Reizdarmsyndrom – Weitere Therapie
Aufklärung
- Wichtig ist die wiederholte und sorgfältige Aufklärung über den Verlauf der Erkrankung für einen guten Umgang mit der Erkrankung Reizdarmsyndrom (RDS).
- Die Beschwerden sind nicht eingebildet.
- Die Lebenserwartung ist normal.
- Die Betroffenen verfügen über Möglichkeiten (z. B. Ernährungsumstellung, Stressreduktion etc.), die Beschwerden zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern.
- Sie sollten auch über den Zusammenhang zwischen Stress bzw. Emotionen und somatischer Symptomatik informiert werden.
Allgemeine Maßnahmen
- Vermeiden von Bewegungsmangel!
- Bei Schlafstörungen beachten der Schlafhygiene (s. u. Insomnie/Schlafstörung)
- Nikotinrestriktion (Verzicht auf Tabakkonsum)
- Begrenzter Alkoholkonsum (Männer: max. 25 g Alkohol pro Tag; Frauen: max. 12 g Alkohol pro Tag)
- Normalgewicht anstreben!
Bestimmung des BMI (Body-Mass-Index, Körpermasse-Index) bzw. der Körperzusammensetzung mittels der elektrischen Impedanzanalyse und ggf. Teilnahme an einem ärztlich betreuten Abnehmprogramm oder Programm für Untergewichtige. - Vermeidung psychosozialer Konfliktsituationen:
- akuter und chronischer Stress/Dauerstress (in Beruf, Familie)
- Mobbing
- Seelische Konflikte
- akuter und chronischer Stress/Dauerstress (in Beruf, Familie)
Konventionelle nicht-operative Therapieverfahren
- Perkutane elektrische Nervenfeldstimulation (PENFS): Variante der Elektroakupunktur; Stimulation erfolgt über drei kleine Nadelpflaster, die den Patienten im Bereich der Ohrmuschel auf die Haut geklebt werden. Laut Angaben der Hersteller soll die “Darm-Gehirn-Achse“ beeinflusst werden (Beleg auf Grundlage tierexperimenteller Studien).
Das Verfahren darf laut der FDA nicht bei Patienten mit Hämophilie, Herzschrittmachern oder einer Psoriasis vulgaris eingesetzt werden.
In einer randomisierten Studie an Jugendlichen im Alter von 11 bis 18 Jahren (50 Probanden), die die Rom-III-Kriterien für das Reizdarmsyndrom erfüllten, kam es unter der PENFS nach 3 Wochen bei 52 % der Patienten zu einem Rückgang (versus 30 % in der Vergleichsgruppe) der Schmerzen um wenigstens 30 % [5].
Ernährungsmedizin
- Im Rahmen der Therapie des Reizdarmsyndroms sollte begleitend eine medizinische Ernährungsberatung erfolgen (Evidenzgrad [EG] B).
- Ernährungsempfehlungen gemäß einem Mischköstler unter Berücksichtigung des Geschlechtes und des Alters
- Beachtung folgender spezieller ernährungsmedizinischer Empfehlungen:
- Es sollten jegliche Nahrungsmittel gemieden werden, die Beschwerden auslösen. Gezielte Meidung von beispielsweise Kohlenhydraten (z. B. ggf. vorübergehende Reduktion fermentierbarer Oligo‑, Di- und Monosaccharide sowie Polyole (Low-FODMAP), also kurzkettiger Kohlenhydrate; s. u. FODMAP-reiche Lebensmittel), alkoholischen Getränken, Fett, Getreideprodukten, Hülsenfrüchten, Kaffee, rohem Obst, gebratenen Speisen, Milch und Zwiebeln kann zum Wegfall oder zur erheblichen Besserung des Beschwerdebildes führen.
- Ballaststoffreiche Ernährung
- Empfohlen wird ein Minimum von insgesamt 25-35 g Ballaststoffen täglich (initial kann durch eine vermehrte Gasbildung der Meteorismus/Blähungen zunehmen; daher vorsichtig die Ballaststoffmenge steigern)
- Eine ballaststoffreiche Ernährung ist besonders effektiv, wenn die Ernährung zuvor ballaststoffarm war. Lösliche Ballaststoffe (Gelbildner wie Psyllium (Flohsamenschalen), Ispaghula (indischer Flohsamen), Plantago (Wegeriche)) verbessern die Beschwerden tendenziell besser als unlösliche Ballaststoffe (z. B. Weizenkleie und Korn), vor allem im Rahmen eines obstipations-prädominanten Reizdarmsyndroms (Reizdarmsyndrom mit Verstopfung). Gleichzeitig muss auf eine hohe Flüssigkeitsaufnahme geachtet werden.
