Darmkrebs (Kolonkarzinom) – Operative Therapie

Kolonkarzinom

Vorgehen bei pT1-Karzinomen (nach aktueller S3-Leitlinie)

  • Ergibt die histologische Untersuchung eines endoskopisch R0-entfernten Polypen ein pT1-Karzinom, soll auf eine onkologische Nachresektion verzichtet werden, wenn es sich um eine Low-risk Situation bei histologisch karzinomfreier Polypen-basis (R0; kurative Resektion) handelt.
    In der High-risk Situation soll die radikale chirurgische Behandlung erfolgen, auch wenn die Läsion komplett entfernt wurde.
  • Bei inkompletter Abtragung eines Low-risk pT1-Karzinoms soll eine komplette endoskopische oder lokale chirurgische Entfernung erfolgen. Wenn eine R0-Situation nicht erreichbar ist oder Zweifel am Vorliegen einer pT1-Situation bestehen, soll die onkologisch-chirurgische Resektion erfolgen.
  • Die endoskopische lokale Nachsorge soll nach kompletter Entfernung (R0) von Low risk (pT1, low grade (G1, G2, L0)) Karzinomen nach einem halben Jahr erfolgen. Eine komplette Koloskopie soll nach 3 Jahren erfolgen.

Die größte Bedeutung in der Behandlung des Kolonkarzinoms (Darmkrebs) hat die Operation. Dabei müssen folgende Grundsätze beachtet werden (nach aktueller S3-Leitlinie):

  • Die chirurgische Therapie des Kolonkarzinoms sollte die komplette mesokolische Exzision (CME) beinhalten.
    Das Mesokolon umfasst als beidseitige Hülle die Lymphknoten an den versorgenden Arterien.
  • Die komplette Entfernung des Mesorektums beim Karzinom des mittleren und unteren Rektumdrittels und die partielle Mesorektumexzision beim Karzinom des oberen Rektumdrittels durch scharfe Dissektion entlang anatomischer Strukturen zwischen Fascia pelvis visceralis und parietalis (totale mesorektale Exzision – TME)
    Nach distal sollte der Sicherheitsabstand 1-2 cm betragen, nach neoadjuvanter Therapie sind sphinkternah auch 5 mm akzeptabel.
    Hinweis: 12 und mehr Lymphknoten sollen entfernt und untersucht werden.
  • Die Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstands
  • In der Regel die En-Bloc-Resektion von tumoradhärenten Organen (mutiviszerale Resektion) zur Vermeidung einer örtlichen Tumorzelldissemination
  • Die Schonung der autonomen Beckennerven (Nn. hypogastrici, Plexus hypogastrici inferiores et superior)

Es werden folgende Formen der Dickdarmresektion unterschieden:

  • Hemikolektomie rechts – Entfernung des rechten Dickdarms
  • Hemikolektomie links – Entfernung des linken Dickdarms
  • Transversumresektion – Entfernung des Colon transversum
  • Sigmaresektion – Entfernung des Colon sigmoideum

Durch die Länge des Kolons (Dickdarm) bedeutet der Verlust eines Darmabschnitts meistens keine Beeinträchtigung der Funktion. Es wird einfach der tumoröse Anteil entfernt und die Enden wieder zusammengenäht oder -geklammert. Sofern sich noch keine Metastasen (Tochtergeschwülste) gebildet haben, sind die Chancen sehr gut, dass dadurch eine bleibende Heilung erzielt wird.

Chirurgische Resektion des kolorektalen Karzinoms: Wann laparoskopisch, robotisch oder klassisch?

In einer Übersichtsarbeit wurden die fortschreitenden Entwicklungen und differenziellen Einsatzmöglichkeiten der chirurgischen Resektionsverfahren beim kolorektalen Karzinom detailliert diskutiert [11]. Die Autoren stellen heraus, dass sowohl minimal-invasive Chirurgie (MIC) als auch robotergestützte Verfahren Vorteile in der postoperativen Erholung und Morbidität zeigen, jedoch onkologisch der klassischen offenen Chirurgie nicht überlegen sind. Sie betonen die Notwendigkeit, die Wahl des chirurgischen Ansatzes individuell nach Patienten- und Tumorcharakteristika sowie chirurgischer Expertise und Patientenpräferenzen zu treffen. Abschließend empfehlen sie, dass trotz der technologischen Fortschritte und der zunehmenden Beliebtheit von MIC und Robotik, die offene Chirurgie in spezifischen, komplexen Fällen unverzichtbar bleibt.

