Mundfäule (Gingivostomatitis herpetica) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Das Herpes simplex-Virus Typ 1 (HSV-1), das typischerweise für Infektionen im orofazialen Bereich (Mund- und Gesichtsbereich) verantwortlich ist, zeigt eine komplexe Pathogenese, die durch akute und latente Infektionsphasen gekennzeichnet ist. Nach dem Erstkontakt mit den Schleimhautzellen dringt das Virus in die epithelialen Zellen (Oberflächenzellen der Haut und Schleimhäute) ein und repliziert sich lokal, was zur primären Infektion und den typischen Läsionen (Schädigungen des Gewebes) führt. Die häufigste Manifestation ist hierbei der Herpes labialis (Lippenherpes).

Ausbreitung und Latenz

Nach der Primärinfektion breitet sich HSV-1 über die peripheren Nervenfasern aus, indem es retrograd (gegen die Flussrichtung des Nervs) in die Nervenzellfortsätze (Axone) eindringt. Dabei gelangt das Virus in das Ganglion trigeminale (Ansammlung von Nervenzellkörpern des Trigeminusnervs im Gesicht), in dem es eine latente Infektion etabliert. Das Ganglion trigeminale ist ein Teil des peripheren Nervensystems, das die Empfindungen von Gesicht, Augen, Stirn und Kopfhaut verarbeitet.

In der Latenzphase bleibt das virale Genom in einer stabilen Form innerhalb der Nervenzellen erhalten, ohne neue Viruspartikel zu produzieren. Diese Ruhephase kann lebenslang bestehen und wird durch verschiedene molekulare Mechanismen, wie die Expression spezifischer latenter viraler RNA-Moleküle (LATs), aufrechterhalten. Diese LATs verhindern eine volle Aktivierung der viralen Replikation und unterdrücken die Immunantwort, wodurch das Virus vor einer Eliminierung durch das Immunsystem geschützt wird.

Reaktivierung und Rezidive

Verschiedene endogene (innere) und exogene (äußere) Stressfaktoren können zu einer Reaktivierung des latenten Virus führen. Typische Trigger umfassen:

  • Physischer oder psychischer Stress (z. B. Angst, intensive Sonneneinstrahlung)
  • Immunsuppression (Abwehrschwäche durch Medikamente oder Krankheiten)
  • Hormonschwankungen (z. B. während des Menstruationszyklus)
  • Infektionen (z. B. Fieber)
  • Traumatische Reize (z. B. Operationen im Bereich des Gesichts)

Bei der Reaktivierung wird das Virus aus dem Ganglion trigeminale entlang der Nervenfasern wieder in die Schleimhautzellen transportiert und repliziert sich dort erneut. Dies führt zur Entstehung der charakteristischen Herpesläsionen (Bläschen und Ulzera) auf der Haut oder Schleimhaut, die als Rezidiv (Wiederauftreten der Krankheit) bezeichnet wird. In dieser Phase wird das Virus auch wieder infektiös und kann durch direkten Kontakt übertragen werden.

Immunantwort und klinische Manifestation

Während der Primär- und Rezidivphasen wird eine spezifische Immunantwort aktiviert. Lokale Immunzellen wie Makrophagen (Fresszellen) und Langerhans-Zellen (spezialisierte Immunzellen der Haut) erkennen die viralen Partikel und setzen proinflammatorische Zytokine (entzündungsfördernde Botenstoffe) frei, die zur lokalen Entzündung führen. Diese Immunreaktion ist für die klassischen Symptome wie Rötung, Schwellung, Schmerz und Bläschenbildung verantwortlich.

Bei Immunkompetenten (Personen mit funktionierendem Immunsystem) bleibt die Infektion häufig lokal begrenzt. Bei immunsupprimierten Patienten (Personen mit abgeschwächter Abwehrfunktion) kann es jedoch zu schwerwiegenden Komplikationen kommen, einschließlich der Ausbreitung auf andere Organe, z. B. in Form einer Herpesenzephalitis (Entzündung des Gehirns durch das Herpesvirus).

Zusammenfassung

Die Pathogenese von HSV-1-Infektionen ist durch eine Wechselwirkung zwischen viraler Latenz in den Nervenzellen und periodischen Reaktivierungen geprägt. Nach der Infektion der Schleimhautzellen migriert das Virus in die Nervenzellen und persistiert dort lebenslang in einer latenten Form. Verschiedene Stressfaktoren können das Virus reaktivieren, was zu wiederkehrenden Infektionen führt. Die genaue Steuerung dieses Reaktivierungsprozesses und die individuellen Unterschiede bei den Betroffenen sind Gegenstand aktueller Forschungen.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Kontaktübertragung
    • Enger körperlicher Kontakt – Direkter Haut- und Schleimhautkontakt, insbesondere mit infizierten Personen, kann das Risiko einer Primärinfektion erhöhen.
    • Sexueller Kontakt – Oraler Kontakt mit infizierten Partnern (z. B. durch Küssen) kann zur Übertragung des Virus führen.
  • Hygiene
    • Unzureichende Handhygiene – Berührung der Schleimhäute nach Kontakt mit kontaminierten Oberflächen oder infizierten Personen kann die Übertragung erleichtern.
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress – Stress schwächt das Immunsystem und erhöht das Risiko für eine Reaktivierung des Virus.
    • Schlafmangel – Unzureichender Schlaf beeinträchtigt die Immunabwehr und kann ebenfalls eine Reaktivierung begünstigen.
  • Exposition
    • UV-Strahlung – Intensive Sonneneinstrahlung kann eine Reaktivierung des Virus auslösen.
    • Mechanische Reizung – Verletzungen oder Irritationen der Mundschleimhaut können die Virusreaktivierung begünstigen.

Folgende Faktoren können eine Reaktivierung begünstigen:

Biographische Ursachen

  • Hormonelle Veränderungen – wie die Menstruation (Regelblutung)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Psycho-soziale Situation
    • Stress (wg. Schwächung des Immunsystems)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Fieberhafte Infekte
  • Haut-/Schleimhautverletzungen
  • Immunschwäche
  • Traumatische Reize (z. B. Operationen im Bereich des Gesichts)