Knochenmarkentzündung der Kieferknochen (Osteomyelitis der Kieferknochen) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Osteomyelitis des Kieferknochens umfasst verschiedene Entzündungsformen, deren Pathogenese je nach Krankheitsform variiert. Die Ursachen reichen von bakteriellen Infektionen über entzündliche Prozesse bis zu unbekannten Auslösern bei primär chronischen Verläufen. Die Beteiligung spezifischer Entzündungsfaktoren und die Entstehung von Knochenveränderungen unterscheiden sich je nach Form der Erkrankung.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Primär chronische Osteomyelitis
    • Diese Form ist gekennzeichnet durch eine unbekannte Ätiologie und das Fehlen von Eiterbildung, Fistelbildung und Sequesterbildung (abgestorbenes Gewebestück, das vom gesunden Gewebe abgegrenzt ist). Eine akute Phase ist nicht vorhanden, und ein auslösendes Ereignis kann oft nicht ermittelt werden.
    • Molekulare Untersuchungen zeigen, dass Proteine aus der Familie der Tumornekrosefaktoren (insbesondere RANKL) bei der Knochenresorption eine Rolle spielen könnten. Diese Proteine fördern den Knochenabbau und werden daher als zentrale Faktoren in der Pathogenese diskutiert.
  • Akute und sekundär chronische Osteomyelitis
    • Diese Formen resultieren aus einer lokalen Infektion oder, selten, aus einer hämatogenen Streuung (Verbreitung über die Blutbahn). Zu den häufigsten Ursachen zählen:
      • Kieferfrakturen (Knochenbrüche im Kieferbereich), die durch keimbesiedelte Alveolen (Zahnfächer) verlaufen und somit eine Infektionsquelle darstellen.
      • Zahninfektionen, darunter:
        • Infizierte Pulpen (Zahnmark)
        • Periapikale Ostitiden (Knochenentzündung im Wurzelspitzenbereich abgestorbener Zähne)
        • Parodontale Tascheninfekte (tief liegende Infektionen am Zahnhalteapparat)
        • Retinierte Zähne (Zähne, die zum normalen Durchbruchszeitpunkt nicht erscheinen)
        • Infektionen nach Zahnextraktionen (Entfernung von Zähnen, die durch eine entzündete Zahnalveole begünstigt werden)

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

  • Ausbreitung der Infektion
    Die Infektion kann sich im betroffenen Bereich des Kieferknochens ausbreiten und zur Ansammlung von Entzündungszellen, Eiterbildung und fortschreitendem Knochenschaden führen. In chronischen Fällen kann sich der Knochen langsam abbauen und die Bildung von Fisteln oder Sequestern unterstützen.
  • Entzündungsreaktion und Knochenabbau
    Chronische Entzündungen aktivieren kontinuierlich Osteoklasten (knochenabbauende Zellen), die den Knochen schädigen. Bei sekundär chronischen Osteomyelitiden führen anhaltende Entzündungsreaktionen zu einer schwächeren Knochenstruktur und begünstigen fortschreitende Zerstörungen im betroffenen Bereich.

Klinisches Bild

Leitsymptome

  • Lokalisierte Schmerzen und Schwellungen im Kieferbereich
  • Druckempfindlichkeit und eingeschränkte Mundöffnung
  • Eventuell Fieber und allgemeine Entzündungszeichen

Fortgeschrittene Symptome

  • Bildung von Eiter und Fistelgängen
  • Sequesterbildung  (Bildung von abgestorbenen Gewebestücken) und möglicherweise sichtbare Veränderungen des Kieferknochens
  • In schweren Fällen kann die Infektion das umliegende Weichgewebe betreffen und sich weiter ausbreiten

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Osteomyelitis des Kieferknochens ist eine entzündliche Knochenerkrankung mit unterschiedlichen Entstehungswegen je nach Krankheitsform. Die primär chronische Osteomyelitis ist bislang ungeklärt, zeigt aber keine akuten Infektionszeichen, während akute und sekundär chronische Formen durch bakterielle Infektionen im Kieferbereich entstehen. Unbehandelt kann die Osteomyelitis zu einer schweren und chronischen Knochenentzündung führen, die erhebliche Komplikationen mit sich bringt.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Malnutrition (Fehlernährung) – Ein Mangel an essenziellen Nährstoffen, insbesondere Calcium, Vitamin D und Protein, beeinträchtigt die Knochenheilung und das Immunsystem.
    • Ballaststoffarme Ernährung – Reduziert die allgemeine Gesundheit der Mundschleimhaut und fördert entzündliche Prozesse.
    • Mangel an Mikronährstoffen – Ein Defizit an Vitamin C, A und Zink kann die Wundheilung negativ beeinflussen.
  • Hygiene
    • Schlechte orale Hygiene – Führt zu einer erhöhten bakteriellen Belastung, die Infektionen begünstigen kann.
    • Unregelmäßige Zahnarztbesuche – Verzögerte Diagnose von Zahninfektionen oder Parodontitis erhöht das Risiko für Knochenentzündungen.
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen) – Reduziert die Durchblutung und beeinträchtigt die Knochenheilung sowie das Immunsystem.
    • Alkoholmissbrauch – Beeinträchtigt die Regeneration des Kieferknochens und fördert die Entzündungsneigung.
  • Körperliche Faktoren
    • Traumata im Mundbereich – Mechanische Verletzungen, z. B. durch schlecht sitzenden Zahnersatz oder Zahnimplantate, können Eintrittspforten für Bakterien schaffen.
  • Mechanische Belastungen
    • Unangemessene Nutzung von Implantaten oder Prothesen – Verstärkt den Druck auf den Kieferknochen und begünstigt mikroskopische Verletzungen.

Krankheitsbedingte Ursachen

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Hämatogene ("auf dem Blutwege") Streuung bestehender Entzündungsherde
  • Lokale Infektion
  • Perioperative Infektion ("um die Operation herum entstanden")
  • Entwicklung resistenter Mikroorganismen

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Kieferfraktur (Kieferbruch)
  • Verletzungen mit Hautbeteiligung

Weitere Ursachen

  • Operationen am Kiefer

Systemische Risikofaktoren

Biographische Ursachen

  • Lebensalter
    • Alte Menschen
    • Neugeborene

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Malnutrition (Fehlernährung
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Immundefizienz (Immunschwäche)
  • Diabetes mellitus
  • Durchblutungsstörungen des Knochens
  • Osteoporose (Knochenschwund)
  • Vaskuläre Erkrankungen (Gefäßerkrankungen)

Medikamente

  • Bisphosphonate
  • Corticosteroide
  • Zytostatika – Medikamente, die bei Krebserkrankungen eingesetzt werden wie Cisplatin

Lokale Risikofaktoren

  • Durchblutung des traumatisierten Knochens unzureichend
  • Floride ossäre Dysplasie (FOD) – Sklerosierungen meist der Alveolarfortsätze, die die Entstehung einer Osteomyelitis begünstigen
  • Fraktur
    • kompliziert
    • Fragmente mechanisch instabil
  • Fremdmaterialien/Transplantate/Implantate
  • Operationsdauer
  • Prädominanz der Mandibula (Unterkiefer) auf Grund anatomischer Besonderheiten
  • Weichteildeckung unzureichend
  • Weichteilschäden ausgedehnt
  • Zusätzliche Traumatisierung einer bereits bestehenden chronischen lokalen Infektion
  • Röntgenstrahlen
    • Strahlentherapie im Kopf- Halsbereich ["Radioosteomyelitis": infizierte Osteoradionekrose; IORN]