- S3-Leitlinie: Bei Erwachsenen mit Reizdarmsyndrom und überwiegend Obstipation Beschwerden sollen Ballaststoffe zur Behandlung eingesetzt werden. Dabei sollten lösliche Ballaststoffe bevorzugt werden.
Der Einsatz von löslichen Ballaststoffen zeigt auch Wirkung beim Reizdarmsyndrom vom Diarrhoe-Typ (Durchfall) und Schmerz-Typ. - Darauf hingewiesen werden, dass
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Nahrungsstoffe wie fette Speisen, Hülsenfrüchte, Milchprodukte und Gewürze sowie
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Genussmittel wie Alkohol, gelegentlich auch Nikotin, Kaffee und Beschwerden auslösen können.
- Eine erhöhte ballaststoffhaltige Kost die Beschwerden verstärken kann. Dieses erklärt sich durch die verstärkte Gasbildung.
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- Ggf. probatorischen Eliminationsdiäten (wg. Verdacht auf Lactose- bzw. Fructoseintoleranz), d. h. zuckerarme Kost unter Berücksichtigung der betroffenen Zucker; gleiches Vorgehen gilt bei anderen Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
Beachte: Längerfristige Eliminationsdiäten dürfen nur bei gesichertem Nachweis individueller Nahrungsmittelunverträglichkeiten und unter ernährungsmedizinischer Beratung und Kontrolle versucht werden.
- FODMAP-reiche Lebensmittel reduzieren (Low-FODMAP-Diät) – FODMAP steht als Abkürzung für "fermentable oligo-, di- and monosaccharides and polyols" und heißt übersetzt „fermentierbare (vergärbare) Oligosaccharide (kurzkettige Kohlenhydrate wie Fruktane und Galaktane), Disaccharide (Lactose), Monosaccharide (Fructose) und Polyole" (= Zuckeralkohole wie Maltit, Mannit, Sorbit, Xylit etc.). FODMAPs sind z. B. in Weizen, Roggen, Knoblauch, Zwiebel, Milch, Honig, Apfel, Birne, Pilze, Salicylat enthalten
Sie werden im Dünndarm schlecht resorbiert (aufgenommen). Im Kolon (Dickdarm) werden sie dann rasch fermentiert. Beim Fermentieren entstehen Gase und die osmotische Wirkung (Bindung von Wasser ins Darmlumen) kann zu Bauchschmerzen und Blähungen führen. Ebenfalls können FODMAPs eine abführende Wirkung haben (siehe unter "FODMAP-Diät bei funktionellen Darmerkrankungen").
- Die Low-FODMAP-Diät unter ernährungsmedizinischer Begleitung ist möglicherweise ein Kandidat für die First-Line-Therapie des Reizdarmsyndroms [2]. Die DGVS (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauung- und Stoffwechselkrankheiten) hat sich klar für die Low-FODMAP-Diät ausgesprochen (s. u. "FODMAP bei funktionellen Darmerkrankungen").
- Weizen-/Gluten-freie Diät bei reproduzierbare Auslösung oder Verschlimmerung der Beschwerden durch Getreideprodukte nach Ausschluss einer Zöliakie oder einer Weizenallergie (zeitlich befristet; anschließend gezielte Reexposition, anzustreben als Placebo-kontrollierter Provokationstest [Empfehlungsgrad 0, Konsens]; gleiches gilt für Beschwerden durch Histamin-haltige Nahrungsmittel
Beachte: Für den Nutzen einer glutenfreien Ernährung beim RDS mangelt es an Evidenz. - Falls eine Ernährungsumstellung im Sinne einer Eliminationsdiät erforderlich ist, sollte wie folgt vorgegangen werden:
- Phase I: Reduktion bzw. Restriktion (nicht länger als 4 bis 6 Wochen)
- Phase II: Testphase über bis zu sechs Wochen, dabei gezielte Wiedereinführung des jeweiligen Nahrungsmittels zum Austesten der individuellen Toleranzschwelle
- Phase III: Einführung einer mit dem betreffenden Nahrungsmittel reduzierten Ernährung als abwechslungsreiche Mischkost als Dauerernährung
- Gemäß einer Studie scheinen bei Reizdarmsyndrom Diäten, wie die FODMAP-arme oder die kohlenhydratreduzierte Ernährung, effektiver zu sein als eine medikamentöse Therapie: Beide diätetischen Interventionen zeigten nach vier Wochen eine effektivere Symptomkontrolle als die medikamentöse Behandlungsoption [6].
