Speicheldrüsenentzündung (Sialadenitis) – Symptome – Beschwerden

Folgende Symptome und Beschwerden können auf eine Sialadenitis (Speicheldrüsenentzündung) hinweisen:

Pathognomonische Symptome
Diese Symptome sind typisch und fast ausschließlich bei einer Speicheldrüsenentzündung anzutreffen:

  • Parotitis: Abstehendes Ohrläppchen bei viraler, eitriger oder auch autoimmun bedingter Sialadenitis der Ohrspeicheldrüse
  • Obstruktive Sialadenitis: Schwellungszustände in Verbindung mit Nahrungsaufnahme

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild einer Speicheldrüsenentzündung:

  • Schmerzen 
    • diffus
      • virale Sialadenitis
    • stark
      • akute eitrige Sialadenitis
        • Parotitis: quälend, dumpf, teils klopfend durch Druckanstieg innerhalb der Parotiskapsel
    • wenig schmerzhaft: Sjögren- bzw. Sicca-Syndrom
    • in Abhängigkeit von Nahrungsaufnahme
      • obstruktive (verschlussbedingte) Sialadenitis
  • Schwellung
    • akut
      • akute bakterielle Sialadenitis
      • begleitende Parotisschwellung bei bazillärer Angiomatose (Katzenkratzkrankheit)
      • virale Sialadenitis
    •  chronisch
      • Sjögren- bzw. Sicca-Syndrom
        • teils starke Parotisschwellung
      • Heerfordt-Syndrom
      • Sialadenose
      • chronische Sialadenitis
    • beidseitig
      • virale Sialadenitis
        • Parotitis epidemica mit wenigen Tagen Verzögerung
        • häufig bei HIV
      • akute bakterielle Sialadenitis
      • Sjögren- bzw. Sicca-Syndrom
      • Sialadenose
      • Sialolithiasis nur bei Gangatypien
    • einseitig
      • seltener bei viraler Sialadenitis
      • akute bakterielle Sialadenitis
      • chronische Sialadenitis
      • Sialolithiasis
    • diffus
      • akute bakterielle Sialadenitis
    • umschrieben
    • kollaterales (lat: con „zusammen“; latus "Seite"; gleiche Körperseite) Wangenödem
      • Parotitis epidemica (Mumps)
  • Hautrötung
    • Parotitis epidemica
  • Papillenrötung
    • akute bakterielle Sialadenitis
    • Sialolithiasis (Speichelsteine)
  • Abszessbildung (Gewebeeinschmelzung)
    • ggf. bei akuter bakterieller Sialadenitis
  • Sekretionsstörung (reduzierte Speichelsekretion)
    • Parotitis epidemica
    • stark bei Sjögren-Syndrom bzw. Sicca-Syndrom
    • milder bei Heerfordt-Syndrom
    • obstruktive (verschlussbedingte) Sialadenitis
    • radiogene (strahlenbedingte) Sialadenitis
    • Sialadenitis bei AIDS
    • medikamenteninduzierte Hyposialie
  • Speichelqualität
    • erhöhte Viskosität
      • bei radiogener Sialadenitis
      • bis klebrig bei Sjögren- bzw. Sicca-Syndrom
    • trüb-eitrig
      • bei akuter bakterieller Sialadenitis
    • klar
      • bei viraler Sialadenitis
  • Kieferklemme
    • bei chronisch-rezidivierender Parotitis im Intervall
    • mäßig bei Parotitis epidemica
  • Ohrenschmerzen
    • bei Parotitis epidemica

