Enddarmentzündung (Proktitis) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Proktitis (Entzündung des Enddarms) ist eine Erkrankung, deren Entstehungsmechanismen stark von der zugrunde liegenden Ursache abhängen. Es handelt sich meist um eine sekundäre Erkrankung, die als Folge einer anderen Grunderkrankung oder Infektion auftritt.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- Infektiöse Ursachen: Proktitis tritt häufig als Folge von sexuell übertragbaren Infektionen auf, die durch ungeschützten Analverkehr übertragen werden. Die häufigsten Erreger sind Bakterien (z. B. Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae), Viren (z. B. Herpes simplex), und Parasiten. Je nach Erreger zeigt die Schleimhaut des Rektums spezifische Reaktionen wie Schleimhautrötung (Schleimhauterythem), Hämorrhagien (Blutungen) oder ulzeröse (geschwürbildende) Läsionen.
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Proktitis kann im Rahmen von Erkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn auftreten. Hierbei ist die Entzündung ein Teil der systemischen Erkrankung und betrifft nicht nur den Enddarm, sondern kann auch andere Teile des Verdauungstraktes involvieren.
- Nicht-infektiöse Ursachen: Eine Proktitis kann ebenfalls durch eine Strahlentherapie oder durch bestimmte Medikamente entstehen, die die Darmschleimhaut reizen. Auch immunologische Mechanismen werden diskutiert, insbesondere bei autoimmunbedingten Ursachen.
Sekundäre pathophysiologische Mechanismen
- Schleimhautveränderungen und -reaktionen: Die Rektumschleimhaut reagiert auf die jeweiligen Erreger und Entzündungsprozesse mit spezifischen Veränderungen, die sich je nach Art der Proktitis unterscheiden können. Dazu gehören:
- Schleimhauterythem (Rötung der Schleimhaut) als Reaktion auf Entzündungsmediatoren.
- Ulzerationen (geschwürige Veränderungen), die durch eine Schädigung der Schleimhautbarriere entstehen und zu chronischen Schmerzen und Blutungen führen können.
- Hämorrhagien (Blutungen), die durch die Zerstörung von Blutgefäßen in der entzündeten Schleimhaut auftreten.
- Immunantwort und Gewebeschädigung: Bei einer chronischen Proktitis, insbesondere durch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, wird das Immunsystem kontinuierlich aktiviert, was zu einer dauerhaften Gewebeschädigung und einer erhöhten Anfälligkeit für sekundäre Infektionen führen kann.
Klinisches Bild
- Leitsymptome: Die Proktitis äußert sich durch Symptome wie rektalen Juckreiz, Brennen, Schmerzen, Blutungen und Tenesmen (schmerzhafter Stuhldrang).
- Fortgeschrittene Symptome: In schweren Fällen kann es zu einem blutigen oder schleimigen Ausfluss sowie zu schweren krampfartigen Schmerzen im Rektum kommen.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Proktitis ist eine entzündliche Erkrankung des Enddarms, die häufig auf eine Infektion, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung oder andere Reizfaktoren zurückzuführen ist. Die spezifischen pathophysiologischen Mechanismen variieren je nach Ursache, wobei die Schleimhaut des Rektums durch lokale und systemische Reaktionen geschädigt wird. Eine gezielte Abklärung der Ursache ist essenziell, da die Behandlung von infektiösen und nicht-infektiösen Formen unterschiedlich ist und unbehandelte Proktitis zu chronischen Komplikationen führen kann.
Ätiologie (Ursachen)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Scharfe Gewürze und stark gewürzte Speisen – Können die Schleimhäute im Enddarm reizen und Entzündungen begünstigen.
- Ballaststoffarme Ernährung – Kann harten Stuhlgang fördern und die Schleimhaut mechanisch schädigen.
- Genussmittelkonsum
- Alkohol – Kann die Schleimhautreizungen verstärken und das Immunsystem schwächen.
- Tabak (Rauchen) – Führt zu einer schlechteren Durchblutung der Schleimhäute und beeinträchtigt die Regeneration.
- Hygiene
- Mangelnde Analhygiene – Kann die Ansammlung von Keimen begünstigen und das Risiko für lokale Infektionen erhöhen.
- Übertriebene Analhygiene – Häufiges Waschen mit aggressiven Seifen oder Duschen kann die Schleimhaut austrocknen und verletzen.
