Fettstuhl (Steatorrhoe) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Der Fettstuhl, auch Steatorrhoe genannt, ist gekennzeichnet durch eine erhöhte Ausscheidung von Fetten im Stuhl. Er tritt als Folge einer gestörten Fettverdauung (Maldigestion) oder einer gestörten Fettaufnahme im Darm (Malabsorption) auf. Die zugrunde liegenden Mechanismen und Ursachen sind vielfältig und betreffen primär die Verdauungs- und Aufnahmesysteme im Magen-Darm-Trakt.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- Maldigestion (schlechte Fettverdauung): Hierbei ist die Fettverdauung beeinträchtigt, da essenzielle Enzyme und Gallensäuren fehlen oder unzureichend in den Darm gelangen. Dies kann bedingt sein durch:
- Defekt der Synthese von Pankreasenzymen (Bauchspeicheldrüsenenzymen):
- Chronische Pankreatitis (chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung), bei der das Pankreasgewebe sukzessive zerstört wird.
- Mukoviszidose (zystische Fibrose), eine genetische Erkrankung, bei der zäher Schleim in verschiedenen Organen, einschließlich der Bauchspeicheldrüse, die Enzymsekretion behindert.
Beachte: Steatorrhoe tritt oft erst bei einem Verlust von etwa 90 % des exokrinen Pankreasgewebes auf.
- Defekt der Sekretion (Ausschüttung) der Pankreas- und Gallenflüssigkeit:
- Verschluss des Ductus pancreaticus (Bauchspeicheldrüsengang), z. B. durch Gallensteine oder Tumore, der die Sekretion der fettverdauenden Enzyme verhindert.
- Mangel an Gallensäuren, verursacht durch Verschluss der Gallenwege (z. B. durch Gallensteine oder Tumoren), was zu einer eingeschränkten Emulgierung und Verdauung der Fette führt.
- Defekt der Synthese von Pankreasenzymen (Bauchspeicheldrüsenenzymen):
- Malabsorption (gestörte Fettaufnahme): Die Resorption der Fette im Darm ist beeinträchtigt, was unterschiedliche Ursachen haben kann:
- Aufnahmestörung im Dünndarm: Dies kann durch schwere Durchfälle oder chronische Darmerkrankungen wie eine Sklerodermie des Darms auftreten, bei der die Darmwand verhärtet und die normale Absorptionsfähigkeit beeinträchtigt ist.
- Abflussstörung der Lymphgefäße des Darms: Die Lymphgefäße sind für den Transport von absorbierten Fettsäuren aus dem Darm entscheidend; ihre Blockade führt zu einer Ansammlung und Ausscheidung von Fetten im Stuhl.
Sekundäre pathophysiologische Mechanismen
- Unterversorgung des Körpers mit Fetten und fettlöslichen Vitaminen: Durch die mangelnde Aufnahme oder Verdauung von Fetten kommt es zu einer Unterversorgung an wichtigen Nährstoffen, insbesondere an den fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K).
- Osmotische Belastung des Darms: Nicht absorbierte Fette im Darm können osmotisch wirken, Wasser anziehen und damit zu Durchfällen führen, was die Malabsorption und den Nährstoffverlust weiter verschärft.
Klinisches Bild
- Leitsymptome: Fettstuhl äußert sich durch voluminösen, glänzenden, übelriechenden Stuhl, der häufig schwimmend ist und nur schwer abgeht.
- Begleiterscheinungen: Häufig treten Blähungen, krampfartige Bauchschmerzen und Gewichtsverlust auf.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Entstehung von Steatorrhoe ist multifaktoriell und kann durch eine unzureichende Enzym- und Gallensäureproduktion oder -sekretion sowie durch eine gestörte Fettresorption im Darm bedingt sein. Da die Steatorrhoe meist erst bei fortgeschrittener Schädigung des exokrinen Pankreasgewebes auftritt, ist eine frühzeitige Diagnose der zugrunde liegenden Erkrankung entscheidend, um das Fortschreiten der Fettverdauungsstörung zu verhindern und eine adäquate Nährstoffversorgung sicherzustellen.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung
- Genetische Erkrankungen
- Abetalipoproteinämie (Synonym: homozygote familiäre Hypobetalipoproteinämie, ABL/HoFHBL) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; schwere Form der familiären Hypobetalipoproteinämie, die durch einen Mangel an Apolipoprotein B48 und B100 gekennzeichnet ist; Defekt in der Bildung der Chylomikronen, der bei Kindern zu Fettverdauungsstörungen führt und damit zu einer Malabsorption (Störung der Nahrungsresorption).
- Mukoviszidose (Zystische Fibrose, ZF) ‒ genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die durch die Produktion von zu zähmen Sekret in verschiedenen Organen gekennzeichnet ist.
- Genetische Erkrankungen
Krankheitsbedingte Ursachen (exklusive genetische Erkrankungen)
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Giardiasis ‒ Dünndarminfektion, die durch Giardia lamblia (Giardia duodenalis) verursacht wird
- Morbus Whipple – eine durch das grampositive Stäbchenbakterium Tropheryma whippelii ausgelöste, chronisch-rezidivierende Erkrankung, die den gesamten Körper betreffen kann (Symptome: Fieber, Gelenkbeschwerden, Störungen der Gehirnfunktion, Gewichtsverlust, Durchfall, Bauchschmerzen u.v.m.)
- Mycobacterium-avium-intracellulare-Infektion bei AIDS-Patienten
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)
- Chronische Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
- Pankreasgangverschluss ‒ Verschluss eines Ganges der Bauchspeicheldrüse
- Exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI) ‒ Unfähigkeit der Bauchspeicheldrüse, ausreichend Verdauungsenzyme zu produzieren
- Verschluss der Gallenwege, v.a. durch Stein, Tumor
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Chronische Dünndarmischämie ‒ Minderversorgung des Dünndarms mit Blut
- Gestörter Lymphabfluss im Darm nach kongenitaler intestinaler Lymphangiektasie
- Kurzdarmsyndrom ‒ Probleme bei der Resorption von Nährstoffen aufgrund einer ausgedehnten operativen Entfernung von Dünndarm
- Malassimilation ‒ Störung der Vorverdauung im Magen, der enzymatischen Aufspaltung der Nahrungsbestandteile (exokrine Pankreasinsuffizienz/Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, die mit einer ungenügenden Produktion von Enzymen einhergeht), der Fettemulgierung (z. B. Gallensäuremangel bei Cholestase/Gallenstau) und der Resorption bzw. des Abtransport der absorbierten Nahrung
- Tropische Sprue ‒ in den Tropen vorkommende Durchfallerkrankung aufgrund von Folsäure- und Vitamin B12-Mangel
- Zöliakie (gluteninduzierte Enteropathie) – chronische Erkrankung der Dünndarmmukosa (Dünndarmschleimhaut), die auf einer Überempfindlichkeit gegen das Getreideeiweiß Gluten beruht
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Somatostatinom ‒ neuroendokriner Tumor, der Somatostatin produziert
- Verschluss der Gallenwege durch Tumor, nicht näher bezeichnet
Weitere Ursachen
- Erworbene Lymphabflussstörung nach Trauma (Verletzungen) etc.
Medikamente
- Colchicin (Alkaloid der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale)) – Medikament, welches bei Gichtanfällen eingesetzt wird
- Colestyramin (stark basischer Anionenaustauscher) – Medikament, welches ein Resorptionshemmer für Cholesterin ist
- Neomycin (Antibiotikum)