Morbus Crohn – Folgeerkrankungen
Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch Morbus Crohn mit bedingt sein können:
Atmungssystem (J00-J99)
- Fibrosierende Alveolitis – Erkrankung des Lungengewebes und der Lungenbläschen (Alveolen)
- Interstitielle Lungenerkrankungen – Auslösung durch Immunsuppressiva oder therapeutische Antikörper
Augen und Augenanhangsgebilde (H00-H59)
- Episcleritis – Entzündung des Bindegewebes zwischen Lederhaut und Bindehaut des Auges
- Iridozyklitis – Entzündung von Regenbogenhaut (Iris) und Ziliarkörper
- Uveitis – Entzündung der mittleren Augenhaut, die aus der Aderhaut (Choroidea), dem Strahlenkörper (Corpus ciliare) und der Regenbogenhaut (Iris) besteht
- Skleritis – Entzündung der Lederhaut (Sklera) des Auges
Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)
- Anämie (Eisenmangel/Eisenmangelanämie und/oder Anämie durch B12-Mangel; häufigste Manifestation); Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): 53 %
- Autoimmunhämolytische Anämie – Blutarmut infolge einer Zersetzung der roten Blutkörperchen durch Autoantikörper
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Amyloidose – extrazelluläre ("außerhalb der Zelle") Ablagerungen von Amyloiden (abbauresistente Proteine), die u. a. zu einer Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung), Neuropathie (Erkrankung des peripheren Nervensystems) und Hepatomegalie (Lebervergrößerung) führen können.
- Hyperoxalurie – zu hoher Blutoxalatspiegel mit der möglichen Folge von Harnsteinen
- Kachexie – extreme Abmagerung
Haut und Unterhaut (L00-L99)
- Erythema nodosum (Synonyme: Knotenrose, Dermatitis contusiformis, Erythema contusiforme; Plural: Erythemata nodosa) – granulomatöse Entzündung der Subkutis (Unterhautfettgewebe), die auch als Pannikulitis bezeichnet wird, und eine schmerzhafte Knötchenbildung (rote bis blaurote Farbe; später bräunlich). Die darüber liegende Haut ist gerötet. Lokalisation: beide Unterschenkelstreckseiten, am Knie und den Sprunggelenken; seltener an den Armen oder dem Gesäß
- Psoriasis – Auswertung erfolgte nach der Methode der Mendel'schen Randomisierung auf Grundlage von genetischen Informationen, die auf eine ganz charakteristische Weise mit beiden Erkrankungen zusammenhängen.
Ergebnis: Eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED; hier: insb. Morbus Crohn) erhöht das Risiko, dass später auch eine Schuppenflechte mit oder ohne Gelenkentzündung auftritt [10]. - Psoriasisforme Erscheinungen (therapieinduziert)
- Pyoderma gangraenosum (PG; Synonym: Dermatitis ulcerosa) – sterile, destruierende, neutrophilenreiche und schmerzhafte Entzündung der Haut, bei der es großflächig, in der Regel an einer Stelle, zu einer Ulzeration (Geschwürbildung) und zu einem Gangrän (Gewebsuntergang aufgrund einer Ischämie oder sonstiger Schädigung) kommt.
