Darminfarkt (Mesenterialinfarkt) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Mesenterialischämie beschreibt den akuten Verschluss der Blutgefäße, die den Darm versorgen, und stellt das Endstadium einer abdominellen arteriellen Verschlusskrankheit dar. Bei etwa 85 % der arteriellen Fälle ist die Arteria mesenterica superior (AMS) betroffen, was zu einem akuten Durchblutungsstopp führt. Die venöse Mesenterialischämie hingegen führt erst dann zum Dünndarminfarkt, wenn auch die Vena portae (Pfortader) thrombosiert ist. Innerhalb von sechs Stunden nach einem vollständigen Gefäßverschluss entstehen irreparable Schäden an der Darmmukosa (Darmschleimhaut).

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Arteriell okklusive Ischämie: Der Verschluss einer Arterie – in 85 % aller Fälle der AMS – tritt entweder durch eine Embolie (arterielle Embolie) oder eine Thrombose auf, was zu einem akuten Stopp der Blutversorgung führt. Diese Form der Ischämie ist häufig das Resultat eines Embolus, der z. B. aus dem Herzen stammt.
  • Arteriell nicht-okklusive Ischämie (NOMI): Diese Form, auch nicht-okklusive Mesenterialischämie genannt, tritt infolge von Herzkreislaufstörungen auf. Eine reduzierte Herzleistung, z. B. bei Herzinsuffizienz (Herzschwäche), führt zu reaktiven Gefäßspasmen im mesenterialen Stromgebiet, die eine Minderdurchblutung verursachen. Besonders anfällig ist das mesenteriale Gefäßsystem, wenn das Herzzeitvolumen (HZV) stark abfällt.
  • Venöse Mesenterialischämie: Eine Thrombose in der mesentericoportalen Achse führt zu einem Rückstau und erhöhter Druckbelastung im venösen System des Darms. Dies kann letztlich zu einem Dünndarminfarkt führen, wenn der thrombotische Verschluss auch die Pfortader umfasst.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

  • Ischämiebedingte Zellschädigung: Durch den gestörten Blutfluss in der betroffenen Region entsteht ein Sauerstoffmangel, der zu Zellschäden in der Darmwand und insbesondere in der Darmschleimhaut führt.
  • Entzündungsreaktion und Nekrose: Nach wenigen Stunden kommt es zu einer Entzündungsreaktion, gefolgt von Nekrosen (Gewebsuntergang) in der Darmwand, was die Integrität der Darmbarriere gefährdet und das Risiko einer Peritonitis (Bauchfellentzündung) erhöht.

Klinisches Bild

Die Mesenterialischämie führt zu plötzlich einsetzenden, starken Bauchschmerzen, häufig begleitet von Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Eine späte Phase ist durch schmerzlosen Bauch bei gleichzeitig schwerem Krankheitsbild gekennzeichnet, was auf eine fortgeschrittene Ischämie hinweist. Weitere Anzeichen sind eine Abwehrspannung des Abdomens und Zeichen eines Schocks im fortgeschrittenen Stadium.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Mesenterialischämie ist eine medizinische Notfallsituation, die in kurzer Zeit zu irreversiblen Schäden in der Darmwand führen kann. Sie tritt in arteriellen, venösen und nicht-okklusiven Formen auf, wobei die arteriell bedingte Mesenterialischämie am häufigsten ist. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung sind entscheidend, da unbehandelte Mesenterialischämien rasch zu schweren Komplikationen wie Peritonitis (Bauchfellentzündung) und septischem Schock (Schock durch Blutvergiftung) führen können.

Ätiologie (Ursachen) der okklusiven Mesenterialischämie

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Fettreiche Ernährung – Begünstigt die Entwicklung von Atherosklerose und erhöht das Risiko für arterielle Verschlüsse.
    • Ballaststoffarme Ernährung – Reduziert die Darmbewegung und die allgemeine Gefäßgesundheit.
    • Hoher Salzkonsum – Kann Bluthochdruck fördern, ein wesentlicher Risikofaktor für Mesenterialinfarkte.
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen) – Erhöht das Risiko eines Mesenterialinfarkts um das 6-Fache im Vergleich zu Nichtrauchern [1].
    • Alkoholkonsum – Übermäßiger Alkoholgenuss fördert vaskuläre (gefäßbedingte) Schäden und das Risiko für Thrombosen.
  • Körperliche Aktivität
    • Bewegungsmangel – Fördert die Entstehung von Thrombosen und beeinträchtigt die Durchblutung.
    • Übermäßige körperliche Belastung – Kann bei bestehenden vaskulären Problemen das Risiko für Infarkte erhöhen.
  • Psycho-soziale Situation
    • Chronischer Stress – Beeinträchtigt das Gefäßsystem und erhöht das Risiko für arterielle Verschlüsse.
    • Ungünstige Schlafmuster – Reduziert die vaskuläre Regeneration und erhöht das Risiko für Gefäßerkrankungen.

Krankheitsbedingte Ursachen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
  • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Koronare Herzkrankheit (KHK)
  • Periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK) – fortschreitende Verengung bzw. Verschluss der die Arme/ (häufiger) Beine versorgenden Arterien, meist aufgrund von Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
  • Zust. n. Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
  • Vorhofflimmern (Herzrhythmusstörungen)

Ätiologie (Ursachen) der non-okklusiven Mesenterialischämie (NOD)

Biographische Ursachen

  • Lebensalter – zunehmendes Alter 

Krankheitsbedingte Ursachen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Periphere und zerebrovaskuläre Gefäßerkrankungen, nicht näher bezeichnet
  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)

Weitere Ursachen

  • Chronische Hämodialyse (Blutwäsche), wg. Flüssigkeitsentzug mit Hypovoämie
  • Zustand nach Herzoperation mit Herz-Lungen-Maschine, Einsatz der intraaortalen Ballonpumpe

Medikamente

  • Digitalis ‒ Wirkstoff, der bei Herzinsuffizienz eingesetzt wird

Ätiologie (Ursachen) der venösen Mesenterialischämie

Krankheitsbedingte Ursachen

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Thrombophilie (Thromboseneigung), angeborene (z. B. AT III-, Protein C-, -S-Mangel)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Hepatozelluläres Karzinom (HCC) (Leberzellkrebs)
  • Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs)
  • Paraneoplastisch ‒ Veränderungen, die aufgrund einer malignen (bösartigen) Neubildung auftreten können

Literatur

  1. Carter BD et al.: Smoking and Mortality – Beyond Established Causes. N Engl J Med 2015; 372:631-640, February 12, 2015, doi: 10.1056/NEJMsa1407211