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Allgemeines Krankheitsgefühl
    • bei viralen Sialadenitiden
  • Anorexie (Appetitlosigkeit)
    •  bei Parotitis epidemica
  • Cephalgie (Kopfschmerzen)
    •  bei Parotitis epidemica
  • Fieber 
    • zum Teil erheblich bei Parotitis epidemica
    • Fieberschübe bei Cytomegalie
  • Gingivitis (Zahnfleischentzündung)
    • bei Coxsackie-Viruserkrankung
  • Herpangina (Infektionserkrankung des lymphatischen Rachenrings)
    • bei Coxsackie-Viruserkrankung
  • Rheumatische Beschwerden
    •  bei Sjögren-Syndrom
  • Halsschmerzen
    • bei Parotitis epidemica
    • Schluckbeschwerden bei Cytomegalie
  • Lymphadenopathie (Lymphknotenvergrößerung)
    • bei Cytomegalie
  • Mastitis (Brustdrüsen Entzündung)
    • bei Parotitis epidemica
  • Meningitis (Hirnhautentzündung)/ Meningoenzephalitis (kombinierte Entzündung der Hirnhäute (Meningitis) und des Gehirns (Enzephalitis))
    •  bei Parotitis epidemica (Mumps)
  • Ohrenschmerzen
    •  bei Parotitis epidemica
  • Okuläre ("augenbezogene") Symptomatik (Sekretionsstörung der Tränendrüsen)
    •  bei Sjögren- bzw. Sicca-Syndrom
  • Orchitis (Hodenentzündung)
    • bei Parotitis epidemica vor allem bei Erkrankung nach der Pubertät
  • Oophoritis (Eierstockentzündung)
    •  bei Parotitis epidemica (Mumps)
  • Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
    • bei Parotitis epidemica

Virale Sialadenitiden

Parotitis epidemica (Mumps)

  • Von Mumps sind in etwa zwei Drittel aller Fälle beide Parotiden (Ohrspeicheldrüsen) in Form von Drüsenschwellungen betroffen.
  • Das Schwellungsmaximum wird zwischen dem zweiten und dritten Tag erreicht. Nach ein bis zwei Wochen klingt die Schwellung allmählich wieder ab.
  • Geringgradig schmerzhafte Schwellungen in der Parotisregion mit Kieferklemme lassen an eine Parotitis epidemica denken.
  • In 10 bis 15 % der Fälle sind auch die Glandulae submandibulares (Unterkieferdrüse) und sublinguales (Unterzungendrüse) beteiligt.
  • Hälfte der Erkrankungen asymptomatisch bzw. subklinisch.
  • Begleitsymptome: Fieber, Kopf- und Halsschmerzen sowie Ödeme der Augenlider und des Gehörgangs.

Cytomegalie-Sialadenitis

  • Bei pränataler (vor der Geburt) Infektion sialadenale Fetopathie (Erkrankung des Fetus), Schwellungen der großen Speicheldrüsen einhergehend mit Morbus haemolyticus neonatorum.
  • Bei postnataler (nach der Geburt) Infektion Speicheldrüsenschwellungen in über 10 % der Fälle.
  • Erwachsenenzytomegalie entsteht häufig bei schlechter Immunabwehr; Lymphadenopathie (Lymphknotengrößerung), Fieberschübe und Thrombo- wie Leukopenie (krankhafte Verminderung der Thrombozyten/Blutplättchen und Lymphozyten/weiße Blutkörperchen) sind möglich.

Coxsackie-A-Viruserkrankung

  • Trias: Parotitis (Ohrspeicheldrüsenentzündung), Gingivitis (Zahnfleischentzündung), Herpangina (Infektionserkrankung des lymphatischen Rachenrings)
  • Vielfach epidemieartiges Auftreten
  • Milder Krankheitsverlauf über etwa 8 Tage

HI-Viruserkrankung (HIV salivary gland desease)

  • Speicheldrüsen recht häufig symmetrisch vergrößert (HIV salivary gland desease)
  • Starke Xerostomie (Mundtrockenheit) bei AIDS