Kolonkarzinom und akutes Abdomen

In ca. 20 % aller Fälle werden Kolonkarzinome aufgrund eines akuten Abdomens diagnostiziert. In ca. 80 % der Fälle wird dabei die Darmpassage blockiert. Üblicherweise macht dieses eine Notoperation erforderlich, da es sonst zu einer Ruptur der Darmwand käme. Dieses Vorgehen führt im Regelfall zur zwischenzeitlichen Anlage eines Anus praeter (künstlicher Darmausgang).
In einer Studie haben Ärzte bei einer Hälfte der Patienten anstelle der Notoperation die Kontinuität der Darmpassage durch eine endoskopische Platzierung eines Stents ("Gefäßstütze") wiederhergestellt und damit die eigentliche Krebsoperation auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Durch dieses Vorgehen benötigt diese Patientengruppe nur in 45 % der Fälle ein Anus praeter. Im Falle der Notoperation war in 69 % der Fälle ein künstlicher Darmausgang erforderlich. Die Mortalitätsrate (Sterberate) war in beiden Gruppen nach einem Jahr gleich [6].

Rektumkarzinom

Beim Rektumkarzinom (Mastdarmkrebs) ist die vollständige Operation (Rektumresektion) ebenfalls das primäre Ziel. Durch die modernen Operationsmethoden gelingt es dabei in den meisten Fällen, den Sphinkter (Schließmuskel) zu erhalten. Dazu eingesetzt wird ein minimalinvasives Verfahren namens "TAMIS". Dieses steht für transanale minimal-invasive Chirurgie, "TME" bezeichnet die totale mesorektale Exzision (Entfernung des Mesorektums; das Rektum umgebende Fettgewebe bezeichnet. Es enthält die lokalen Leitungsbahnen sowie regionäre Lymphknoten). Dieses Verfahren schont das autonome Nervensystem (ANS) für Sexual- und Blasenfunktion und hat zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität bei betroffenen Patienten geführt. Die TME stellt heutzutage den Goldstandard der operativen Therapie des Rektumkarzinoms dar [Leitlinie: S3-Leitlinie]. Die laparoskopische TME (lapTME) gilt inzwischen als gleichwertig zur offenen Chirurgie.

Des Weiteren ist Ziel der Resektion die vollständige Entfernung des Tumors mit tumorfreien Absetzungsrändern (R0) aboral, d. h. zum Sphinkter hin, oral und circumferenziell (beschrieben mit CRM, "circumferential margin).

Voraussetzung dafür ist, dass der Tumor nicht in den Sphinkter infiltriert (hineingewachsen) ist. Falls eine Infiltration erfolgt ist, muss ein Anus praeter (künstlich angelegter Darmausgang) bzw. Stoma angelegt werden.

Beachte: Sphinktererhaltend operierte Patienten leiden in 40-80 % der Fälle an einem "Low Anterior Resection Syndrome“ (LARS). Dieses beschreibt eine gestörte Darmfunktion, die mit hoher Stuhlfrequenz, fraktionierter Entleerung, Stuhldrang, Diarrhöen (Durchfälle) und Inkontinenzproblemen einhergeht.
Über diesen Sachverhalt sollte aufgeklärt werden!

Eine Therapie des Rektumkarzinoms im UICC-Stadium II oder III erfolgt standardmäßig in folgenden Behandlungsschritten:

  1. Radiochemotherapie (RCT; z. B. Fluorouracil/Oxaliplatin; Strahlentherapie mit 50,5 Gy) – mit dem Ziel die Tumormasse vor der chirurgischen Entfernung des Tumors zu verringern
  2. Operation*
  3. Chemotherapie (3 Zyklen Fluorouracil, Leucovorin und Oxaliplatin) – mit dem Ziel eventuelle Mikrometastasen im Körper zu vernichten

*Das laparoskopische Vorgehen gilt heute als Alternative zur offenen Operation.

