Blinddarmentzündung (Appendicitis) – Medikamentöse Therapie
Therapieziele
- Vermeiden von Komplikationen
- Ausheilen einer Appendicitis
Therapieempfehlungen
- Erwachsene
- Bei einer unkomplizierten akuten Appendicitis (d. h. keine Hinweise auf Perforation des Appendix ("Blinddarmdurchbruch") – siehe dazu unter Medizingerätediagnostik – und/oder Peritonitis/Bauchfellentzündung) ist eine Antibiotikatherapie (Betalaktame – Amoxicillin + Clavulansäure oder Cefotaxim – ggf. auch kombiniert mit Imidazol) mit Beobachten und Abwarten ein mögliche sinnvolle Strategie. 63 % der so behandelten Patienten sprachen auf die Therapie an. Das relative Komplikationsrisiko lag bei der Antibiotikatherapie um 31 % unter der Appendektomierisikorate (RR 0,69; 95 %-KI 0,54-0,89; p = 0,0049 [1].
- Eine Antibiotikatherapie verhinderte bei einer unkomplizierten Appendicitis bei erwachsenen Patienten drei von vier Operationen; jeder vierte Patient benötigte innerhalb eines Jahres noch eine Appendektomie [2].
Nach einem 5-Jahr-Follow-up zeigte sich, dass unter den Patienten mit unkomplizierter akuter Appendizitis, die anfänglich mit Antibiotika behandelt wurden, die Wahrscheinlichkeit eines späten Rezidivs innerhalb von 5 Jahren bei 39,1 % lag. Dieses Ergebnis unterstützt die Machbarkeit eine Antibiotikatherapie als Alternative zur Operation bei unkomplizierter akuter Appendicitis [5]. - Gemäß einer retrospektiven Studie (Daten 58.329 privat versicherte Patienten) traten bei einer unkomplizierten Appendicitis nach einer Antibiotikabehandlung anstelle einer Operation signifikant häufiger Nachbehandlungen auf:
- In den ersten 30 Tagen mussten 4,6 % erneut im Krankenhaus behandelt werden versus 2,5 % der operierten Patienten.
- Insgesamt 2,6 % der nicht operierten Patienten wurden innerhalb von 30 Tagen wegen appendicitisassoziierter Komplikationen im Krankenhaus behandelt versus 1,2 % der operierten Patienten.
- Bei 8 der nicht operierten Patienten war als Lanzeitkomplikation (≥ 30 Tage) ein Appendixkarzinom übersehen worden (absolute Rate: 0,3 %).
- Nur bei 3,9 % der Patienten wurde in einer Nachbeobachtungszeit von 3,2 Jahren doch noch eine Appendektomie durchgeführt.
- Antibiotikabehandlung einer Appendicitis mit Abszessbildung bei älteren Erwachsenen: Zur Vermeidung möglicher Komplikationen durch eine Operation wird eine Appendicitis mit Abszessbildung zunächst konservativ mit Antibiotika und ggf. auch mit einer Drainage behandelt.
Nach Abklingen der akuten Entzündung wird ggf. eine Intervall-Appendektomie durchgeführt.
Die PeriAPPAC-Studie (für „The Treatment of Periappendicular Abscess After the Acute Phase“) kam es bei einer Randomisierung von 122 Patienten mit periappendikulärem Abszess in zwei Gruppen (in einer sollte die Intervall-Appendektomie erfolgen und in der anderen Gruppe sollte darauf verzichtet werden), nach einer Zwischenauswertung der Gruppe mit einer Intervall-Appendektomie, zum Abbruch der Studie. Bei 12 von 60 Patienten, d. h. bei jedem fünften Patienten, wurde im Bereich des früheren Abszess' eine muzinöse Neoplasie mit niedrigem Grad nachgewiesen, bei drei weiteren Patienten ein serratiertes Adenom und zwei Patienten hatten ein Adenokarzinom und jeweils einer ein Karzinoid-Tumor, ein muzinöses Zystadenom oder eine Pseudomyxoma peritonei. Das Alter der Patienten mit Tumoren wurde mit über 40 Jahren angegeben [6].
Bislang ist man davon ausgegangen, dass Neoplasien der Appendix mit einer Häufigkeit von 0,7 bis 1,7 % auftreten können.
- Kinder
- Bei einer unkomplizierten akuten Appendicitis ist eine Antibiotikatherapie mit Beobachten und Abwarten wahrscheinlich ebenfalls ein mögliche sinnvolle Strategie bei Kindern.
In einer Metaanaylse von fünf klinischen Studien wurden Kinder mit einer durch Computertomographie oder Sonographie (Ultraschalluntersuchung) bestätigten Appendicitis wie folgt behandelt [4]: von 404 Patienten wurden- 168 (= 42 %) wurden zunächst mit Antibiotika behandelt; davon kam es bei
- 152 Patienten (90,5 %) zu einer Ausheilung
- 16 Patienten (9,5 Prozent); davon wurden bzw. hatten
- elf innerhalb von 48 Stunden operiert
- fünf Patienten innerhalb eines Monats nach der Antibiotikatherapie ein Rezidiv (Wiederauftreten der Erkrankung) und erhielten ein Appendektomie (operative Entfernung des Wurmfortsatzes (Appendix vermiformis)).