Bakterielle Sialadenitiden

Akute bakterielle Sialadenitiden

  • Voraussetzung für die Entstehung einer akuten unspezifischen bakteriellen Sialadenitis ist eine Hyposialie (verminderte Speichelsekretion).
  • Symptome einer akuten bakteriellen Sialadenitis:
    • Schmerzhafte Schwellung im Bereich der Drüse
    • Rötung der Haut
    • Schwellung und Rötung des Ausführungsgangs
    • in der Regel nur einseitige Infektion
    • mitunter putrider (eitriger), flockiger und nicht mehr klarer Speichel
  • Betroffen ist die Glandula parotis nach großen Operationen, beispielsweise nach Laparotomie: postoperative Parotitis. Bei Parotitis kann es zur Fistelbildung und zur Ausbreitung in die Fossa pterygopalatina bzw. den Gehörgang kommen. Die Funktion des Nervus facialis ist zumeist erhalten.
  • Der Lokalisation in der Glandula submandibularis liegt häufig die Superinfektion einer Abflussstörung durch Steinbildung zugrunde: Sialolithiasis (Speichelsteine).

Chronische Sialadenitiden

  • Obstruktive Elektrolyt-Sialadenitis – Sialolithiasis (Speichelsteinleiden): Aus der Obstruktion (vollständiger Verschluss), die einer chronisch-rezidivierenden Sialadenitis zugrunde liegt, resultiert die Symptomatik einer von der Nahrungsaufnahme abhängigen, intermittierenden und akut schmerzhaften Vergrößerung. Durch aszendierende (aufsteigende) bakterielle Superinfektion (Zweitinfektion) entstehen akute eitrige Episoden. Spontaner Konkrementabgang ist möglich.
  • In etwa der Hälfte der Erkrankungsfälle ist der sogenannte Küttner-Tumor der Glandula submandibularis mit einer Sialolithiasis vergesellschaftet. Die Drüse ist im Endstadium sklerosiert und dadurch tumorartig verhärtet, wenig schmerzhaft und permanent geschwollen. Palpatorisch (durch Tastuntersuchung) ist der Küttner-Tumor nur schwer von einer Neoplasie (Neubildung) abzugrenzen.
  • Bei einer chronisch-rezidivierenden Parotitis tritt meist eine einseitige oder alternierende, selten jedoch eine beidseitige Parotisschwellung auf. Der Speichelfluss ist vermindert, der Speichel selbst milchig-trüb, körnig oder eitrig. Oft besteht eine Kieferklemme während der Entzündungsepisode. Nach mehreren Attacken kann die Parotis durch fibrotischen Umbau und Funktionsverlust infolge induriert (verhärtet) und verkleinert sein.
  • Das autoimmun bedingte Krankheitsbild des Sjögren- bzw. Sicca-Syndroms zeigt chronischen Verlauf. Die durch Atrophie (Rückbildung) des Drüsenparenchyms entstehende Sialopenie (Speichelmangel) ist beim Sjögren-Syndrom so ausgeprägt, dass eine quälende Mundtrockenheit vorliegen kann, die Infekte der Mundschleimhaut und Karies nach sich zieht. Die Schleimhäute sind trocken bis atrophisch-glänzend und können klebrige Schleimreste und Borken zeigen. Die Glandula parotidea (Ohrspeicheldrüse) ist beidseits teigig, diffus und nur wenig dolent geschwollen und in einem Drittel der Fälle chronisch vergrößert. Im Endstadium liegt eine Drüsenatrophie vor.
  • Beim Heerfordt-Syndrom (Sarkoidose der Speicheldrüsen) ist die Glandula parotidea meist beidseitig durch eine mittelderbe, konstante, schmerzlose Schwellung gekennzeichnet. Die Xerostomie (Mundtrockenheit) ist bei weitem nicht so ausgeprägt wie beim Sjögren-Syndrom. Neben dem Drüsenparenchym können auch intraglandulär (im Drüsenkörper liegende) Lymphknoten und kleine Speicheldrüsen beteiligt sein.
    • Trias des Heerfordt-Syndroms:
      • undulierendes ("wellenförmig verlaufend") Fieber
      • Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut) mit Iridozyklitis (Entzündung von Regenbogenhaut (Iris) und Ziliarkörper/ringförmiger Teil der mittleren Augenhaut, welcher für die Aufhängung der Linse und ihre Akkommodation verantwortlich ist)
      • Parotisschwellung (Ohrspeicheldrüsenentzündung)
      gelegentlich: Fazialisparese oder Recurrensparese
  • Radiogene Sialadenitis (Strahlen-Sialadenitis): Die strahleninduzierte Speicheldrüsenentzündung ist gekennzeichnet durch eine unmittelbar ausgelöste akute Mukositis (Entzündung der Mundschleimhäute). Die serösen Azini werden geschädigt, das Gangepithel entzündlich verändert. Es folgen Apoptose (gesteuerter Zelltod) und fibrotischer Umbau. Eine Woche nach Beginn der Strahlentherapie ist der Speichelfluss bereits reduziert. Nach wenigen Wochen klingen die akuten Entzündungserscheinungen ab, es verbleibt eine Xerostomie (Mundtrockenheit) mit stark reduziertem, viskösem Speichel bei verminderter Enzymaktivität. Die Xerostomie birgt die Gefahr von Karies, Candida albicans (Pilz der Candida-Gruppe) und aszendierenden (aufsteigenden) bakteriellen Infektionen der Drüse.