Beachte: Bei einer Pyoderma gangraenosum wird in bis zu 50 Prozent der Fälle eine Assoziation mit einer Systemerkrankung beobachtet (chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED), Paraproteinämien, myeloproliferative und rheumatologische Erkrankungen). - Zinkmangeldermatitis
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Perimyokarditis (Herzmuskelentzündung)
- Thrombosen
- Tiefe Venenthrombose (TVT; Patienten < 40 Jahre haben ein zweieinhalbfach erhöhtes Risiko) → Lungenembolie
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)
- Cholangitis (Gallengangsentzündung)
- Cholelithiasis (Gallensteine)
- Chologene Diarrhoe (gallensäurebedingter Durchfall) – verursacht durch Gallensäuren, die durch Wegfall des Ileums nicht mehr resorbiert werden; diese führen zur Motilitätssteigerung im Kolon (Dickdarm) und hemmen zugleich die Flüssigkeits- und Elektrolytresorption [bei Zustand nach Ileumresektion/operative Entfernung von Teilen des Dünndarms]
- Gallensäureverlust-Syndrom (Erkrankung, bei der es zu einem funktionell relevanten Mangel an Gallensäuren kommt Leitsymptome: chologene Diarrhoe (gallensäurebedingter Durchfall), Steatorrhoe (Fettstuhl); Folgeerkrankungen; Maldigestion (unzureichenden Aufspaltung der Nahrungsbestandteile), ggf. auch Cholesteringallen- und Oxalat-Nierensteine) [bei Zustand nach Ileumresektion/operative Entfernung von Teilen des Dünndarms]
- Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
- Steatosis hepatis (Fettleber)
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Anorektale Fisteln – röhrenförmige, vom After ausgehende Gänge, die im allgemeinen nicht spontan zur Abheilung kommen
- Abszessbildung
- Dysbiose (Gleichgewichtsstörung der Darmflora)
- Fisteln (röhrenförmige Verbindungsgänge zwischen Organen) – zu anderen Darmschlingen (enteroenteral; enterokolisch), Vagina (rektovaginal), Blase (rektovesikal) und zur Haut (enterokutan) sowie perianal ("rund um den Anus herum")
- Intestinale Blutungen (Darmblutungen)
- Intestinale Stenosen (Darmverengungen) → Subileus bzw. Ileus (Darmverschluss)
- Kurzdarmsyndrom (s. u. Dünndarmresektion/Dünndarmteilentfernung)
- Malabsorptionssyndrom (siehe unten "Unzureichende Deckung des Energie- und Vitalstoffbedarfs (Mikronährstoffe)")
- Mechanischer Ileus (Darmverschluss durch Darmstenosen)
- Perforation des Darms
- Perianale Fistel/Fisteln (perianal = "rund um den Anus herum"; Fistel = nicht natürliche Verbindung zwischen einem Hohlorgan und anderen Organen oder der Hautoberfläche) (kumulativ 20 % der Patienten mit Morbus Crohn nach 10 Jahren Krankheitsdauer; nach 20 Jahren ca. 30 %) – Goldstandard der Diagnostik von perianalen Fisteln bei Morbus Crohn ist die Kernspintomographie des kleinen Beckens (Fistel-MRT des kleinen Beckens).
- Toxisches Megakolon – durch Toxine bedingte Lähmung und massive Dilatation des Kolons (Weitstellung des Dickdarms;> 6 cm), welche mit akutem Abdomen (stärkste Bauchschmerzen), Erbrechen, klinischen Zeichen des Schocks und Sepsis (Blutvergiftung) einhergeht; Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der an der Krankheit Erkrankten) beträgt ca. 30 %
Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)
- Arthralgie (Gelenkschmerzen)
- Arthritis (Gelenkentzündung): Poly-/Monoarhtitis
- Osteoporose (Knochenschwund) oder Osteopenie (Minderung der Knochendichte) – infolge der Malabsorption und/oder Corticoidtherapie
- Sakroiliitis – entzündlich Veränderung der unteren Wirbelsäule (Gelenke zwischen Kreuzbein und Darmbein, Iliosakralgelenke)
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Dünndarmtumoren – Adenokarzinome mit Strikturen (14,7 pro 100.000 Personenjahre) [9]
- Kolonkarzinom (Darmkrebs)
- seltener als bei Colitis ulcerosa; Karzinomrisiko um das 1,9-fache erhöht)
- Kolonkarzinomrisiko ist gegenüber Patienten ohne chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) um 40 % erhöht; Risiko für einen Kolonkarzinom-bedingten Tod ist um ca. 70 % erhöht [7]
- Prostatakarzinom (Männer mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) haben nach 10 Jahren ein 4,84-fach höheres Risiko) [6]
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Angststörungen
- Depression
- Fatigue – Müdigkeit bzw. erhöhte Ruhebedürfnis und Einschränkung der Leistungsfähigkeit
- Sexuelle Dysfunktion/sexuelle Funktionsstörung [8]
Symptome und abnorme klinische und Laborparameter, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Kachexie (Auszehrung; sehr starke Abmagerung)
Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)
- Chronische Nierenkrankheit (CKD; chronische Niereninsuffizienz) – in den folgenden 10 Jahren Entwicklung einer CKD mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 10 % [11].
