Menschen Ergebnisse einer systematischen Literaturrecherche („Rapid Scoping Review“), ergänzt durch eine qualitative Erhebung. Kompetenznetz Public Health zu COVID-19: 2020
  2. Hawkley LC et al.: Perceived social isolation, evolutionary fitness and health outcomes: a lifespan approach. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci. 2015 May 26; 370 (1669): 20140114. doi: 10.1098/rstb.2014.0114
  3. Hwang TJ et al.: Loneliness and social isolation during the COVID-19 pandemic. Int Psychogeriatr. 2020 May 26: 1-4. Published online 2020 May 26. doi: 10.1017/S1041610220000988
  4. Gan G, Ma R, Reichert M et al.: Neural Correlates of Affective Benefit From Real-life Social Contact and Implications for Psychiatric Resilience. JAMA Psychiatry. doi:10.1001/jamapsychiatry.2021.0560
  5. Lieberz J et al.: Loneliness and the social brain: how perceived social isolation impairs human interactions. Adv Sci (Weinh) 2021 Sep 20;e2102076.
    doi: 10.1002/advs.202102076
  6. Lammer L et al.: Impact of social isolation on grey matter structure and cognitive functions: A population-based longitudinal neuroimaging eLife 12:e83660. 2023 https://doi.org/10.7554/eLife.83660