Divertikelkrankheit – Einleitung

Divertikulitis ist eine Entzündung der Wand eines Divertikels, das eine Ausstülpung von Wandteilen eines Hohlorgans darstellt. Ist auch das umliegende Gewebe betroffen, spricht man von einer Peridivertikulitis. Divertikel können pilz-, birnen- oder sackförmig sein und treten häufig im Kolon (Dickdarm) auf. Die Divertikelkrankheit beschreibt den klinischen Zustand, bei dem eine Divertikulose (Vorhandensein von Divertikeln) zu Symptomen und/oder Komplikationen führt.

Synonyme und ICD-10: Ausstülpungen der Darmwand; Colondivertikulose; Darmdivertikel; Darmdivertikulitis; Darmdivertikulose; Diverticulitis; Divertikelkrankheit; Divertikulose; Kolondivertikulose; ICD-10-GM K57.-: Divertikulose des Darmes

Formen der Erkrankung

  • Akute Divertikulitis: Entzündungsprozess, der von Kolondivertikeln ausgeht, sich auf die Darmwand ausbreitet und zu Komplikationen wie Abszessbildung, Fistelbildung oder Perforation führen kann.
  • Chronische Divertikulitis: Gekennzeichnet durch rezidivierende (wiederkehrende) oder persistierende (andauernde) Entzündungsschübe, die zu Komplikationen wie Stenosen oder Fisteln führen können.
  • Symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit: Auftreten von persistierenden oder rezidivierenden Symptomen ohne apparente (erkennbare) Divertikulitis.
  • Peridivertikulitis: Entzündung, die sich auf das umliegende Gewebe des Divertikels ausbreitet.

Ursachen

  • Erworbene Divertikel: Entstehen durch muskelschwache Lücken in der Kolonwand, durch die sich die Mukosa (Darmschleimhaut) und Submukosa vorwölben.
  • Angeborene Divertikel: Selten und betreffen alle Wandschichten eines Hohlorgans.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend bei Personen über 70 Jahren auf, mit einem Häufigkeitsgipfel bei über 85-Jährigen.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Gesamtbevölkerung: 28-45 %.
  • Unter 50 Jahren: Ca. 13 %.
  • Zwischen 50 und 70 Jahren: Ca. 30 %.
  • Über 70 Jahren: Ca. 50 %.
  • Über 85 Jahren: Ca. 66 %.
  • Weltweit: Die Prävalenz ist in westlichen Ländern hoch, in Afrika und Asien hingegen gering (ca. 10 %).
  • Bei 10-20 % der Personen mit Divertikulose tritt eine Divertikulitis auf.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Akuter Verlauf

    • Initiale Symptome: Eine akute Divertikulitis beginnt meist plötzlich mit kolikartigen Schmerzen, die typischerweise im linken Unterbauch lokalisiert sind. Diese Schmerzen werden oft von Fieber, Übelkeit und verändertem Stuhlgang begleitet.
    • Komplikationen:
      • Abszessbildung: In einigen Fällen kann es zu einer Ansammlung von Eiter in den Divertikeln kommen, die einen Abszess bilden. Dies kann durch anhaltende Schmerzen, Fieber und erhöhte Entzündungsmarker im Blut angezeigt werden.
      • Perforation: Eine gedeckte oder offene Perforation (Durchbruch) kann auftreten, bei der der Inhalt des Darms in die Bauchhöhle gelangt. Eine gedeckte Perforation wird durch benachbarte Strukturen abgeschirmt, während eine offene Perforation zu einer schweren, lebensbedrohlichen Peritonitis (Bauchfellentzündung) führen kann.
      • Fistelbildung: Chronische Entzündungen können zur Bildung von Fisteln führen, die abnorme Verbindungen zwischen dem Darm und anderen Organen (z. B. Blase, Haut) darstellen.
      • Stenosen: Wiederholte Entzündungsschübe können zu einer Verengung des Darmsegments (Stenose) führen, was sich durch zunehmende Schmerzen, Blähungen und Darmobstruktion (Ileus) äußert.
    • Blutungen: Kolondivertikelblutungen können auftreten und zu einer unteren gastrointestinalen Blutung (UGIB) führen. Diese zeigt sich in der Regel durch hellrotes Blut im Stuhl (Hämatochezie).
    • Rezidivierende Schübe: Nach einer akuten Episode können bei etwa 2-35 % der Patienten rezidivierende Schübe auftreten. Die Rezidivrate ist dabei abhängig vom Schweregrad der initialen Entzündung und der Wirksamkeit der Therapie.
  • Chronischer Verlauf