- Beachte: Bei Patienten, bei denen bereits die Gefahr einer Mangelernährung besteht, oder die unter einer Essstörung bzw. einer unkontrollierten psychischen Störungen leiden, sollte auf restriktive Diätformen verzichtet werden.
- FODMAP-reiche Lebensmittel reduzieren (Low-FODMAP-Diät) – FODMAP steht als Abkürzung für "fermentable oligo-, di- and monosaccharides and polyols" und heißt übersetzt „fermentierbare (vergärbare) Oligosaccharide (kurzkettige Kohlenhydrate wie Fruktane und Galaktane), Disaccharide (Lactose), Monosaccharide (Fructose) und Polyole" (= Zuckeralkohole wie Maltit, Mannit, Sorbit, Xylit etc.). FODMAPs sind z. B. in Weizen, Roggen, Knoblauch, Zwiebel, Milch, Honig, Apfel, Birne, Pilze, Salicylat enthalten
- Mangelernährung soll vermieden bzw. behandelt werden!
- Zufuhr von Probiotika (probiotische Kulturen) [Leitlinien: Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]
- Da die Erkrankung mit Entzündungsprozessen einhergeht, sollten Erkenntnisse in Bezug auf eine antiinflammatorische (entzündungshemmende) Ernährung auch Grundlage der Ernährung bei einem Reizdarmsyndrom sein. Siehe unter Ernährung bei „Subklinische Inflammation“.
- Auswahl geeigneter Lebensmittel auf Grundlage der Ernährungsanalyse
- Siehe auch unter "Therapie mit Mikronährstoffen (Vitalstoffe)" – Einnahme eines geeigneten probiotischen Nahrungsergänzungsmittels (Therapieversuch: mindestens 8 bis 12 Wochen)
Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können. - Detaillierte Informationen zur Ernährungsmedizin erhalten Sie von uns.
Sportmedizin
- Ausdauertraining (Cardiotraining) und Krafttraining (Muskeltraining) – regelmäßige Bewegung und Sport unterstützen die Darmtätigkeit und lindern Angstzustände und Depressionen
- Erstellung eines Fitness- bzw. Trainingsplans mit geeigneten Sportdisziplinen auf der Grundlage eines medizinischen Checks (Gesundheitscheck bzw. Sportlercheck)
- Detaillierte Informationen zur Sportmedizin erhalten Sie von uns.
Psychotherapie
- Entspannungsverfahren – z. B. Yoga, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Autogenes Training, Tai-chi, Qigong, Mindfulness-Based Stress Reduction [MBSR], Meditation etc.
- Stressmanagement/Zeitmanagement (Stress-Vermeidung durch Stress-Managementprogramme und Entspannungsverfahren; Coping-Strategien)
- Psychotherapie
- Indikationen: mittelschwere bis schwerwiegende gastrointestinale Beschwerden, welche die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen; psychische Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)
- insbesondere auch, wenn Basismaßnahmen beim Leitsymptom Blähungen nicht ausreichend wirksam sind.
- langfristige Linderung: die Wirkung hält häufig über das Ende der Behandlung hinaus an [1]
- Interpersonelle/psychodynamische Therapie
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
- Medizinische Hypnose (Synonym: Hypnotherapie) [3]: Bauch-gerichtete Hypnose (s. u.)
- Psychodynamische Psychotherapie
- Indikationen: mittelschwere bis schwerwiegende gastrointestinale Beschwerden, welche die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen; psychische Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)
- Kleine Psychotherapie (psychoedukative Elemente) und angeleitete Selbsthilfestrategien können den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen.
