Divertikelkrankheit – Operative Therapie
Perkutane Abszessdrainage
Bei einer akuten komplizierten Divertikulitis tritt unter einer konservativen Therapie besteht ein hohes Risiko für ein Versagen der Therapie. In solchen Fällen ist deshalb eine perkutane Abszessdrainage zu nicht operativen Fokussanierung empfehlenswert.
Indikation: Abszesse ab einer Größe von ca. 3 bis 5 cm.
Bei der perkutanen Abszessdrainage handelt es sich um ein minimalinvasives Verfahren, welches zur Behandlung von Abszessen (abgeschlossene Eiterhöhle) eingesetzt werden kann. Hierbei werden unter Bildsteuerung (Sonographie, Computertomographie, Magnetresonanztomographie) ein perkutaner ("durch die Haut hindurch") Drainagekatheter in den Abszess eingebracht und der Eiter abgeleitet.
Operative Therapie der Divertikulitis
Bei einem komplizierten Verlauf der Divertikulitis muss ggf. eine chirurgische Therapie erfolgen. Dabei wird der betroffene Anteil des Kolons (Dickdarm) entfernt.
Beachte: Die elektive Sigmaresektion (zeitlich freiwählbare operative Entfernung des Sigma-Darms; s. u.) sollte stets als primär laparoskopische Operation erfolgen.
Die nichtelektive Sigmaresektion kann ebenfalls laparoskopisch durchgeführt werden.
Für eine stadienabhängige Therapie hat sich die prätherapeutische Einteilung auf der Basis klinischer Befunde und bildgebender Verfahren (Computertomographie (CT) mit rektaler Kontrastierung, Sonographie) nach Hansen und Stock (s. u. "Klassifikation") bewährt (s. u.).
Relative Operationsindikationen
- Rezidivierende Divertikulitis? Beachte: Mit zunehmender Zahl der erlittenen Divertikulitisschübe ist nicht von einem erhöhten Komplikationsrisiko auszugehen!
- Persistierende Symptomatik unter Therapie
- Rezidivierende Blutungen
- Anhaltende dysurische Beschwerden (Schmerzen beim Wasserlassen)
- Fistel (entero-enteral/entero-kutan) (Darm-Darm/Darm-Haut)
Absolute Operationsindikationen
- Peritonitis (Bauchfellentzündung)
- Persistierende Blutung
- Erfolglose Abszessdrainage deren klinischer Befund nicht innerhalb von 72 Stunden auf eine konservative Therapie anspricht
- Freie Perforation (Darmdurchbruch)
- Manifeste Stenose (Ileus/Darmverschluss)
- Fistel entero-vesikal (Darm-Harnblase)
- Nicht beherrschbare Darmblutung
- Versagen der konservativen Therapie
- Verdacht auf ein Kolonkarzinom (Dickdarmkrebs)
Divertikulitis: Wann konservativ, wann operativ behandeln? [1, 2]
Für eine stadienabhängige Therapie hat sich die prätherapeutische Einteilung auf der Basis klinischer Befunde und bildgebender Verfahren (Computertomographie (CT) mit rektaler Kontrastierung, Sonographie) nach Klassifikation der Divertikelkrankheit/Divertikulitis, Classification of diverticular disease (CDD) bewährt:
Stadium |
Bezeichnung | Therapie |
Typ 1a/1b | Akute unkomplizierte Divertikelkrankheit/Divertikulitis |
Ambulante Behandlung bei adäquater Compliance und engmaschiger ärztlicher Kontrolle.
