Morbus Whipple – Einleitung

Morbus Whipple, auch bekannt als Whipple-Krankheit, ist eine seltene, chronische Infektionserkrankung, die durch das grampositive Bakterium Tropheryma whipplei verursacht wird. Die Erkrankung betrifft primär den Dünndarm, kann aber auch multisystemisch verlaufen, wobei verschiedene Organsysteme wie Herz, Gelenke, zentrales Nervensystem (ZNS) und Lunge betroffen sein können.

Synonyme und ICD-10: Intestinale Lipodystrophie; Lipodystrophia intestinalis; engl.: Whipple's disease; ICD-10-GM K90.8: Sonstige intestinale Malabsorption

Charakteristische Laborbefunde

  • PAS-positive Makrophagen in der Dünndarmbiopsie: Das typische histologische Merkmal bei Morbus Whipple ist die Ansammlung von Makrophagen, die in der Periodic Acid-Schiff (PAS)-Färbung positiv erscheinen.
  • Erhöhte Entzündungsmarker: Häufig ist eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) oder ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) nachweisbar.
  • Hypoalbuminämie: Reduzierte Serumalbuminwerte, oft durch die malabsorptive Komponente (reduzierte Verdauungsarbeit) der Erkrankung bedingt.
  • Anämie: Normochrome, normozytäre Anämie (Blutarmut) kann aufgrund chronischer Entzündung und Malabsorption vorliegen.
  • PCR-Nachweis von Tropheryma whipplei: Bestätigung der Diagnose durch den Nachweis des Erregers in Darmbiopsien oder anderen betroffenen Geweben mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR).

Formen der Erkrankung

  • Intestinale Form: Primärbefall des Dünndarms mit Malabsorption, Diarrhoe (Durchfall) und Steatorrhoe (Fettstuhl).
  • Multisystemische Form: Befall zusätzlicher Organsysteme wie ZNS (Neurologische Symptome, Demenz), Gelenke (Arthritis/Gelenkentzündung, Sakroiliitis/entzündliche Erkrankung der Iliosakralgelenke zwischen Kreuzbein (Os sacrum) und Darmbein (Os ilium)), Herz (Endokarditis/Herzinnenhautentzündung) und Lunge.

Ursachen

  • Infektion mit Tropheryma whipplei: Der Erreger findet sich in verschiedenen Umweltreservoirs, darunter Abwässer. Eine asymptomatische Kolonisation des Darms ist möglich, die in seltenen Fällen zur Erkrankung führen kann.

Differentialdiagnosen

  • Zöliakie: Auch eine Ursache für Malabsorption, jedoch serologisch und histologisch unterscheidbar.
  • Morbus Crohn: Chronische entzündliche Darmerkrankung mit ähnlicher Symptomatik, jedoch ohne Nachweis von Tropheryma whipplei und typische Granulome in der Histologie.
  • Infektiöse Endokarditis: Bei kardiovaskulärer Beteiligung sollte eine Differenzierung erfolgen.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen, das Verhältnis beträgt etwa 3:1.

Häufigkeitsgipfel
: Die Erkrankung tritt vorwiegend im mittleren bis höheren Erwachsenenalter auf, typischerweise zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Weniger als 1 Fall pro 1 Million Einwohner pro Jahr in Mitteleuropa.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Genaue Daten fehlen, jedoch ist die Erkrankung extrem selten.

Infektionsepidemiologie

Erreger: Tropheryma whipplei, ein grampositives Stäbchenbakterium aus der Gruppe der Actinomyceten.

Erregerreservoir
: Der genaue Ursprung des Erregers ist noch nicht vollständig geklärt. Tropheryma whipplei wurde jedoch in Abwässern und Umweltproben nachgewiesen, was auf ein mögliches Umweltreservoir hinweist.

Vorkommen
: Morbus Whipple tritt weltweit sehr selten auf. In Mitteleuropa liegt die Inzidenz bei weniger als 1 Fall pro 1 Million Einwohner pro Jahr.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung
: Eine direkte Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist bisher nicht nachgewiesen. Es wird angenommen, dass die Infektion über Umweltreservoirs erfolgt.

Kontagiosität
(Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Die Ansteckungskraft von Tropheryma whipplei wird als gering eingeschätzt, da die Erkrankung extrem selten ist und keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung bekannt ist.

Übertragungsweg
: Der genaue Übertragungsweg ist nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass die Infektion über kontaminierte Umweltquellen (z. B. Abwässer) erfolgt.

Eintrittspforte
: Die Eintrittspforte für Tropheryma whipplei könnte der Magen-Darm-Trakt sein, da die primären Symptome häufig im Dünndarm auftreten.

Inkubationszeit
(Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): Die Inkubationszeit ist unklar, da die Erkrankung oft erst Jahre nach einer möglichen Exposition diagnostiziert wird.

Krankheitsdauer
: Morbus Whipple ist eine chronische Erkrankung, die ohne Behandlung über Jahre hinweg persistieren kann. Die Symptome können jedoch nach erfolgreicher Therapie deutlich zurückgehen.

Dauer der Infektiosität
: Da Tropheryma whipplei keine direkte Mensch-zu-Mensch-Übertragung zeigt, gibt es keine klassische Infektiosität im epidemiologischen Sinne.

Seroprävalenz
(Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Serologische Tests für Tropheryma whipplei sind noch nicht standardisiert und werden nicht routinemäßig durchgeführt. Eine asymptomatische Kolonisation des Darms ist bei einem kleinen Prozentsatz der Bevölkerung möglich, jedoch ohne Krankheitsmanifestation.

Erregerspezifische Immunität
: Es gibt keine Hinweise darauf, dass eine durchgemachte Infektion mit Tropheryma whipplei eine langfristige Immunität verleiht. Rezidive (Wiederauftreten der Erkrankung) nach initialer Behandlung sind möglich.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Initialsymptome: Häufig beginnen die Symptome unspezifisch mit Arthralgien (Gelenkschmerzen), insbesondere Oligoarthritis (Gelenkentzündung (Arthritis) in weniger als 5 Gelenken) oder Sakroiliitis (entzündliche Erkrankung der Iliosakralgelenke zwischen Kreuzbein (Os sacrum) und Darmbein (Os ilium)), die den gastrointestinalen Symptomen um Jahre vorausgehen können.
  • Gastrointestinale Manifestationen: Chronische Diarrhoe, Steatorrhoe, Bauchschmerzen und Gewichtsverlust treten häufig auf.
  • Multisystemischer Befall: Im Verlauf können zusätzliche Organsysteme betroffen sein, was die Prognose deutlich verschlechtern kann.

Prognose

  • Eradikation (Keimeliminierung): Eine frühzeitige Diagnose und antibiotische Behandlung sind entscheidend, um eine Eradikation des Erregers und damit eine Heilung zu erzielen.
  • Rezidive: Trotz erfolgreicher Therapie kann die Krankheit rezidivierend auftreten, weshalb langfristige Nachkontrollen notwendig sind.
  • Unbehandelt letal: Ohne Therapie verläuft die Erkrankung tödlich.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. (AWMF-Registernummer: 021-024), Januar 2015 Langfassung