- Bauch-gerichtete Hypnose/Darmhypnose (engl. gut-directed hypnosis; Verdauungstrakt-gerichtete Hypnose)
- In einer prospektiven Studie wurden 494 Patienten in drei Gruppen eingeteilt (3:3:1; primärer Endpunkt: adäquate Besserung des Gesamtzustandes in mindestens drei von vier konsekutiven Wochen, mit Follow-up Erhebungen nach drei und 12 Monaten) [4]: zwölf Wochen entweder:
- individuelle Hypnotherapie: Ansprechrate nach drei Monaten in der Intention-to-treat-Analyse 40,8 %/ nach 2 Monaten: 40,8 %
- Gruppen-Hypnotherapie: Ansprechrate nach drei Monaten in der Intention-to-treat-Analyse 33,2 %/ nach 12 Monaten: 49,5 %
- edukativ-supportive Gesprächstherapie (Kontrolle; alle jeweils sechs Termine): Ansprechrate nach drei Monaten in der Intention-to-
- In einer prospektiven Studie wurden 494 Patienten in drei Gruppen eingeteilt (3:3:1; primärer Endpunkt: adäquate Besserung des Gesamtzustandes in mindestens drei von vier konsekutiven Wochen, mit Follow-up Erhebungen nach drei und 12 Monaten) [4]: zwölf Wochen entweder:
- Kinder mit funktionellen Bauchschmerzen sollten mit kognitivem Verhaltenstraining (KVT) oder Hypnose behandelt werden. Symptomtagebücher und Entspannungsverfahren (z. B. Yoga) können als Teil des verhaltenstherapeutischen Konzepts hilfreich sein.
- Detaillierte Informationen zur Psychosomatik (inkl. Stressmanagement) erhalten Sie von uns.
Komplementäre Behandlungsmethoden
- Akupunktur und Moxibustion (Verfahren der traditionellen chinesischen Medizin: Vorgang der Erwärmung von speziellen Punkten des Körpers) – Steigerung der Lebensqualität bei Patienten mit RDS
- Darmhypnose (darmgerichtete Hypnose)
- Fußreflexzonenmassage
- Mindfulness Mind Body – Stressbewältigung durch Achtsamkeit
- Yoga
Organisationen und Selbsthilfegruppen
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)
Postfach 91 01 52, D-51071 Köln
Telefon: 0221-89920, Fax: 0221-8992300, E-Mail: poststelle@bzga.de, Internet: www.bzga.de - Selbsthilfegruppe Reizdarm (RDS) München
Die SHG trifft sich jeden 3. Mittwoch im Monat um 18 Uhr im Selbsthilfezentrum München in der Westendstr. 68, 80339 München. Die Teilnahme ist unverbindlich und gebührenfrei.
E-Mail: RDS@bayern-mail.de, Internet: www.shz-muenchen.de
Literatur
- Laird KT et al.: Short- and Long-Term Efficacy of Psychological Therapies for Irritable Bowel Syndrome: A Systematic Review and Meta-analysis. PII: S1542-3565(15)01706-1 doi: 10.1016/j.cgh.2015.11.020 Reference: YJCGH 54581 To appear in: Clinical Gastroenterology and Hepatology Accepted Date: 20 November 2015
- Varjú P et al.: Low fermentable oligosaccharides, disaccharides, monosaccharides and polyols (FODMAP) diet improves symptoms in adults suffering from irritable bowel syndrome (IBS) compared to standard IBS diet: A meta-analysis of clinical studies. PLoS One. 2017 Aug 14;12(8):e0182942. doi: 10.1371/journal.pone.0182942. eCollection 2017.
- Slomski A: Hypnotherapy Provides IBS Relief. JAMA. 2019;321(4):335. doi:10.1001/jama.2018.22028
- Flik CE et al.: Efficacy of individual and group hypnotherapy in irritable bowel syndrome (IMAGINE): a multicentre randomised controlled trial Lancet Gastroenterology & Hepatology Published:November 22, 2018 doi:https://doi.org/10.1016/S2468-1253(18)30310-8
- Kovacic K et al.: Neurostimulation for abdominal pain-related functional gastrointestinal disorders in adolescents: a randomised, double-blind, sham-controlled trial Lancet Gastroenterology & Hepatology Published:August 18, 2017 doi:https://doi.org/10.1016/S2468-1253(17)30253-4
- Nybacka S et al.: A low FODMAP diet plus traditional dietary advice versus a low-carbohydrate diet versus pharmacological treatment in irritable bowel syndrome (CARBIS). Lancet Gastroenterol Hepatol 2024; https://doi.org/10.1016/S2468-1253(24)00045-1