In einer Studie war das komplette histopathologische Ansprechen des Tumors gegenüber dem Standardvorgehen (siehe oben) um 10 % erhöht, wenn die Behandlung in folgenden Schritten erfolgte: erst eine Radiochemotherapie (RCT), dann eine Chemotherapie und zuletzt die Operation [10].

Für das lokal fortgeschrittene Adenokarzinom (cT3/4 und/oder cN+) des mittleren und unteren Rektumdrittels empfiehlt die S3-Leitlinie weiterhin eine neoadjuvante Radiochemotherapie (Therapie, die zur Reduktion der Tumormasse vor einem geplanten operativen Eingriff) oder Kurzzeitradiotherapie (Empfehlungsgrad A, „level of evidence“ 1b, Zustimmung > 75-95 %). Als Expertenkonsens (Zustimmung > 95 %) wurde allerdings ergänzt:

  • "In folgenden Ausnahmefällen kann bei Patienten mit Rektumkarzinom im UICC-Stadium II/III eine primäre Resektion erfolgen: cT1/2-Tumoren im unteren und mittleren Drittel mit bildgebend fraglichen Lymphknotenbefall; cT3a/b-Tumoren im mittleren Drittel mit in der MRT nur limitierter Infiltration ins perirektale Fettgewebe (cT3a: < 1 mm, cT3b: 1-5 mm) und ohne bildgebenden Verdacht auf Lymphknotenmetastasen oder extramuraler Gefäßinvasion (EMVI-) bei adäquater Qualitätssicherung der MRT-Diagnostik und der TME-Chirurgie (wg. TME s. o.)".

Rektumkarzinomrezidiv

  • Wiederauftreten eines Rektumkarzinoms: Die chirurgische R0-Resektion stellt bei der Behandlung eines lokal rezidivierten Rektumkarzinoms (LRRC) die einzige Chance auf Heilung dar. Dabei sollte die Tumoreröffnung vermieden und die Indikation zur En-bloc-Resektion beteiligter Nachbarorgane großzügig gestellt werden.

Stoma-Anlage

  • Bei der radikalen Operation des Rektumkarzinoms mit TME (Totale mesorektale Exzision) und tiefer Anastomose soll ein temporäres Deviationsstoma (Anus praeter) vorgeschaltet werden.
  • Als Deviationsstoma sind Kolostoma (künstlicher Darmausgang des Dickdarms) und Ileostoma (künstlicher Darmausgang des Dünndarms) gleichwertig.

Isolierte Lebermetastasen (Tochtergeschwülste in der Leber) sollten ebenfalls chirurgisch entfernt werden – falls möglich.
Die simultane Resektion von Lebermetastasen beeinflusst wahrscheinlich das Langzeitüberleben im Vergleich zu einem zweizeitigen Vorgehen bei geeigneter Selektion der Patienten nicht (aktuelle S3-Leitlinie).

Weitere Hinweise

  • Bei geeigneter Selektion und Expertise des Operateurs führt die laparoskopische Operation zu gleichen onkologischen Ergebnissen wie beim offenen Verfahren [1, 2, 3).
    Bei minimalinvasiven Eingriffen waren die Mortalitätsraten während des Klinikaufenthalts der offenen Operation insgesamt signifikant überlegen (1,8 % vs. 4,7 %); die Liegezeiten waren nach minimalinvasiven Eingriffen meist kürzer (10-15 Tage vs. 15-19 Tage nach offener Operation) [9].
  • Nach R1-Resektion (makroskopisch wurde der Tumor entfernt; in der Histopathologie sind jedoch kleinere Tumoranteile im Resektionsrand nachweisbar) von Adenokarzinomen des Rektums sind nicht lokale Rezidive (örtliches Wiederauftreten) des Tumors das Problem, sondern das Auftreten von Fernmetastasen (Tochtergeschwülste; Lungenmetastasen 77 %, Lebermetastasen 32 %) [4].
  • Die präoperative mechanische Darmreinigung in Kombination mit einer oralen Antibiotikatherapie führte zu einer signifikant niedrigeren Rate von Wundinfektion 30 Tage nach dem Eingriff in Vergleich zu Eingriffen ohne beide Vorsorgemaßnahmen (3,2 % versus 9,0 %). Auch die Anastomoseninsuffizienz (Aufreißen oder Undichtwerden der Verbindung der Darmenden) trat deutlich seltener auf (2,8 % versus 5,7 %) [5].
  • Die Ergebnisse einer bevölkerungsgestützten Studie in den Niederlanden lassen vermuten, dass Patienten mit kolorektalem Karzinom im Stadium IV mit einer primären Resektion als Erstmaßnahme offenbar länger leben als mit einer systemischen Therapie: 24 % in der Gruppe mit der primären Resektion (operativen Entfernung) im Vergleich zur Gruppe mit systemischer Therapie nur noch 14 %.
    Die mediane Überlebenszeit nach Operation als Initialtherapie betrug 17,2 Monate (95 %-Konfidenzintervall zwischen 16,3 und 18,1 Monaten) und in der Vergleichsgruppe 11,5 Monate (95 %-Konfidenzintervall zwischen 11,0 und 12,0 Monaten). [7].
  • Watchful Waiting (beobachten und abwarten) zeigte bei Patienten mit Rektumkarzinom ohne Metastasen, die mit einer klinisch vollständigen Remission auf die neoadjuvante Radiochemotherapie (RCTX) reagieren, ein zusätzlich verursachtes Risiko von 2-3 %, am Tumor zu sterben. Dieses scheint damit eine geeignete Therapiestrategie zu sein [8]. Es handelte sich dabei um eine prospektive Kohortenstudie mit 100 Patienten (weitere Studien sind abzuwarten).

