Sodbrennen (Pyrosis) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Sodbrennen (Pyrosis) tritt auf, wenn Magensäure in die Speiseröhre aufsteigt und dort zu einem brennenden Schmerz führt. Dieser Rückfluss des Magensafts kann durch mehrere pathophysiologische Mechanismen verursacht werden, die eine unzureichende Barrierefunktion zwischen dem Magen und der Speiseröhre betreffen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Aggressiver Magensaft (Magensäure): Der Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre führt zur Reizung der Schleimhaut, da diese für den Kontakt mit der sauren Umgebung des Magens nicht ausgelegt ist. Dies verursacht die typischen brennenden Schmerzen.
  • Gestörte Selbstreinigungskräfte des Ösophagus (Speiseröhre): Normalerweise wird die Speiseröhre durch peristaltische Bewegungen und Speichelfluss gereinigt, wodurch der Magensaft neutralisiert und zurück in den Magen befördert wird. Bei einer Störung dieser Selbstreinigungsmechanismen kann Magensäure länger in der Speiseröhre verbleiben und dort Schäden verursachen.
  • Insuffizienter unterer Ösophagussphinkter (unterer Schließmuskel der Speiseröhre): In etwa 20 % der Fälle ist eine Funktionsstörung des unteren Ösophagussphinkters, der normalerweise den Rückfluss von Magensaft verhindert, die Ursache. Dies kann sowohl durch anatomische als auch durch funktionelle Veränderungen bedingt sein. Bei einer Schwäche des Schließmuskels kann der Magensaft leichter in die Speiseröhre aufsteigen.
  • Verzögerte Magenentleerung: Eine verlangsamte Magenentleerung führt zu einer Druckerhöhung im Magen, was den Reflux begünstigt. Wenn der Mageninhalt länger im Magen verweilt, steigt der Druck, und der saure Mageninhalt kann leichter in die Speiseröhre zurückfließen.
  • Veränderung der anatomischen Lage des Übergangs zwischen Ösophagus und Magen: Bei bestimmten anatomischen Veränderungen, wie einer axialen Hiatushernie (Gleithernie), verschiebt sich der Übergang zwischen Magen und Speiseröhre in den Brustraum. Dies schwächt die Barrierefunktion des unteren Ösophagussphinkters und erleichtert den Reflux. Auch beim Brachyösophagus (angeborene Verkürzung der Speiseröhre) können Teile der Magenkuppel in den Brustraum verlagert sein, was ebenfalls den Rückfluss von Magensäure fördert.
  • Muskuläre Insuffizienz der Zwerchfellschenkel: Schwache Zwerchfellschenkel können den Druck auf den unteren Ösophagussphinkter verringern, was den Reflux begünstigt.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

  • Funktionelles Sodbrennen:
    Bei funktionellem Sodbrennen sind weder ein gastroösophagealer Reflux noch histopathologische (feingewebliche) Veränderungen an der Speiseröhre nachweisbar. Hier liegt keine erkennbare organische Ursache vor, und die Beschwerden resultieren wahrscheinlich aus einer gestörten Wahrnehmung von Reizen in der Speiseröhre [2].

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Sodbrennen entsteht hauptsächlich durch den Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre, bedingt durch eine Kombination von mechanischen und funktionellen Störungen. Eine gestörte Selbstreinigung, ein schwacher unterer Ösophagussphinkter sowie anatomische und funktionelle Veränderungen spielen eine zentrale Rolle bei der Pathogenese. Der Zustand kann zu erheblichen Beschwerden und langfristigen Komplikationen wie einer Ösophagitis (Speiseröhrenentzündung) führen, wenn er nicht behandelt wird.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Fehlernährung:
      • Große, fettreiche Mahlzeiten – Verlängern die Magenentleerungszeit und erhöhen den Druck auf den unteren Ösophagussphinkter (Speiseröhrenschließmuskel).
      • Zuckerreiche Getränke wie Kakao oder zu viele Süßigkeiten (insbesondere Schokolade) – Fördern die Säureproduktion.
      • Scharfe Gewürze – Reizen die Magenschleimhaut und können den Reflux verstärken.
      • Fruchtsäfte (z. B. Zitrussäfte/Orangensaft) mit hohem Fruchtsäuregehalt – Verstärken die Säurebelastung.
      • Pfefferminztee und Pfefferminzlutschtabletten – Können den unteren Ösophagussphinkter entspannen und den Rückfluss von Magensäure fördern.
    • Zu hastiges Essen – Führt zu unzureichendem Kauen und erhöhtem Magenvolumen.
    • Letzte Nahrungsaufnahme spätabends vor der Bettruhe – Verstärkt das Risiko eines nächtlichen Refluxes, insbesondere bei Mahlzeiten nach 18.00 Uhr.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol – Entspannt den unteren Ösophagussphinkter und fördert den Rückfluss von Magensäure.
    • Kaffee – Kann die Magensäureproduktion steigern.
    • Tabak (Rauchen) – Beeinträchtigt die Funktion des unteren Ösophagussphinkters und fördert den Reflux.
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress – Beeinflusst die Magensäureproduktion und kann Refluxsymptome verschlimmern.
  • Übergewicht
    • BMI ≥ 25 (Adipositas) – Übt zusätzlichen Druck auf den Bauchraum aus, fördert die Aufweitung der unteren Thoraxapertur und erhöht das Risiko eines Refluxes.