Die initiale konservative Therapie (Antibiose/Antibiotikatherapie) ist in 70 bis 100 % der Fälle erfolgreich [1]. Das Wiederauftreten von Beschwerden nach initial erfolgreicher konservativer Therapie variiert zwischen 7 und 62 %, wobei eine genaue Differenzierung zwischen Divertikulitis-bedingten Symptomen und anderen Ursachen schwierig ist. Beachte: Nach einer ausgeheilten akuten unkomplizierten Divertikulitis ist beim beschwerdefreien Patienten keine elektive Resektion (chirurgische Entfernung) indiziert. |
Typ 2a | Akute komplizierte Divertikelkrankheit/Divertikulitis |
Die akute komplizierte Divertikulitis mit Nachweis von Mikro- oder Makroabszessen (Typ 2a/b) sollte primär konservativ antibiotisch behandelt werden. Abszesse < 3 cm können rein antibiotisch therapiert werden. Stationäre Behandlung: Antibiotikatherapie; ggf. interventionelle Abszessdrainage (Ableitung eines Abszess/umkapselte Eiterhöhle); ggf. Operationsindikation (s. o.) dar |
Typ 2b |
Bei Makroabszessen kann ab einer Größe von ca. 5 cm eine perkutane Drainage (s. o.) erfolgen. Im Fall eines Makroabszesses (Typ 2b) sollte eine antibiotische Therapie erfolgenndividuellen Risikoprofils kann eine Resektion durchgeführt werden. |
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Typ 2c |
Bei Nachweis von freier Luft bei der linksseitigen Typ 2c-Divertikulitis kann ein primär konservatives Prozedere diskutiert werden. Bei Zeichen einer Peritonitis (Bauchfellentzündung) ist in jedem Fall eine dringliche chirurgische Intervention angeraten. Eine laparoskopische Lavage sollte nicht durchgeführt werden. |
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Typ 2b-c, 4 |
Eine nichtelektive Sigmaresektion kann laparoskopisch durchgeführt werden. |
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Typ 3a | Chronische Divertikelkrankheit Rezidivierende (wiederkehrende) oder anhaltende symptomatische Divertikelkrankheit |
Beachte: Bei einer rezidivierenden Divertikulitis sollte eine Operationsindikation nicht aufgrund der Anzahl der Episoden begründet werden (unklarer Nutzen!). |
Typ 3b | Rezidivierende Divertikulitis ohne Komplikationen: Eine generelle Empfehlung zur konservativen Sekundärprophylaxe kann aktuell aufgrund der Datenlage nicht gegeben werden. Bei Patienten mit einer rezidivierenden Divertikulitis kann bei anhaltenden Beschwerden eine elektive Sigmaresektion zur Verbesserung der Lebensqualität empfohlen werden |
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Typ 3a/b |
Bei der unkomplizierten rezidivierenden Divertikulitis (Typ 3a) sollte man im Blick haben:
Eine generelle elektive Intervalloperation in Abhängigkeit von der Anzahl der vorausgegangenen entzündlichen Schübe ist nicht gerechtfertigt [2]. Zur Beachtung: Eine Studie zeigte, dass die Komplikationsrate des einzelnen Schubs mit der Zahl der Schübe sinkt [3]. |
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Typ 3c |
Bei Patienten mit rezidivierender Divertikulitis mit Ausbildung von Komplikationen (z. B. Ausbildung einer Stenose/Verengung mit chronischer Konstipation/Verstopfung bis hin zum Ileus/Darmverschluss oder die Fistulierung/Fistelbildung) sollte eine elektive Sigmaresektion durchgeführt werden. |
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Typ 4 | Divertikelblutung |
Nach einer selbstlimitierenden oder interventionell erfolgreich behandelten Divertikelblutung besteht keine Indikation zur elektiven Operation. Bei einer interventionell therapierefraktären, klinisch relevanten oder rezidivierenden Divertikelblutung mit gesicherter Lokalisation kann eine Operation indiziert sein. Eine radiologisch-interventionell und endoskopisch nichtstillbare kreislaufwirksame Divertikelblutung sollte als Notfall operiert werden. |
*Die Indikation zur Sigmaresektion (Entfernung des Endabschnittes des Dickdarms bzw. des divertikeltragenden Darmabschnittes) bei chronisch rezidivierender Divertikulitis ist abhängig von:
- Beschwerdebild des Patienten
- Lebensalter
- Schweregrad der Schübe
- Komorbidität
Falls die chronisch rezidivierende Divertikulitis zu einer progressiv fibrotischen Stenose (Verengung), und diese wiederum zu einer Passagestörung des Darmes geführt hat, so ist diese in der Regel irreversibel. Solche Stenosen stellen eine absolute Operationsindikation dar.
Eine elektive, prophylaktische Sigmaresektion (operative Entfernung des Sigma-Darms) ist bei folgende Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) und Konditionen, die zumeist in Fallserien mit erhöhter Morbidität (Krankheitshäufigkeit) bzw. Mortalität (Sterblichkeit) bei elektiven oder notfallmäßigen Eingriffen wegen einer Divertikulitis in Zusammenhang gebracht werden, zu erwägen [2]:
- Autoimmunerkrankungen/Vaskulitis (Gefäßentzündung)
- Chronisch-obstruktive Bronchitis (COPD)
- Diabetes mellitus
- Gichtarthritis (Gelenkentzündung auf Grundlage einer Gichterkrankung)
- Hypalbuminämie (Verringerung des Albumins im Blut)
- Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Immunsuppression (Unterdrückung des körpereigenen Abwehrsystems)
- Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)
- Steroideinnahme
- ASA-Kategorie III/IV
Zeitpunkt der Operation
Indikation zur unmittelbaren Operation
- Frei perforierte Divertikulitis (mit Darmdurchbruch)
- Komplizierte Divertikulitis mit Versagen der konservativen Therapie
- Interventionell nichtstillbare, lebensbedrohliche Divertikelblutung
Indikation zur elektiven Operation (Eingriff zeitlich frei wählbar)
- Chronisch rezidivierende (wiederkehrende) Divertikulitis
- Rezidivierende Divertikelblutung mit gesicherter Blutungsquelle (nach Ausschöpfen aller konservativer Optionen)
- Im Intervall nach konservativer Therapie einer komplizierten Divertikulitis
Das Verfahren
Der Eingriff sollte mittels minimal-invasier Chirurgie (MIC) erfolgen; dadurch sinkt u. a. das Risiko für abdominelle Hernien (Leisten-, Nabel- und Narbenbrüche) und Adhäsionen (Verwachsungen).