Literatur

  1. Green BL, Marshall HC, Collinson F et al.: Long-term follow-up of the Medical Research Council CLASICC trial of conventional versus laparoscopically assisted resection in colorectal cancer. (2013) Br J Surg 100:75-82
  2. Kuhry E, Schwenk W, Gaupset R et al. (2008) Long-term results of laparoscopic colorectal cancer resection. Cochrane Database Syst Rev 2:CD003432
  3. S3-Leitlinie: Kolorektales Karzinom. (AWMF-Registernummer: 021 - 007OL), Januar 2019 Kurzfassung Langfassung
  4. Tilly C et al.: R1 Rectal Resection: Look Up and Don’t Look Down. Ann Surg 2014; 260: 794-800
  5. Scarborough JE et al.: Combined Mechanical and Oral Antibiotic Bowel Preparation Reduces Incisional Surgical Site Infection and Anastomotic Leak Rates After Elective Colorectal Resection. An Analysis of Colectomy-Targeted ACS NSQIP. Ann Surg 2015; online 23. Januar; doi: 10.1097/SLA.0000000000001041
  6. Hill J et al.: CREST: Randomised phase III study of stenting as a bridge to surgery in obstructing colorectal cancer – Results of the UK ColoRectal Endoscopic Stenting Trial (CREST). J Clin Oncol 34, 2016 (suppl; abstr 3507)
  7. ‘t Lam-Boer J et al.: Palliative resection of the primary tumor is associated with improved overall survival in incurable stage IV colorectal cancer: A nationwide population-based propensity-score adjusted study in the Netherlands. Int J Cancer 2016; online 24. Juni. doi: 10.1002/ijc.30240
  8. Martens MH et al.: Long-term Outcome of an Organ Preservation Program After Neoadjuvant Treatment for Rectal Cancer. J Natl Cancer Inst 2016; 108 (12): djw171. doi: 10.1093/jnci/djw171
  9. Ghadban T et al.: Minimally invasive surgery for colorectal cancer remains underutilized in Germany despite its nationwide application over the last decade. Sci Reports 2018; 8: 15146; online 11. Oktober; doi: 10.1038/s41598-018-33510-y
  10. Fokas E et al.: Randomized Phase II Trial of Chemoradiotherapy Plus Induction or Consolidation Chemotherapy as Total Neoadjuvant Therapy for Locally Advanced Rectal Cancer: CAO/ARO/AIO-12 Journal of Clinical Oncology 2019 doi: 10.1200/JCO.19.00308
  11. Willis M et al.: Chirurgische Resektion des kolorektalen Karzinoms Wann laparoskopisch, robotisch oder klassisch? Die Gastroenterologie / Ausgabe 5/2024 Print ISSN: 2731-7420 Elektronische ISSN: 2731-7439 doi: https://doi.org/10.1007/s11377-024-00804-9

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Kolorektales Karzinom. (AWMF-Registernummer: 021 - 007OL), November 2017 Kurzfassung Langfassung