- Bei den 16 Patienten wurde die Appendicitis histologisch bestätigt, bei drei der 16 Kinder lag eine Perforation vor.
Die 236 Kinder, die sofort operiert wurden, hatten ebenfalls eine histologisch bestätigte Appendicitis.
- 168 (= 42 %) wurden zunächst mit Antibiotika behandelt; davon kam es bei
- Fazit: Die Antibiotika-Behandlung war zu 90 % erfolgreich; es bleibt allerdings ein 8,92-faches Risiko auf ein Versagen der Antibiotikatherapie (Risk-Ratio 8,92; 95-Prozent-Konfidenzintervall 2,67-29,79).
- Bei einer unkomplizierten akuten Appendicitis ist eine Antibiotikatherapie mit Beobachten und Abwarten wahrscheinlich ebenfalls ein mögliche sinnvolle Strategie bei Kindern.
- Postoperative Antibiotikaprophylaxe nach akuter komplizierter Appendicitis: Die 3-tägige Antibiotikaprophylaxe im Vergleich zur 5-tägigen Antibiotikaprophylaxe zeigte keine statistisch signifikanten Unterschiede bei [3]:
- Rate der Komplikationen durch Infektionen (Odds Ratio [OR]: 0,93; 95 %-Konfidenzintervall zwischen 0,32 und 2,32; p = 0,88)
- Rate intraabdomineller Abszesse (Eiterhöhle innerhalb des Bauchraumes: OR: 0,89; 95 %-Konfidenzintervall zwischen 0,34 und 2,35; p = 0,81)
- Die Perforation des Appendix ("Blinddarmdurchbruch") gilt gemäß einer Studie als einziger unabhängiger Risikofaktor für eine Komplikation durch Infektionen (OR: 4,90; 95 %-Konfidenzintervall zwischen 1,41 und 17,06; p = 0,01) und für intraabdominelle Abszesse (OR: 7,46; 95 %-Konfidenzintervall zwischen 1,65 und 33,66; p = 0,009) [3].
Beachte: Der Nachweis eines Appendikolithen im Röntgen von initial mit Antibiotika behandelten Appendizitispatienten geht mit einem um fast das 2-fache erhöhte Risiko einer Appendektomie innerhalb von 30 Tagen einher [8].
Weitere Hinweise
- Auch orale Antibiotika können Operation vermeiden: Eine 7-tägige orale Antibiotikabehandlung (Moxifloxacin) hat in einer randomisierten Studie 70 % der erwachsenen Patienten mit akuter Appendizitis vor einer Operation bewahrt. Eine Nichtunterlegenheit der oralen Antibiotikatherapie gegenüber einer anfänglich intravenösen Therapie (2 Tage Ertapenem i.v., gefolgt von 5 Tagen Levofloxacin und Metronidazol) konnte nicht sicher belegt werden [7].
Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)
Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für das Immunsystem sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:
- Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
- Spurenelemente (Chrom, Eisen, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink)
- Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
- Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Flavonoide (Citrusfrüchte), Lycopin (Tomaten), Proanthocyanidine (Cranberrys), Polyphenole)
- Weitere Vitalstoffe (Probiotische Kulturen: Laktobazillen, Bifidobakterien)
Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.
Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
Literatur
- Varadhan KK et al.: Safety and efficacy antibiotics compared with appendicectomy for treatment of uncomplicated acute appendicitis: meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ 2012;344:e2156
- Salminen P et al.: Antibiotic Therapy vs Appendectomy for Treatment of Uncomplicated Acute Appendicitis. The APPAC Randomized Clinical Trial. JAMA. 2015;313(23):2340-2348. doi:10.1001/jama.2015.6154
- Van Rossem CC et al.: Antibiotic Duration After Laparoscopic Appendectomy for Acute Complicated Appendicitis. JAMA Surg 2015; online 18. November; doi: 10.1001/jamasurg.2015.4236
- Huang L et al.: Comparison of Antibiotic Therapy and Appendectomy for Acute Uncomplicated Appendicitis in Children. A Meta-analysis. JAMA Pediatr. Published online March 27, 2017. doi:10.1001/jamapediatrics.2017.0057
- Salminen P et al.: Five-Year Follow-up of Antibiotic Therapy for Uncomplicated Acute Appendicitis in the APPAC Randomized Clinical Trial. JAMA. 2018;320(12):1259-1265. doi:10.1001/jama.2018.13201
- Mällinen J et al.: Risk of Appendiceal Neoplasm in Periappendicular Abscess in Patients Treated With Interval Appendectomy vs Follow-up With Magnetic Resonance Imaging 1-year Outcomes of the Peri-Appendicitis Acuta. Randomized Clinical Trial JAMA Surg. Published online November 28, 2018. doi:10.1001/jamasurg.2018.4373
- Sippola S et al.: Effect of Oral Moxifloxacin vs Intravenous Ertapenem Plus Oral Levofloxacin for Treatment of Uncomplicated Acute Appendicitis The APPAC II Randomized Clinical Trial JAMA. 2021;325(4):353-362. doi:10.1001/jama.2020.23525
- Writing Group for the CODA Collaborative: Patient Factors Associated With Appendectomy Within 30 Days of Initiating Antibiotic Treatment for Appendicitis JAMA Surg. Published online January 12, 2022. doi:10.1001/jamasurg.2021.6900