Krankheitsbedingte Ursachen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Koronare Herzkrankheit (KHK) – Erkrankung der Herzkranzgefäße
  • Myokardinfarkt (Herzinfarkt)

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Diffuser Ösophagusspasmus – neuromuskuläre Funktionsstörung der Speiseröhrenmuskulatur mit intermittierend auftretenden retrosternalen (hinter dem Brustbein lokalisierten) Schmerzen
  • Funktionelle Dyspepsie (Reizmagen)
  • Hiatushernie (Zwerchfellbruch)
  • Hyperkontraktiler Ösophagus (Nussknackerösophagus) – Motilitätsstörung (Bewegungsstörung) der Speiseröhre, die durch hohe Druckamplituden im unteren Ösophagus charakterisiert ist
  • Magenulkus (Magengeschwür)
  • Ösophagitiden (Speiseröhrenentzündungen): 
    • eosinophile Ösophagitis (EoE; junge Männer mit allergischer Diathese; Leitsymptome: Dysphagie (Schluckstörung), Bolusobstruktion ("Verschluss durch einen Bissen" – meistens Fleischbissen) und Thoraxschmerz [Kinder, Jugendliche, Erwachsene]
      Beachte:
       Zur Diagnostik sollten mindestens sechs Ösophagusbiopsien aus unterschiedlichen Höhen entnommen werden.
    • infektiöse Ösophagitis (häufigste Form: Soorösophagitis; des Weiteren viral (Herpes simplex Typ 1 (selten Typ 2): Cytomegalievirus, HIV (im Rahmen des akuten HIV-Syndroms 2-3 Wochen nach Infektion), bakteriell (Tuberkulose, Mycobacterium avium, Streptokokken, Laktobazillen) und parasitär (Pneumocystis, Kryptosporidien, Leishmanien))
    • physikochemische Ösophagitis; insb. Verätzungen durch Säuren und Laugen sowie Strahlentherapie
    • "Tablettenösophagitis"; häufigste Auslöser sind Antibiotika (insb. Doxycyclin), Bisphosphonate, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Kaliumchlorid
    • Systemerkrankungen, die mit einer Ösophagitis einhergehen können (z. B. Kollagenosen, Morbus Crohn, Pemphigus)
  • Ösophagusachalasie – Funktionsstörung des unteren Ösophagussphinkters (Speiseröhrenmuskulatur), mit der Unfähigkeit zu erschlaffen; es handelt sich dabei um eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen des Plexus myentericus absterben. Im Endstadium der Erkrankung ist die Kontraktionsfähigkeit der Östophagusmuskulatur irreversibel geschädigt, mit der Folge, dass Nahrungsbestandteile nicht mehr in den Magen transportiert werden und durch Übertritt in die Trachea (Luftröhre) zu pulmonalen Funktionsstörungen führen. Bis zu 50 % der Patienten leiden an pulmonalen ("lungenbedingten") Funktionseinschränkungen als Folge chronischer Mikroaspirationen (Eindringen von kleinen Mengen Materials z. B. Speisereste in die Lunge).
    Typische Symptome der Achalasie sind: Dysphagie (Schluckstörung), Regurgitation (Wiederhochkommen von Speise), Husten, gastroösophagealer Reflux (Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre), Dyspnoe (Atemnot), Thoraxschmerz (Brustschmerzen) und Gewichtsverlust; als sekundäre
    Achalasie ist sie meistens Folge einer Neoplasie (bösartige Neubildung), z. B. eines Kardiakarzinoms (Mageneingangskrebs).
  • Ösophagusdivertikel – Ausstülpungen von Schleimhaut durch die Muskelschicht der Speiseröhre
  • Ösophagusulzera – Geschwüre in der Speiseröhrenwand
  • Ulcus ventriculi (Magengeschwür)