Spezifische Sialadenitiden

Bei einer sehr selten auftretenden, chronisch verlaufenden Tuberkulose der Speicheldrüsen sind vor allem die intraglandulären ("innerhalb einer Drüse") Lymphknoten befallen, weniger das Drüsenparenchym selbst.

Den chronischen Verlauf einer Sialadenitis zeigt ebenfalls eine selten auftretende Aktinomykose (Strahlenpilzkrankheit) der Speicheldrüsen. Sie ist gekennzeichnet durch eine harte, schmerzlose Schwellung und typischer rötlich-livider Hautverfärbung im Bereich der Glandula parotidea oder der Glandula submandibularis, wobei die Drüsen sekundär einbezogen sind.

Warnzeichen (red flags)

  • bei Sjögren-Syndrom hohe Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) für Non-Hodgkin-Lymphome (Lymphdrüsenkrebs)
  • bei Sicca-Symptomatik (Symptomatik trockener Augen und/oder eines trockenen Mundes) Möglichkeit einer:
    • rheumatoiden Erkrankung/Kollagenose
    • Hepatitis-C-Infektion
    • HIV-Infektion
    • Primär biliäre Cholangitis (PBC, Synonyme: nichteitrige destruierende Cholangitis; früher: primär biliäre Zirrhose) – relativ seltene autoimmune Lebererkrankung, die von den intrahepatischen ("innerhalb der Leber") Gallenwegen ausgeht und mit Entzündung einhergeht; im längeren Verlauf greift die Entzündung auf das gesamte Lebergewebe über und führt schließlich zu einer Vernarbung bis hin zur Leberzirrhose; 90 % der Fälle betreffen die Frau
      Nachweis antimitochondrialen Antikörper (AMA); PBC ist häufig assoziiert mit Autoimmunerkrankungen (Autoimmunthyreoiditis, Polymyositis, systemischer Lupus erythematodes (SLE), progressive systemische Sklerose, rheumatoider Arthritis); in 80 % der Fälle mit einer Colitis ulcerosa assoziiert; Langzeitrisiko für ein cholangiozelluläres Karzinom liegt bei 7-15 %
  • bei Sekretionsstörung Ausschluss eines neoplastischen Geschehens
  • bei eitriger Parotitis Gefahr einer Parotislogeninfektion
  • Nervus facialis-Parese/Lähmung (partielle Parese einzelner Äste) bei tief reichenden entzündlichen Infiltrationen der Parotis