Reizmagen (funktionelle Dyspepsie) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Ursache der funktionellen Dyspepsie (FD) ist heterogen und multifaktoriell, wobei verschiedene Faktoren zur Krankheitsentstehung beitragen können. Der genaue Pathomechanismus des Reizmagensyndroms ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass psychische Probleme, wie Stress oder Angststörungen, eine bedeutende Rolle spielen.

Daneben könnte eine Hypersensibilität der afferenten Innervation des Magens eine wichtige Ursache sein, was auf eine Dysfunktion des autonomen Nervensystems hinweist. Diese Hypersensibilität führt dazu, dass normale Reize, die normalerweise keine Beschwerden verursachen, als schmerzhaft oder unangenehm wahrgenommen werden.

Die dyspeptischen Beschwerden lassen sich durch verschiedene Mechanismen erklären:

  • Erhöhter intragastraler Druck: Dieser führt zu einer erhöhten Spannung in der Magenwand, was mit einem unangenehmen Völlegefühl einhergehen kann.
  • Magenakkommodationsstörung: Eine gestörte Anpassung des Magens an die Nahrungsaufnahme kann dazu führen, dass das Volumen im Magen nicht gleichmäßig verteilt wird, was zu Beschwerden führen kann.
  • Mechanische Stimulation: Dehnung des Magens, etwa nach dem Essen, kann Beschwerden auslösen.
  • Chemische Stimulation: Vor allem duodenale Lipide, also Fette, die in den Zwölffingerdarm gelangen, können die Magenaktivität beeinflussen und Beschwerden auslösen.
  • Infektiös-entzündliche Einflüsse: In einigen Fällen tritt eine sogenannte postinfektiöse funktionelle Dyspepsie auf, bei der nach einer Magen-Darm-Infektion anhaltende Beschwerden bestehen.

Möglicherweise liegt der Ursprung der FD nicht ausschließlich im Magen, sondern auch im Duodenum (Zwölffingerdarm). Untersuchungen haben gezeigt, dass bei an FD erkrankten Personen auffällige Veränderungen des duodenalen Mikrobioms (Darmflora) vorliegen. Dies deutet darauf hin, dass eine mikrobiologische Dysbalance im Zwölffingerdarm zur Entstehung der funktionellen Dyspepsie beitragen könnte. Biopsien aus dem Duodenum bestätigen diese Veränderungen im Vergleich zu gesunden Personen [1, 2].

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – Assoziation mit Polymorphismen der G-Protein-β3-Untereinheit, des COX 1- und COMT-Gens und des CCK1- und TRL2-Rezeptors

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Ernährungsgewohnheiten
      • fettreiche Mahlzeiten (Hemmung der Magenentleerung)
      • scharfe Gewürze
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol
    • Tabak (Rauchen)
  • Psycho-soziale Situation 
    • Chronischer Stress (Dauerstress)
    • Angst
    • Psychische Belastung

Krankheitsbedingte Ursachen

Atmungssystem (J00-J99)

  • Chronische Lungenerkrankungen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Diabetes mellitus

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Koronare Herzkrankheit (KHK)
  • Myokardinfarkt

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • H.-pylori-Infektion
  • Parasiten (z. B. Giardia lamblia, Strongyloides, Anisakis) [mögliche pathogenetische Mechanismen: postinfektiös, Mastzellendysfunktion, Zytokine]

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Cholelithiasis
  • Pankreaskarzinom
  • Pankreatitis, chronische

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Chronische mesenteriale Ischämie
  • Diffuser Ösophagusspasmus – neuromuskuläre Funktionsstörung der Speiseröhrenmuskulatur mit intermittierend auftretenden retrosternalen Schmerzen
  • Eosinophile Gastroenteritis (EGS; Synonym: diffuse eosinophile Infiltration des Magen-Darm-Traktes
  • Gastritiden, akute und chronische
  • Gastroduodenale Ulkuskrankheit
  • Gastroenteritis (Magen-Darm-Grippe)
  • Gastroösophageale Refluxkrankheit (Synonyme: GERD, Gastro-oesophageal reflux disease; Gastroesophageal Reflux Disease (GERD); Gastroösophagealer Reflux; Reflux-Ösophagitis; Refluxkrankheit; Refluxösophagitis; peptische Ösophagitis)
  • Gastroparese
  • Hyperkontraktiler Ösophagus (Nussknackerösophagus) – Motilitätsstörung der Speiseröhre, die durch hohe Druckamplituden im unteren Ösophagus charakterisiert ist
  • Morbus Crohn – chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED); sie verläuft meist in Schüben und kann den gesamten Verdauungstrakt befallen; charakterisierend ist der segmentale Befall der Darmmukosa, das heißt es können mehrere Darmabschnitte befallen sein, die durch gesunde Abschnitte voneinander getrennt sind
  • Motilitätsstörungen der Speiseröhre (z. B. Achalasie)
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die sehr individuell sein können, wie Milchprodukte (Lactoseintoleranz), Kaffee, scharfe Lebensmittel, Obst (Fructoseintoleranz); Sorbitintoleranz 
  • Ösophagitis
  • Ösophagusachalasie
  • Ösophagusdivertikel
  • Ösophagusulzera
  • Zöliakie (gluteninduzierte Enteropathie) – Erkrankung der Dünndarmmukosa (Dünndarmschleimhaut), die auf einer Überempfindlichkeit gegen das Getreideeiweiß Gluten beruht

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Gallenblasenkarzinom
  • Magenkarzinom
  • Ösophaguskarzinom
  • Pankreaskarzinom

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Angststörungen
  • Depression
  • Psychosomatische Störungen

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Meteorismus
  • Pyrosis (Sodbrennen)

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Fructoseintoleranz (Fruchtzuckerunverträglichkeit)
  • Lactoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit)
  • Sorbitintoleranz (Sorbitunverträglichkeit) 

Medikamente

  • ACE-Hemmer
  • Calciumantagonisten
  • Eisenpräparate
  • Gucocorticoide
  • Methylxanthine
  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR oder NSA; auch genannt: nichtsteroidale Antiphlogistikum (NSAP) oder NSAID (non-steroidal anti-inflammatory drugs)

Literatur

  1. Zhong L et al.: Dyspepsia and the microbiome: time to focus on the small intestine. Gut 2017;66(6):1168-1169 doi: 10.1136/gutjnl-2016-312574.
  2. Wauters L et al.: Novel concepts in the pathophysiology and treatment of functional dyspepsia. Gut 2020;69(3):591-600 doi: 10.1136/gutjnl-2019-318536.