- Nephrolithiasis (Nierensteine)
- Zystitiden und Pyelonephritiden (Harnwegsinfektionen)
Weitere Folgen
Enterales Eiweißverlustsyndrom
Die Beeinträchtigung der Darmschleimhaut führt zu einem vermehrten intestinalen Proteinverlust (Eiweißverlust), da der Austritt von Plasmaproteinen durch die Darmschleimhaut ins Darminnere die Syntheserate der Proteine überschreitet. Die Abnahme der zirkulierenden Plasmaproteine geht meist mit einer schwer wiegenden Mangelversorgung mit Protein einher [2].
Der krankhafte Eiweißverlust kann durch eine gleichzeitig hohe Fettzufuhr über die Nahrung gefördert werden. Bei der Resorption langkettiger Fettsäuren wird der Lymphdruck gesteigert und es treten hohe Mengen an Lymphflüssigkeit ins Darminnere über. Infolge einer erhöhten Lymphkonzentrationen kommt es zu einem hohen enteralen Eiweißverlust und schließlich zu einer Abnahme der Plasmaproteine [2].
Der erhöhte intestinale Eiweißverlust führt letztlich zur einer Verringerung des onkotischen Drucks und somit – je nach Ausmaß der verminderten Konzentration der Plasmaproteine – Hypoproteinämie – zur Ausbildung von Ödemen [2].
Unzureichende Deckung des Energie- und Vitalstoffbedarfs (Mikronährstoffe)
Personen, die an Morbus Crohn erkranken, sind durch die gestörte Resorptionsfunktion und die hohen Wasser- und Vitalstoffverluste (Mikronährstoffe) über den Stuhl oftmals mit Energie und essentiellen Nähr- und Vitalstoffe (Makro- und Mikronährstoffe) unterversorgt. Insbesondere weisen Betroffene mit infektiösen Komplikationen und Abszessbildung einen gesteigerten Energiebedarf auf.
Die Mangelversorgung an Energie und wichtigen Nähr- und Vitalstoffe (Makro- und Mikronährstoffe) bei Morbus Crohn-Kranken ist häufig Folge von:
- Einer erhöhten Ausscheidung mit dem Stuhl – chologene Diarrhoe, chologener Fettstuhl –, die zu hohen Verlusten von Makro- und Mikronährstoffen (Vitalstoffen) führt
- Einer gestörten Resorption beziehungsweise einer verminderten Resorptionsfläche – neben ausgedehntem Bakterienbefall im Darminneren auch nach Resektion von Teilen des Dünndarms
- Eines erhöhten Energiebedarfs bei Operationen sowie Blutvergiftung [1]
- Eines Gallensäureverlustes
- Eines vermehrten intestinalen Proteinverlustes – enterales Eiweißverlustsyndrom
- Eingeschränkte Diätempfehlungen
- Einseitiger Ernährung – erhöhter Gebrauch von raffinierten Kohlenhydraten, wie weißer Zucker (Saccharose), Weißmehlprodukte; geringer
- Ballaststoffverzehr; hoher Konsum chemisch aufbereiteter Speisefette
- Enteralen Fisteln, Abszesse, Fissuren sowie Stenosen
- Gravierenden Störungen im Proteinstoffwechsel mit Verminderung des Gesamtproteins im Blut (Hypalbuminämie) – wird der Normalwert von Albumin im Blut von 3,6-5,0 g/dl unterschritten, vermindert sich der onkotische Druck und es kommt zur Ödembildung; zudem wird die Transportkapazität des Blutes aufgrund des Mangels an Transportplasmaproteinen, wie Transferrin, reduziert, wodurch der Organismus nur unzureichend mit lebenswichtigen Vitalstoffen (z.B. Eisen) versorgt werden kann
- Nahrungsmittelintoleranzen, die mit Störungen der Makro- und Mikronährstoffresorption einhergehen
- Nebenwirkungen von Medikamenten
- Negativen Stickstoffbilanz infolge des Proteinmangels im Körper – körpereigenes proteinreiches Gewebe, wie das Muskelgewebe, wird verstärkt abgebaut und der dabei anfallende Stickstoff ausgeschieden, sodass mehr Stickstoff ausgeschieden als aufgenommen wird
- Ungenügender Zufuhr mit der Nahrung – Appetitmangel
- Wenig abwechslungsreiche Ernährung mit Defiziten an Energie, Nähr- und Vitalstoffen – aus Angst vor Unverträglichkeiten mit darauf folgender Symptomatik – unter anderem Schmerzen, Erbrechen, Diarrhöen
Crohn-Kranke haben häufig einen erhöhten Bedarf [2] an:
- Vitamin A, D, E, K
- Beta-Carotin
- Vitamin C
- Vitamin B2, B3, B6, B9, B12
- Calcium
- Magnesium
- Phosphor
- Kalium
- Natriumchlorid
- Eisen
- Zink
- Selen
- Kupfer
- Mangan
- Molybdän
- Sekundären Pflanzenstoffe, wie Carotinoide, Saponine, Sulfide und Polyphenole
- Essentiellen Fettsäuren, wie Omega-3- und -6-Fettsäuren
- Protein und wichtigen Aminosäuren
- Ballaststoffen
- Wasser
Beim aktiven Morbus Crohn werden häufig unter der Norm liegende Serumkonzentrationen von unter anderem Zink, Selen und Vitamin D beobachtet [5.1.].
