Strahlenerkrankung des Dünndarmes (Strahlenenteritis) – Ernährungstherapie

Die strahlenbedingte Beeinträchtigung der Mukosazellen (Schleimhautzellen) führt zu einer eingeschränkten Dünn- und Dickdarmfunktion [2.1.]. In der Folge können Nahrungsbestandteile – je nach Grad der Schleimhautschädigung – nur noch ungenügend resorbiert (aufgenommen) werden.

Das betrifft vor allem:

  • Fettlösliche Vitamine A, D, E, K
  • Vitamin B9
  • Vitamin B12
  • Vitamin C
  • Magnesium
  • Phosphor
  • Eisen
  • Kupfer
  • Molybdän
  • Selen
  • Zink
  • Essentielle Fettsäuren – Linolsäure und Omega-3-Fettsäuren [2.1.]

Bei Bestrahlung des unteren Teils des Dünndarms (Ileum/Krummdarm), können Gallensalze nur unzureichend resorbiert werden, wobei die Malabsorption ("schlechte Aufnahme") vom Ausmaß der Strahlenschädigung abhängig ist. In der Folge gelangen die Gallensalze in den Dickdarm und werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Die Gallensalzmenge im Körper verringert sich und die Gallensalzkonzentration der Gallenflüssigkeit nimmt ab. Infolge des Verlustes stehen die Gallensalze der Mizellenbildung nicht mehr zur Verfügung. Die kritische mizellare Konzentration führt zu einer verminderten Ausnutzung des Nahrungsfettes sowie der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K [2.1.].

Strahlenerkrankung des Dünndarms (Strahlenenteritis) und enterales Eiweißverlustsyndrom

Die Beeinträchtigung der Darmschleimhaut führt zu einem vermehrten intestinalen Eiweißverlust, da der Austritt von Plasmaeiweißen durch die Darmschleimhaut ins Darminnere die Bildungsrate der Eiweiße überschreitet. Die Abnahme der zirkulierenden Plasmaeiweiße geht meist mit einer schwerwiegenden Mangelversorgung mit Eiweiß einher [2.1.].

Der krankhafte Eiweißverlust kann durch eine gleichzeitig hohe Fettzufuhr über die Nahrung gefördert werden. Bei der Resorption langkettiger Fettsäuren wird der Lymphdruck gesteigert und es treten hohe Mengen an Lymphflüssigkeit ins Darminnere über. Infolge einer erhöhten Lymphkonzentrationen kommt es zu einem hohen enteralen Eiweißverlust und schließlich zu einer Abnahme der Plasmaproteine [2.1.].
Der erhöhte intestinale Eiweißverlust führt letztlich zu einer Verringerung des onkotischen Drucks und somit – je nach Ausmaß der verminderten Konzentration der Plasmaeiweiße (Hypoproteinämie) – zur Ausbildung von Ödemen [2.1.].

Da Nahrungsfette nicht ausreichend aufgenommen werden können, gelangen die nicht resorbierten Fette sowie Fettspaltprodukte in tiefere Darmabschnitte. Dort beschleunigen sie über eine Stimulation der Peristaltik (Darmbewegung) die Darmpassage und lösen schließlich – infolge des Anstiegs der Stuhlfettausscheidung – eine Steatorrhoe – chologener Fettstuhl aus [2.1.]. Indem die Gallensalze im Dickdarm ebenfalls die Kontraktionswellen fördern und die Wasserrückresorption aus dem Darm hemmen, verstärken sie den Fettdurchfall [2.1.]. Durch die erhöhten Fettverluste über den Stuhl gehen auch vermehrt die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K sowie essentielle Fettsäuren verloren [2.1.]. Je nach Ausmaß der Fettresorptionsstörung kommt es zur einer negativen Energiebilanz und damit zur Gewichtsabnahme [2.1.].

Neben Steatorrhöen kann es infolge der eingeschränkten Dünn- und Dickdarmfunktion zu wässrigen Diarrhoen (Durchfällen) kommen. Patienten mit dieser Symptomatik sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, hohe Mengen an Flüssigkeit, wasserlöslichen Vitaminen, wie Vitamin C, B1, B2, B6, B9 und B12 sowie Elektrolyten, wie Calcium, Magnesium, Kalium und Natriumchlorid zu verlieren [1]. Nicht selten entwickeln sich aus vermehrten Vitalstoffverlusten spezifische Mangelsymptome [2.1.].

Ernährungsmedizinische Empfehlungen

Bei mäßig ausgeprägten Resorptionsstörungen infolge einer eingeschränkten Dünn- und Dickdarmfunktion sollten vor allem

  • wasserlösliche Vitamine – Vitamin B1, B2, B6, B9, B12, C
  • fettlösliche Vitamine – Vitamin A, D, E, K
  • Mineralstoffe, wie Calcium, Magnesium, Kalium, Natriumchlorid und Phosphor
  • Spurenelemente, wie Eisen, Zink, Selen, Kupfer und Molybdän
  • essentielle Fettsäuren – Linolsäure, Omega-3-Fettsäuren und
  • Proteine (Eiweiß)

erhöht über die Nahrung aufgenommen beziehungsweise substituiert werden.