Zur Vermeidung von Divertikulitis-Rezidiven nach Sigmaresektion (Häufigkeit 2,7-9,6 %) ist eine adäquates Resektion des Sigmas nach aboral notwendig. Die Anastomose ("natürliche Verbindung") sollte im oberen Rektumdrittel (Mastdarmdrittel) liegen und es darf kein Sigmaanteil belassen werden.
Der orale Absetzungsrand sollte in jedem Fall proximal chronisch oder akut entzündlich veränderter Wandabschnitte in gesundem Darm gewählt werden [2].
Weitere Hinweise
- Patienten mit Rezidiv-Divertikulitis nach Sigmaresektion sollten nach den gleichen Regeln behandelt werden wie Patienten mit Divertikelkrankheit ohne vorangegangene Sigmaresektion [2].
- Laparoskopische Lavage (z. B. Kochsalz-Lösung-Spülung) bei Patienten mit perforierter ("durchgebrochener") Divertikulitis als eine Therapieoption; Ergebnisse Lavage versus primäre Resektion:
- oberflächliche Infektionen: 1 % vs. 17 %
- tiefe Wundinfektionen: 32 % vs. 13 %
- ungeplant erneut operiert: 27 % vs. 10 %
- Zweitoperationen inkl. Rückverlagerung von Kolostomata („künstlicher Darmausgang“): 28 % vs. 29 %
- nach einem Jahr ein Kolostoma: 14 % vs. 42 %
- Immunsupprimierte Divertikulitis-Patienten: Um Notfälle zu vermeiden, sollten diese elektiv (geplant) operiert werden. Dieses legt eine Studie nahe, die nachweisen konnte, dass die Mortalität (Sterberate) von immunsupprimierten Patienten mit Divertikulitis bei Noteingriffen doppelt so hoch war wie jene von Immunkompetenten. Bei elektiven Eingriffen war kein Unterschied der Mortalität festzustellen, nur die Morbidität (Krankheitshäufigkeit) war bei immunsupprimierten Patienten erwartungsgemäß erhöht (RR 2,18) [5].
- Laparoskopische Lavage (Spülung der Bauchhöhle): Der Vergleich einer laparoskopische Lavage mit einer chirurgischen Resektion (s. o.) bei Patienten mit perforierter Divertikulitis zeigt, dass nach der Lavage zwar häufiger Rezidive (Wiederauftreten der Erkrankung auftreten, dafür kann aber den Patienten in der Regel ein Stroma (künstlicher Darmausgang) erspart bleiben [6].
Literatur
- Germer, Christoph-Thomas; Groß, Volker: Diverticulitis: When to Treat Medically, When Surgically? Dtsch Arztebl 2007; 104(50): A-3486 / B-3067 / C-2964
- S3-Leitlinie: Divertikelkrankheit/Divertikulitis. (AWMF-Registernummer: 021-020), Oktober 2021 Langfassung
- Ritz JP, Lehmann KS, Frericks B et al.: Outcome of patients with acute sigmoid diverticulitis: multivariate analysis of risk factors for free perforation. Surgery 2011; 149: 606-13
- Schultz JK et al.: One-year results of the SCANDIV randomized clinical trial of laparoscopic lavage versus primary resection for acute perforated diverticulitis. Br J Surg 2017; online 20. Juni; doi: 10.1002/bjs.10567
- McKechnie T et al.: Operative management of colonic diverticular disease in the setting of immunosuppression: A systematic review and meta-analysis Am J Surg. Published:July 07,2020 doi:https://doi.org/10.1016/j.amjsurg.2020.06.035
- Azhar N et al.: Laparoscopic Lavage vs Primary Resection for Acute Perforated Diverticulitis Long-term Outcomes From the Scandinavian Diverticulitis (SCANDIV) Randomized Clinical Trial. JAMA Surg 2020;156(2):121-127. https://doi.org/10.1001/jamasurg.2020.5618
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Divertikelkrankheit/Divertikulitis. (AWMF-Registernummer: 021-020), Oktober 2021 Langfassung