Da Vitamin D oftmals in zu geringfügigen Mengen über die Nahrung aufgenommen wird – geringer Verzehr von Fisch, wie Aal und Hering – und die Sonnenlichtexposition vor allem während der Wintermonate gering ist, wird eine Vitamin D-Supplementation empfohlen [2].
Zudem tragen ständig wässrige Durchfälle zu den Vitalstoffdefizite (Mikronährstoffe) bei. Der vermehrte Verlust mit dem Stuhl erhöht den Bedarf an wasserlöslichen Vitaminen – Vitamin C, B-Vitamine – und an Elektrolyten, wie Calcium, Magnesium, Kalium sowie Natrium [3].
Prognosefaktoren
- Rauchen wirkt sich ungünstig auf den Verlauf von Morbus Crohn aus [5].
- Adipositas – Marker für einen weniger schweren Krankheitsverlauf [4]
Literatur
- Biesalski HK, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Pölert W, Puchstein Ch, Stähelin HB: Ernährungsmedizin. Kapitel 27, 342-374, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1999
- Kasper H: Ernährungsmedizin und Diätetik. Kapitel 3, 145-171, Urban & Fischer Verlag; München/Jena 2000
- Schmidt E, Schmidt N: Leitfaden Mikronährstoffe. Kapitel 5, 500-512, Urban & Fischer Verlag; München, Februar 2004
- Flores A, Burstein E, Cipher DJ, Feagins LA: Obesity in Inflammatory Bowel Disease: A Marker of Less Severe Disease. Dig Dis Sci. 2015 Mar 24.
- Lunney PC et al.: Smoking prevalence and its influence on disease course and surgery in Crohn's disease and ulcerative colitis: DOI: 10.1111/apt.13239
- Burns JA et al.: Inflammatory Bowel Disease and the Risk of Prostate Cancer. European Urology XXX (2018) doi: https://doi.org/10.1016/j.eururo.2018.11.039
- Olén O et al. Colorectal cancer in Crohn’s disease: a Scandinavian population-based cohort study. Lancet Gastroenterol Hepatol 2020; https://doi.org/10.1016/S2468-1253(20)30005-4
- Leenhardt R et al.: Sexual health and fertility for individuals with inflammatory bowel disease. World J Gastroenterol. 2019;25(36):5423-33. doi: 10.3748/wjg.v25.i36.5423
- Yu J et al.: Inflammatory bowel disease and risk of adenocarcinoma and neuroendocrine tumors in the small bowel. Ann Oncol 2022; https://doi.org/10.1016/j.annonc.2022.02.226
- Freuer D et al. Association Between Inflammatory Bowel Disease and Both Psoriasis and Psoriatic Arthritis A Bidirectional 2-Sample Mendelian Randomization Study JAMA Dermatol. Published online September 14, 2022. doi:10.1001/jamadermatol.2022.3682
- Yang Y et al.: OP07 Absolute and relative risks of kidney and urological complications in patients with Inflammatory Bowel Disease Journal of Crohn's and Colitis 2023;17(1):i12-i13 https://doi.org/10.1093/ecco-jcc/jjac190.0007