Dünndarmteilentfernung (Dünndarmresektion) – Ernährungstherapie
Adaption des Restdarms
Nach der operativen Entfernung von Dünndarmabschnitten setzt rasch die Adaption des Restdarms ein. Diese Anpassungsprozesse sind von erheblicher Bedeutung, da der verbleibende Darm die Funktionen des entfernten Segments übernehmen muss [5]. Während der Adaption kommt es durch verstärkte Nutzung des Restdarms zur Vermehrung und zum Wachstum der Zellen der Dünndarmschleimhaut, was zu einer Vergrößerung der Zotten und Krypten sowie zu einer gesteigerten Enzymaktivität führt. Dadurch verbessert sich die Resorptionskapazität im Restdarm [5].
Phasen der postoperativen Adaption
- Phase der Hypersekretion: Unmittelbar nach der operativen Entfernung treten 1-4 Wochen andauernde, massive Durchfälle auf, die mit erheblichen Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten einhergehen. In dieser Zeit müssen Patienten parenteral (über einen Venenzugang) mit Flüssigkeit, Nähr- und Vitalstoffen versorgt und ihre Serumelektrolytkonzentrationen ständig kontrolliert werden. Eine unzureichende parenterale Ernährung kann schnell zu Energie-, Nähr- und Vitalstoff-Mangelzuständen führen [5].
- Phase der Adaption: Die Durchfälle und damit auch die hohen Flüssigkeits- sowie Elektrolytverluste nehmen langsam ab. Diese Phase dauert bis maximal 12 Monate. Je nach Ausmaß der Anpassung kann mit flüssiger Nahrung oder über eine Magensonde (enteral) begonnen werden. Patienten mit bereits guter Adaption können oral ernährt werden. Die orale Zufuhr der Nahrung ist zur Stimulation der Adaption des Restdarms notwendig [5].
- Phase der Stabilisation: Die maximale Adaption wird erreicht, und es kommt zu einem deutlichen Rückgang der Diarrhöe (Durchfall) und Steatorrhoe (Fettstuhl). Die Stabilisation tritt normalerweise 3-12 Monate nach der Resektion ein, kann aber auch mehrere Jahre dauern. In dieser Phase kann eine alleinige enterale oder orale Ernährung erreicht werden, wobei in einigen Fällen eine lebenslange parenterale Ernährung notwendig ist [5].
In der Regel sollte die parenterale Ernährung in der unmittelbaren postoperativen Phase so schnell wie möglich durch orale Ernährung ergänzt werden.
Mikronährstoffmedizin nach Dünndarmresektion
Nach einer Dünndarmresektion ist eine gezielte Mikronährstoffversorgung essenziell, um eine optimale Versorgung des Körpers sicherzustellen und den Adaptationsprozess des verbliebenen Dünndarms zu fördern. Hierzu zählen:
- Wasser – Ein gesteigerter Flüssigkeitsbedarf ist nötig, da der Dünndarm eine geringere Flüssigkeitsaufnahme aufweist, was zu einem erhöhten Risiko für Dehydratation führt.
- Vitamine – Besonders fettlösliche Vitamine (A, D, E und K) sowie die wasserlöslichen Vitamine B12 und Folat sind kritisch, da sie im Darm schwerer aufgenommen werden.
- Mineralstoffe – Calcium, Magnesium und Phosphat sind häufig betroffen und benötigen eine erhöhte Zufuhr, da ihre Absorption im Dünndarm erfolgt und die Resektion zu Mangelerscheinungen führen kann.
- Spurenelemente – Zink, Eisen und Selen sind essenziell, um Immunfunktion und Wundheilung zu unterstützen. Sie sind oft vermindert verfügbar und sollten daher regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf supplementiert werden.
Die fortlaufende orale Nahrungsaufnahme spielt hierbei eine zentrale Rolle, da sie die funktionelle Anpassung (Adaption) des Restdarms an die veränderten anatomischen und physiologischen Bedingungen stimuliert [5].
Sobald die Adaptation des verbliebenen Darms erfolgreich verläuft und die orale Versorgung den Bedarf an Energie, Nähr- und Vitalstoffen weitgehend deckt, kann die parenterale Ernährung schrittweise reduziert werden, um eine autarke Nährstoffaufnahme zu fördern [5].
Die zusätzliche Gabe von Glutamin zeigt positive Effekte auf den Adaptionsprozess: Glutamin ist eine Schlüsselkomponente im Energiestoffwechsel der Dünndarmschleimhaut und unterstützt die Zellaktivität des Darms. Diese Aminosäure verbessert die Resorptionskapazität des Darms für Nähr- und Vitalstoffe und trägt so maßgeblich zur Sicherstellung der Nährstoffversorgung bei [5].