- Sexuelle Aktivität
- Ungeschützter Analverkehr – Erhöht das Risiko für sexuell übertragbare Infektionen, die zu einer infektiösen Proktitis führen können.
- Promiskuität (häufig wechselnde Geschlechtspartner) – Steigert das Risiko für Infektionen durch sexuell übertragbare Erreger wie Chlamydien, Gonokokken oder Herpesviren.
Krankheitsbedingte Ursachen
- Allergische Reaktionen – allergisches Exanthem (Hautausschlag)/allergisches Kontaktekzem, z. B. auf Inhaltsstoffe von Suppositorien (Zäpfchen), Kondomen (Latexallergie → Soforttypreaktion vom Typ I nach Coombs und Gell), Gleitmittel; Nickel, Duftstoffe und Perubalsam sind häufigere Ursachen der allergischen Typ-IV-Reaktion
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED):
- Colitis ulcerosa – chronisch entzündliche Erkrankung der Schleimhaut des Kolons (Dickdarms) oder des Rektums (Mastdarms)
- Morbus Crohn – verläuft meist in Schüben und kann den gesamten Verdauungstrakt befallen; charakterisierend ist der segmentale Befall der Darmmukosa (Darmschleimhaut), das heißt, es können mehrere Darmabschnitte befallen sein, die durch gesunde Abschnitte voneinander getrennt sind
- Infektionskrankheiten, vorwiegend sexuell übertragbare Krankheiten (engl. STD (sexually transmitted diseases) oder STI (sexually transmitted infections))
- AIDS – nicht abheilende und nässende Entzündungen im Analbereich
- Chlamydien (häufig: in ca. 20 % der Fälle)
- Gonorrhoe (Tripper; Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken)) – eitrige Proktitis
- Granuloma inguinale (Granuloma venereum; Donovanose) – Tropenkrankheit; durch das Bakterium Calmmatobacterium granulomatis verursachte Erkrankung; klinisch zeigen sich einzelne oder multiple Läsionen mit "rindfleischrotem Grund“; diese verlaufen chronisch progredient (fortschreitend) und destruierend (zerstörend) und können zu Elephantiasis (extreme Vergrößerung von Körperteilen durch behinderten Lymphabfluss bzw. Lymphstau) und Stenosen Veränderungen) führen.
- Herpes genitalis (Genitalherpes; HSV-2)
- HPV-Infektion (humanes Papillomavirus)
- Lymphogranuloma inguinale (LGV; Chlamydia trachomatis) – geht mit Fisteln und Strikturen einher
- Nicht-LGV-Chlamydien-Infektionen
- Syphilis
- Primärstadiums (Lues I): beginnt als Papel (derber hirsekorngroßer Knoten); daraus entsteht das Ulcus durum (deutsch: Harter Schanker, veraltet auch Chanker); dieses hat einen scharfen abgesetzten wallartigen Rand und ein geringgradig eingesunkenes Zentrum
- Sekundärstadiums (Lues II): derbe, sehr erregerreiche Papeln
- Tertiärstadiums (Lues III): Knoten
- Ulcus molle ("weicher Schanker") – schmerzhafte und weiche Ulzera (Geschwüre)
- Infektiöse Enteritiden (Darmentzündungen) bzw. deren Erreger
- Campylobacter-Enteritis
- Clostridium difficile
- Entamoeba histolytica
- Escherichia-coli-Subtypen
- Giardia lamblia
- Salmonellen-Enteritis
- Shigellose – durch Shigellen verursachte infektiöse Diarrhoe (Durchfall)
- Ischämische Kolitis – Entzündung der Schleimhaut des Dickdarms aufgrund eines Gefäßverschlusses der versorgenden Arterien
- Cytomegalievirus (CMV)
- Z. n. Geschlechtskrankheiten (Risikofaktor)
Medikamente
- Immunsuppressive Therapie
Weitere Ursachen
- Radiatio (Strahlentherapie) – radiogene Proktitis
- Stuhlimpaktion ("Kotstauung") → mechanisch bedingte Proktitis
- Toxische Reaktionen
- Traumata (Verletzungen) durch z. B. Gegenstände, die im Rahmen des Geschlechtsverkehrs in den After eingeführt werden