    • Persistierende Entzündungen: Patienten mit chronischer Divertikulitis erleben häufig wiederkehrende oder anhaltende Entzündungsschübe, die über Wochen bis Monate anhalten können.
    • Langfristige Komplikationen: Diese können Stenosen, Fisteln und anhaltende Schmerzen umfassen, die zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Lebensqualität führen können.
    • Segmentale Kolitis: In seltenen Fällen kann eine segmentale Colitis assoziiert sein, die eine entzündliche Erkrankung des Kolons darstellt, begrenzt auf das Divertikel-umgebende Gewebe.

Prognose

  • Akute, unkomplizierte Divertikulitis: Bei rechtzeitiger und adäquater Behandlung (Antibiotika, Ernährungsumstellung) ist die Prognose gut. Die meisten Patienten erholen sich vollständig, und das Risiko für Komplikationen ist gering.
  • Komplizierte Divertikulitis: Patienten mit Abszessen, Perforationen oder anderen schwerwiegenden Komplikationen haben eine schlechtere Prognose. Eine chirurgische Intervention kann erforderlich sein, um das betroffene Darmsegment zu entfernen und weitere Komplikationen zu verhindern.
  • Langzeitprognose:
    • Rezidivrate: Bei einer komplikationslosen akuten Divertikulitis liegt die Rezidivrate je nach Studie zwischen 2 % und 35 %. Wiederholte Schübe können das Risiko für chronische Komplikationen erhöhen.
    • Letalität: Die Letalität (Sterblichkeit) bei einer phlegmonösen (diffus ausbreitenden) Divertikulitis liegt unter 1 %, während sie bei abszedierender Divertikulitis auf 1-3 % und bei einer freien Perforation auf 12-24 % ansteigt. Patienten unter immunsuppressiver Therapie haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe und Komplikationen.
    • Komorbiditäten: Bestehende Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) wie Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) und arterielle Hypertonie niedriger Blutdruck) können das Risiko für Divertikelkomplikationen erhöhen und die Langzeitprognose verschlechtern.
  • Langfristige Lebensqualität: Chronische oder rezidivierende Divertikulitis kann die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen. Insbesondere die Notwendigkeit wiederholter medizinischer Eingriffe, Ernährungsumstellungen und die ständige Angst vor neuen Schüben können zu einer erheblichen psychischen Belastung führen.

Komorbiditäten

Die Divertikulose ist vermehrt mit einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion; 2,4-faches Risiko) und einer arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) vergesellschaftet [1].
Eine Divertikulose kann selten mit einer segmentalen Colitis (Darmentzündung mit Segmentbefall) assoziiert sein (SCAD).

Literatur

  1. Kopylov U, Ben-Horin S, Lahat A et al.: Obesity, metabolic syndrome and the risk of development of colonic diverticulosis. Digestion 2012; 86: 201-205

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Divertikelkrankheit/Divertikulitis. (AWMF-Registernummer: 021-020), Oktober 2021 Langfassung
  2. Clinical Guidelines: Diagnosis and Management of Acute Left-Sided Colonic Diverticulitis: A Clinical Guideline From the American College of Physicians Annals of Internal Medicine 18 January 2022 https://doi.org/10.7326/M21-2710