Durch eine gezielte Anpassung der Mikronährstoffversorgung, insbesondere der bedarfsgerechten Glutaminergänzung, kann der Regenerations- und Anpassungsprozess nach einer Dünndarmresektion positiv beeinflusst werden.
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Bedeutung der Wachstumsfaktoren
Eine parenterale Ernährung oder eine Ernährung mit chemisch definierten Formeldiäten verzögert den Vorgang der Adaption [5]. Deshalb sollten gleichzeitig zur parenteralen oder enteralen Ernährung intakte Eiweiße wie der Epidermal Growth Factor, Neurotensin und der Insulin-like Growth Factor sowie langkettige Fettsäuren verabreicht werden. Diese Wachstumsfaktoren fördern das Zellwachstum in der Darmschleimhaut, erhöhen die Schleimhautdichte und verbessern die Nähr- und Vitalstoffresorption [5].
Ernährungsmedizinische Empfehlungen
Das therapeutische Vorgehen wird sowohl vom Ort und Ausmaß des Verlustes der Resorptionsfläche als auch vom zeitlichen Abstand nach der Operation bestimmt.
Ab einer Restlänge des Dünndarms von 60-80 cm
Nach der Operation sollte so früh wie möglich mit der oralen Ernährung (leichte Vollkost) begonnen werden. Die leichte Vollkost besteht aus leicht verdaulichen Lebensmitteln mit hohem Vitalstoff- und Energiegehalt. Lebensmittel und Zubereitungsverfahren, die häufig zu Unverträglichkeitserscheinungen führen, sollten gemieden werden. Das Ziel ist es, schnell die maximale Adaption des Restdarms zu erreichen, um den Verlust der Resorptionsfähigkeit zu kompensieren. Eine komplex zusammengesetzte Nahrung führt zu einer besseren Adaption, meist nach zwei bis drei Monaten abgeschlossen [1].
- Wasserlösliche Ballaststoffe: Wasserlösliche Ballaststoffe wie Pektine, Pflanzengummis und Schleimstoffe sind unerlässlich für die Wiederherstellung der Darmfunktion. Sie werden bis zu 100 % bakteriell abgebaut und resorbiert, verlängern die Darmpassage, reduzieren die Stuhlhäufigkeit und binden Wasser, was Diarrhöen und Elektrolytverlusten entgegenwirkt [6.1.].
- Flüssigkeitsaufnahme: Die Flüssigkeitsaufnahme sollte etwa eine Stunde nach der Mahlzeit erfolgen, da zusätzliches Trinken zur Mahlzeit die Magenentleerung und Dünndarmpassage beschleunigt [1]. Es wird empfohlen, den Wasserbedarf über isotone Flüssigkeiten wie magnesium- oder natriumreiche Mineralwässer und Kohlenhydrat-Elektrolytmischungen (z. B. Saftschorlen) zu decken.
- MCT-Fette: Bei Steatorrhoen oder enteralem Eiweißverlustsyndrom sollten langkettige Nahrungsfette teilweise durch mittelkettige Fettsäuren (MCT-Fette) ersetzt werden. MCT-Fette werden schneller gespalten, besser resorbiert und können auch bei einem Mangel an Lipase und Gallensalzen genutzt werden. Sie vermindern den Wasserverlust im Stuhl und verbessern den allgemeinen Ernährungszustand [5].
Ernährungsmedizinische Empfehlungen bei massiven Diarrhöen
Bei massiven Diarrhöen und hohem Bedarf an Energie, Nähr- und Vitalstoffen bringt der Ersatz mit MCT-Fetten keine wesentlichen Vorteile. In solchen Fällen sollte der Patient mit einer Formeldiät über eine Nasogastralsonde ernährt werden. Eine Elementardiät bietet ein voll bedarfsdeckendes Gemisch mit mono- oder niedermolekularen Vitalstoffen [1].
Ab einer Restlänge des Dünndarms von 30-50 cm
Ab einer Restlänge des Dünndarms von 30-50 cm ist eine dauerhafte parenterale Ernährung erforderlich, da eine ausreichende Deckung des Nähr- und Vitalstoffbedarfs durch orale Ernährung nicht gewährleistet werden kann [1].
