Fremdkörperingestion – Operative Therapie

Die Ingestion (Verschlucken) von Fremdkörpern ist ein häufiges Problem in der Notfallmedizin, insbesondere bei Kindern, geriatrischen Patienten und psychiatrisch Erkrankten. Während die meisten Fremdkörper den Magen-Darm-Trakt auf natürlichem Wege passieren, erfordert ein chirurgischer Eingriff nur in 1–2 % der Fälle eine Intervention.

Indikationen 

Ein chirurgischer Eingriff ist erforderlich, wenn folgende Indikationen vorliegen:

Absolute Indikationen (Notfallindikationen)

  • Perforation (Durchbruch) – Durchbruch der Magen-Darm-Wand mit Peritonitisgefahr (Bauchfellentzündung)
  • Akute Obstruktion (plötzlicher Verschluss) – Verschluss des Gastrointestinaltrakts mit Ileus (Darmverschluss)
  • Schwere gastrointestinale Blutung (starke Magen-Darm Blutung) – Insbesondere bei spitzen oder scharfkantigen Fremdkörpern
  • Fremdkörper mit hohem Risiko für toxische Wirkungen (giftige Effekte) – Z. B. Batterien, Magneten oder korrosiven Substanzen

Relative Indikationen (chirurgische Intervention nach konservativem Therapieversagen)

  • Erfolglose endoskopische Extraktion (Entfernung mittels Spiegelung) – Mehrere gescheiterte Bergungsversuche
  • Länger als eine Woche im distalen Duodenum (unterer Zwölffingerdarm) verbliebener Fremdkörper
  • Persistierende Beschwerden – Z. B. anhaltende Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
  • Aspiration eines Fremdkörpers mit Migrationsrisiko (Verschlucken mit Gefahr der weiteren Verlagerung) – Gefahr einer sekundären Atemwegsobstruktion (Verlegung der Atemwege

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Fehlende Symptome und unauffällige bildgebende Diagnostik – In asymptomatischen (beschwerdefreien) Fällen kann ein abwartendes Management sinnvoll sein
  • Kleine, glatte Fremdkörper – Die in der Regel spontan ausgeschieden werden
  • Schlechte allgemeine Operabilität – Z. B. bei schwerer kardialer oder pulmonaler Komorbidität (Begleiterkrankungen von Herz und Lungen)

Operationsverfahren

Die Wahl des chirurgischen Vorgehens hängt von der Lokalisation und der Art des Fremdkörpers ab:

  • Minimalinvasive Entfernung (Laparoskopie, Bauchspiegelung)
    • Indiziert bei nicht endoskopisch extrahierbaren Fremdkörpern ohne Perforation
    • Geringere postoperative Morbidität (Krankheit Belastung) im Vergleich zur offenen Chirurgie
  • Laparotomie (Bauchschnitt; offene Operation)
    • Notwendig bei Perforation, Ileus oder komplizierter Fremdkörperlage
    • Methode der Wahl bei großen Fremdkörpern oder multiplen Obstruktionen (Verstopfungen)
  • Enterotomie oder Gastrotomie (Eröffnung des Darmes oder Magens)
    • Direktes Eröffnen von Magen oder Darm zur Fremdkörperentfernung
    • Indiziert bei großen oder scharfkantigen Fremdkörpern, die eine Perforationsgefahr bergen
  • Darmresektion mit Anastomosierung (Entfernung eines Darmsegments mit Verbindung der Enden)
    • In schweren Fällen notwendig, z. B. bei Nekrosen (abgestorbenes Gewebe) durch Fremdkörperdruck oder toxische Schädigungen

Postoperative Nachsorge

Nach der operativen Entfernung eines Fremdkörpers ist eine strukturierte Nachsorge erforderlich:

  • Ernährung
    • In den ersten 24-48 Stunden flüssige oder weiche Kost je nach postoperativer Verträglichkeit
    • Langsamer Kostaufbau je nach Darmmotilität
  • Endoskopische Kontrolle bei komplizierten Fällen
    • Insbesondere nach Perforationen oder großen Fremdkörpern
  • Antibiotikaprophylaxe
    • Bei Perforationen oder operativen Eingriffen mit Infektionsrisiko
  • Schmerzmanagement
    • Postoperative Analgesie, z. B. mit nicht-opioiden Analgetika/Schmerzmittel (Metamizol, Paracetamol)
  • Prävention erneuter Ingestionsereignisse
    • Besonders wichtig bei Kindern, geriatrischen oder psychiatrischen Patienten
    • Beratung der Angehörigen zur Risikominimierung

Mögliche Komplikationen

Ein chirurgischer Eingriff zur Entfernung eines Fremdkörpers birgt Risiken, die je nach Patientenstatus variieren:

  • Infektionen – Postoperative Wundinfekte oder intraabdominale Abszesse
  • Ileus (Darmverschluss) – Mechanischer Darmverschluss durch postoperative Adhäsionen
  • Peritonitis – Entzündung des Bauchfells nach Perforation (Durchbruch) oder Nahtinsuffizienz (Nahtschwäche)
  • Postoperative Schmerzen – Vor allem bei Laparotomien (Bauchschnitt) ausgeprägter

Vergleich der Operationsmethoden

Methode Technik Vorteile Nachteile
Endoskopische Bergung Entfernung des Fremdkörpers per Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD)
Speiseröhre-Magen-Zwölffingerdarm-Spiegelung
Minimalinvasiv, keine OP-Narbe, geringe Komplikationsrate Nicht bei allen Fremdkörpern möglich, technischer Fehlschlag möglich
Laparoskopie Minimalinvasive Bauchspiegelung mit Fremdkörperentfernung Kürzere Erholungszeit, geringere Schmerzen, geringeres Infektionsrisiko Begrenzte Sichtbarkeit, nicht immer anwendbar
Laparotomie Eröffnung der Bauchhöhle zur Fremdkörperentfernung Direkte Kontrolle des Abdomens, sichere Fremdkörperentfernung Längere Heilungszeit, höheres Infektionsrisiko, postoperative Schmerzen
Darmresektion Entfernung eines Darmsegments mit Naht oder Anastomose Notwendig bei Nekrose, sichert die Darmkontinuität Erhöhtes Komplikationsrisiko, lange Rekonvaleszenz

Fazit

Ein chirurgischer Eingriff zur Fremdkörperentfernung ist selten erforderlich und sollte nur bei klaren Indikationen erfolgen. Die Wahl der Therapie richtet sich nach dem Risikoprofil des Patienten, der Lokalisation des Fremdkörpers und den Erfolgsaussichten konservativer Maßnahmen. Minimalinvasive Verfahren sollten, wenn möglich, bevorzugt werden, um Komplikationen zu minimieren.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Interdisziplinäre Versorgung von Kindern nach Fremdkörperaspiration und Fremdkörperingestion. (AWMF-Registernummer: 001-031), Dezember 2024 Langfassung