Narbenbruch (Narbenhernie) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Narbenhernie, auch Narbenbruch genannt, entsteht durch eine Schwachstelle in der Bauchwand, die infolge einer vorangegangenen Operation auftritt. Die Bruchpforte bildet sich im Bereich der Narbe, die alle Bauchwandschichten durchdringt und bei Belastung, aufgrund ihrer reduzierten Elastizität, nachgibt. Die Pathogenese der Narbenhernie umfasst mechanische, biochemische und zelluläre Faktoren, die die Stabilität der Narbe und die Bauchwandbelastbarkeit beeinflussen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Gewebeschwäche der Narbe
    Der zentrale Mechanismus der Narbenhernie ist eine verminderte Belastbarkeit der Narbe. Die Narbe bildet eine Schwachstelle, da sie durch alle Schichten der Bauchwand reicht. Belastungen wie Heben, Husten oder starkes Pressen können die Narbe dehnen und zum Bruch führen.
  • Gestörter Kollagenstoffwechsel
    Ein unausgeglichener Kollagenstoffwechsel spielt eine wesentliche Rolle. Patienten mit Narbenhernien weisen häufig eine reduzierte Kollagen-Typ-I/III-Ratio auf, was die Gewebestabilität mindert. Typ-I-Kollagen ist für die mechanische Belastbarkeit des Gewebes verantwortlich und wird während der Wundheilung zunehmend durch Typ-III-Kollagen ersetzt. Bei gestörter Wundheilung bleibt das Gewebe jedoch vermehrt durch das weniger stabile Typ-III-Kollagen geprägt.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

  • Intraabdominelle Druckerhöhung
    Erhöhte intraabdominelle Druckspitzen, z. B. durch chronischen Husten, chronische Obstipation (Verstopfung) oder starkes Pressen, erhöhen die Belastung auf die Narbe und begünstigen die Entstehung der Hernie.
  • Wundheilungsstörungen
    Verzögerungen oder Störungen im Wundheilungsprozess erhöhen das Risiko für eine Narbenhernie. Faktoren wie Infektionen, unzureichende Durchblutung oder schlechte Narbenbildung beeinflussen die Heilung und mindern die Belastbarkeit der Narbe.

Klinisches Bild

  • Leitsymptome
    • Sicht- oder tastbare Vorwölbung im Bereich der Operationsnarbe
    • Spannungsgefühl oder ziehender Schmerz in der Bauchregion, insbesondere bei körperlicher Belastung
  • Fortgeschrittene Symptome
    • Schmerzen in Ruhephasen oder bei Belastung
    • Bei Einklemmungen (Inkarzeration): starke Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Rötung und Schwellung der Bruchstelle

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Narbenhernie ist eine häufige Komplikation nach abdominalen Eingriffen und tritt in etwa 20 % der Fälle auf. Die Hauptursache ist eine verminderte Stabilität der Narbe aufgrund von Wundheilungsstörungen und gestörtem Kollagenmetabolismus. Druckspitzen im Bauchraum durch Husten, Obstipation oder schweres Heben belasten das Narbengewebe zusätzlich. Ein gutes Verständnis der Pathogenese unterstützt die Auswahl präventiver Maßnahmen und operativer Techniken zur Verringerung des Rezidivrisikos und zur Förderung der Stabilität der Bauchwand.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Hereditäre (erbliche) Kollagenerkrankungen:
    • Ehlers-Danlos-Syndrom ‒ Gruppe von genetischen Bindegewebserkrankungen, die gekennzeichnet sind durch eine erhöhte Elastizität der Haut und ungewöhnliche Zerreißbarkeit derselbigen.
    • Osteogenesis imperfecta (OI) – Erkrankung des Bindegewebes, die sich durch eine unvollständige Knochenbildung mit erhöhter Knochenbrüchigkeit auszeichnet
    • Cutis laxa (Cutis-Laxa-Syndrom) – vererbbar angeborene oder erworbene Erkrankung des Bindegewebes mit faltiger, hängender und schlaffer unelastischer Haut
  • Geschlecht – männliches Geschlecht?
  • Lebensalter > 45 Jahre

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mangelernährung und Untergewicht – Ein schlechter Ernährungszustand kann die Wundheilung beeinträchtigen und die Stabilität der Bauchwand reduzieren.
    • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) – Führt zu erhöhtem intraabdominalen Druck, der die Naht belastet und das Risiko für eine Hernie erhöht.
    • Unzureichende Eiweißaufnahme – Reduziert die Kollagenbildung, die für die Stabilität der Narbe essenziell ist.
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen) – Beeinträchtigt die Durchblutung und den Heilungsprozess, erhöht das Risiko für Wundheilungsstörungen und Narbenbrüche.
  • Körperliche Aktivität
    • Schwere körperliche Arbeit – Erhöht den intraabdominalen Druck und kann die Naht übermäßig belasten.
    • Frühes Wiederaufnehmen schwerer körperlicher Tätigkeiten – Kann die Wundheilung beeinträchtigen und zu einer Hernienbildung führen.
  • Hygienemaßnahmen
    • Mangelhafte Wundhygiene – Kann Infektionen fördern, die die Wundheilung stören und eine Hernie begünstigen.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Aszites* (Bauchwassersucht)
  • Chronischer Husten – z. B. wg. Asthma bronchiale, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)
  • Chronische Obstipation* (Verstopfung)
  • Trauma (Verletzung)
  • Tumoren im Bauchraum*

*Wg. Erhöhung des intraabdominellen Drucks

Medikamente (Störung der Wundheilung)

  • ACE-Inhibitoren (ACE-Hemmer)
  • Hormone
    • Glucocorticoide (Alclometason, Budenonsid, Dexamethason, Fluticason, Halometason, Hydrocortison, Mometason, Prednicarbat, Prednisolon, Triamcinolon)
  • Immunsuppressiva
  • Nicht-steroidale antiinflammatorische Substanzen (NSAID)
  • Zytostatika 

Operationen

  • Abdominelle Operation/Bauchoperation (Laparotomie/Laparoskopien)

Weitere Ursachen

  • Bindegewebsschwäche
  • Schwangerschaft

Literatur

  1. Birk DE, Mayne R: Localization of collagen types I, III and V during tendon development. Changes in collagen types I and III are correlated with changes in fibril diameter. Eur J Cell Biol 1997; 72: 352-61.
  2. Junge K, Klinge U, Klosterhalfen B, Mertens PR, Rosch R, Schachtrupp A et al.: Influence of mesh materials on collagen deposition in a rat model. J Invest Surg 2002; 15: 319-28.