Insbesondere kann eine ausreichende Aufnahme von Vitamin A, E, Zink und Omega-3-Fettsäuren den Entzündungsprozess verringern, die Symptome lindern und die Schleimhautregeneration fördern [3.3.]. Eine zusätzliche Zufuhr von dem Substrat Glutamin, reduziert bei der Strahlenenteritis das Ausmaß der äußerlichen und funktionellen Schleimhautveränderung. Glutamin spielt im Energiestoffwechsel der Dünndarmschleimhaut eine wesentliche Rolle, da es eine wichtige Energiequelle für die Darmzellen ist. Außerdem kann Glutamin Schleimhautbeschädigungen entgegenwirken [2.1.].

Ist die Malabsorption jedoch infolge einer akuten Schleimhautschädigung schwerwiegend, kann die Aufrechterhaltung eines optimalen Ernährungszustandes Schwierigkeiten bereiten. In solchen Fällen muss eine dauerhafte parenterale Ernährung in Erwägung gezogen werden, um den Nähr- und Vitalstoffbedarf ausreichend zu decken [2.1.].

Bedeutung der MCT-Fette (engl. englisch medium-chain triglycerides; mittelkettige Triglyzeride) für die diätetische Behandlung der Steatorrhoe und des enteralen Eiweißverlustsyndroms
Zur Ernährungstherapie sollte die Fettzufuhr eingeschränkt werden – meiden von fettreichen Nahrungsmitteln und Koch- sowie Streichfett. Butter, Margarine und Öl – langkettige Fettsäuren – sollten durch mittelkettige Triglyzeride – MCT-Fette – ersetzt werden [2.1.].

  • MCT werden unter dem Einfluss des Enzyms Lipase der Bauchspeicheldrüse schneller im Dünndarm gespalten als LCT-Fette (engl. long chain triglycerides; langkettige Fettsäuren)
  • Aufgrund ihrer besseren Wasserlöslichkeit kann der Dünndarm MCT-Fette leichter resorbieren
  • Für die Resorption von MCT ist die Gegenwart von Gallensalzen nicht erforderlich
  • MCT-Fette können sowohl bei einem Mangel beziehungsweise Fehlen von Lipase und Gallensalzen im Darminneren noch ausgenutzt werden
  • Der Dünndarm hat eine größere Resorptionskapazität für MCT als für LCT
  • Bindung der MCT-Fette an die Transportlipoproteine Chylomikronen ist nicht nötig, da mittelkettige Fettsäuren über das Pfortaderblut und nicht über die intestinalen Lymphe abtransportiert werden
  • Durch den Abtransport mit dem Pfortaderblut steigt während der Resorption der MCT der Lymphdruck nicht an und kommt es zu einem geringeren Lymphaustritt ins Darminnere, wodurch der intestinale Eiweißverlust verringert wird – Anstieg der Plasmaproteine (Bluteiweiß)
  • Bei der Resorption langkettiger Fettsäuren steigt hingegen der Lymphdruck und somit der Übertritt von Lymphe in das Darminnere – Lymphstauungen führen zu einem hohen Verlust von Plasmaeiweißen
  • MCT werden schneller im Gewebe oxidiert als LCT
  • Mittelkettige Triglyzeride vermindern den Wasserverlust mit dem Stuhl, indem sie die Gallenblasenkontraktion gering stimulieren und damit eine niedrige Gallensalzkonzentration im Darminneren bewirken – Reduzierung chologener Diarrhöen
  • MCT-Fette verbessern den allgemeinen Ernährungszustand [2.2.]

Der Ersatz von LCT durch MCT führt in der Folge zur Verringerung der Fettausscheidung über den Stuhl – Linderung der Steatorrhoe – und des enteralen Eiweißverlustsyndroms.

MCT-Fettsäuren sind in Form von MCT-Margarine – eignet sich nicht zum Braten – sowie von MCT-Speiseölen – als Kochfett verwendbar – erhältlich. Der Übergang auf die mittelkettigen Triglyzeride (Nahrungsfette) sollte stufenweise erfolgen, da sonst Schmerzen im Bauchbereich, Erbrechen und Kopfschmerzen auftreten können – Ansteigen der Tagesmenge an MCT von Tag zu Tag um etwa 10 Gramm bis zum Erreichen der endgültigen Tagesmenge von 100-150 Gramm. MCT-Fette sind hitzelabil und sollten nicht zu lange und nie über 70 °C erhitzt werden [2.2.].

Zusätzlich sollte auf die Deckung des Bedarfs an den fettlöslichen Vitaminen A, D, E sowie K und essentiellen Fettsäuren, wie Omega-3- und -6-Verbindungen, geachtet werden. Bei Gabe von MCT werden fettlösliche Vitamine ausreichend resorbiert [2.2.].

Des Weiteren wurden die folgenden Fachbücher für die Verfassung dieses Artikels herangezogen [4, 5].

Literatur

  1. Huth K, Kluthe R: Lehrbuch der Ernährungstherapie. Kapitel 11, 12, 256-277 Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 1995
  2. Kasper H: Ernährungsmedizin und Diätetik. Kapitel 3, 145-171 (2.1.), 182-211 (2.2.) Urban & Fischer Verlag; München/Jena 2000
  3. Schmidt E, Schmidt N: Leitfaden Mikronährstoffe. Kapitel 2, 96-228 (3.1.), 230-312 (3.2.), 318-339 (3.3.) Urban & Fischer Verlag; München, Februar 2004
  4. Biesalski HK, Bischoff SC, Pirlich M, Weimann A (Hrsg.): Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2017
  5. Biesalski HK: Vitamine, Spurenelemente und Minerale. Indikationen, Diagnostik, Therapie. 3. Auflage, Georg Thieme Verlag, München 2024