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Magenkarzinom (Magenkrebs)
  • Ösophaguskarzinom (Speiseröhrenkrebs)

Weitere Ursachen 

  • Schwangerschaft

Medikamente

  • Analgetika
    • Opioid-Analgetia (Hy­dro­mor­phon-HCl)
  • Antiarrhythmika (Me­xi­l­e­tin-HCl)
  • Antibiotika
    • Gyrasehemmer (En­oxa­c­in)
    • Tetracycline (Doxycyclin)
  • Anticholinergika (Relaxation des Ösophagusphinkter) – siehe unter "Anticholinerge Wirkungen durch Medikamente"
  • An­ti­eme­ti­ka/An­ti­ver­ti­gi­no­sa (Apre­pi­tant)
  • Antiepileptika (Etho­suxi­mid, Me­su­xi­mid)
  • Antiplogistika (Dex­ke­to­pro­fen)
  • Antipsychotika (Neuroleptika) – Clo­za­pin
  • Antirheumatika (Ace­clofe­nac, Ace­me­ta­zin, Eto­ri­co­xib, Ibu­pro­fen, In­do­me­ta­zin, Ke­to­pro­fen, Me­xi­l­e­tin-HCl, Mo­fe­buta­zon, Na­pro­xen, Phe­nyl­bu­ta­zon, Prog­lu­me­ta­zin­di­ma­leat)
  • Alendronsäure – Alen­dro­nat
  • Anio­nen­aus­tau­scher­har­ze
  • Asthmamittel (Aminophyllin, Theophyllin)
  • Bu­ta­zo­ne
  • Ex­pek­to­r­an­ti­en und Mukolytika – Car­bocis­tein
  • Flupirtin
  • Hormone – Hormonersatztherapie (HRT/HET), postmenopausal [1]
    • Gestagene (Me­gestro­la­ze­tat)
    • An­gio­ten­sin-II-Ant­ago­nist (Ir­besar­tan, Losar­tan-Ka­li­um)
    • Tibolon
  • Immunmodulatoren (In­ter­fe­ron alfa-2a)
  • Immunsuppressiva (Da­cli­zu­m­ab)
  • Koffein
  • Li­pid­sen­ker (Ator­va­s­ta­tin, Cho­le­ste­r­in­syn­the­se (CSE)-Hem­mer, Cole­s­ti­pol-HCl, Cole­sty­ra­min, Flu­va­s­ta­tin, Pravastatin-Natrium, Psuvastatin, Simvastatin)
  • Nicotinsäure
  • Parkinsonmittel (Di­hy­dro­er­go­cryp­t­in­mesi­lat, Ropinirol)
  • Relaxantien der glatten Muskulatur – alpha-adrenerge Substanzen, Aminophyllin, Nitrate, Calciumkanal-Blocker, Phosphodiesterasehemmer einschließlich Sildenafil (Viagra®)
  • Rivastigmin
  • Sympathomimetika (Orciprenalinsulfat, Salbutamol, Salmeterol-Inhalat, Terbutalinsulfat)
  • Tuberkulostatika (p-Ami­no­sa­li­cyl­säu­re)
  • Virostatika (In­di­na­vir)

Literatur

  1. Jacobson BC, Moy B, Colditz GA, Fuchs CS: Postmenopausal hormone use and symptoms of gastroesophageal reflux. Arch Intern Med. 2008 Sep 8;168(16):1798-804.
  2. Drossman DA, Hasler WL: Rome IV-functional GI disorders: disorders of gut-brain interaction. Gastroenterology. 2016;150(6):1257–1261. doi: 10.1053/j.gastro.2016.03.035