Resektion des terminalen Ileums
Nach einer Resektion des terminalen Ileums muss Vitamin B12 parenteral verabreicht werden. Die hohen Verluste von Flüssigkeit, Elektrolyten und wasserlöslichen Vitaminen sollten durch eine hohe Zufuhr über die Nahrung ausgeglichen werden. Medikamente wie Loperamid und Cholestyramin können zur Linderung der chologenen Diarrhoe eingesetzt werden. Zudem sollten langkettige Fettsäuren teilweise durch MCT-Fette ersetzt werden, um die Fettresorption zu steigern und die Energiebilanz zu verbessern [1, 2].
Intakter bzw. resezierter Dickdarm
Bei intaktem Dickdarm und Kurzdarmsyndrom wird unter kohlenhydratreicher Ernährung eine geringere parenterale Energiezufuhr benötigt. Der Dickdarm kann die Energiebilanz aufrechterhalten, indem er Kohlenhydrate und Ballaststoffe in kurzkettige Fettsäuren umwandelt und resorbiert [5]. Bei vollständig entferntem Dickdarm ist eine orale Ernährung nur ab einer Restlänge des Dünndarms von 110-115 cm möglich [5].
Allgemeine ernährungsmedizinische Empfehlungen
Patienten sollten täglich etwa 2.500 Kilokalorien zu sich nehmen. Regelmäßige Untersuchungen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts sowie der Serumkonzentrationen von Vitaminen und Spurenelementen sind wichtig, um Mangelerscheinungen vorzubeugen [1, 2].
Praktische Ernährungsempfehlungen bei Kurzdarmsyndrom
- Häufige, kleine Mahlzeiten: Verteilen Sie Ihre Nahrungsaufnahme auf 5-6 kleinere Mahlzeiten pro Tag, um die Belastung des Darms zu minimieren und die Nährstoffaufnahme zu optimieren.
- Ballaststoffarme Nahrungsmittel bevorzugen: Wählen Sie leicht verdauliche, ballaststoffarme Gemüse wie geschälte Karotten und Zucchini, um Blähungen und Bauchschmerzen zu vermeiden.
- Fettarme Ernährung: Setzen Sie auf fettarme Produkte und verwenden Sie MCT-Öl, das leichter verdaulich ist und keine Gallensäuren für die Verdauung benötigt.
- Laktosefreie Milchprodukte: Verwenden Sie laktosefreie Alternativen wie laktosefreien Joghurt und Käse, um Verdauungsbeschwerden zu reduzieren.
- Proteinreiche Nahrungsmittel: Fügen Sie Ihrer Ernährung mageres Fleisch, Fisch, Eier und laktosefreie Milchprodukte hinzu, um den erhöhten Proteinbedarf zu decken.
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Trinken Sie regelmäßig kleine Mengen Wasser oder verdünnte Fruchtsäfte, um Dehydratation zu verhindern.
- Elektrolytreiche Getränke: Nutzen Sie Elektrolytlösungen oder Brühen, um den Verlust von Natrium und Kalium auszugleichen.
- Milde und lauwarme Speisen: Essen Sie lauwarme, mild gewürzte Speisen, um Magen-Darm-Reizungen zu vermeiden.
- Energiedichte Lebensmittel: Integrieren Sie kalorienreiche, aber leicht verdauliche Lebensmittel wie Bananen, Avocados und Kartoffelpüree, um den Energiebedarf zu decken.
- Individuelle Diätanpassung: Arbeiten Sie eng mit einem qualifizierten Ernährungsberater zusammen, um eine auf Ihre spezifischen Bedürfnisse angepasste Diät zu entwickeln.
Literatur
- Biesalski HK, Bischoff SC, Pirlich M, Weimann A (Hrsg.): Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2017
- Biesalski HK, Köhrle J, Schümann K. Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Kapitel 56, 378-382. Georg Thieme Verlag; Stuttgart/New York 2002.
- Heepe F. Diätetische Indikationen. Kapitel 4, 529-543. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg; 1998.
- Huth K, Kluthe R. Lehrbuch der Ernährungstherapie. Kapitel 11, 12, 256-271. Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York, 1995.
- Kasper H, Burghardt W: Ernährungsmedizin und Diätetik. 13. Auflage, Urban & Fischer Verlag, 2020
- Schmidt E, Schmidt N: Mikronährstoff-Therapie. Urban & Fischer Verlag, 2022
- Hahn A, Ströhle A, Wolters M. Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. 4. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2023
- Biesalski HK: Vitamine, Spurenelemente und Minerale. Indikationen, Diagnostik, Therapie. 3. Auflage, Georg Thieme Verlag, München 2024