Bauchtrauma (Abdominaltrauma) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Ein Abdominaltrauma (Bauchtrauma) umfasst Verletzungen der Bauchorgane, die durch äußere Gewalt oder medizinische Eingriffe verursacht werden können. Abhängig von der Art der Verletzung wird zwischen stumpfem und penetrierendem Abdominaltrauma unterschieden. Die häufigsten Ursachen für ein stumpfes Abdominaltrauma sind Verkehrsunfälle, Stoßverletzungen oder Stürze, während penetrierende Verletzungen durch Schuss-, Stich- oder Pfählungsverletzungen entstehen. Beide Formen des Traumas können lebensbedrohliche Verletzungen der inneren Organe zur Folge haben, darunter Zwerchfell, Magen, Leber, Milz, Nieren und Darm.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Initialer Pathomechanismus:

  • Stumpfes Abdominaltrauma: Bei einem stumpfen Abdominaltrauma bleibt die Bauchdecke intakt, aber die darunterliegenden Organe können durch den plötzlichen Druck oder Aufprall geschädigt werden.
    • Häufige Ursachen: Verkehrsunfälle (70 %), Stoßverletzungen (15 %) und Stürze (6-9 %).
    • Folgen: Organschäden durch Kompression oder Zerreißung von Blutgefäßen und Gewebe, ohne direkte äußere Wunden.
  • Penetrierendes Abdominaltrauma: Beim penetrierenden Trauma wird die Bauchdecke durchbohrt oder aufgerissen, sodass innere Organe direkt verletzt werden.
    • Typische Ursachen: Stich-, Schuss- oder Pfählungsverletzungen.
    • Folgen: Direkte Organschäden, Perforationen (Durchbohrung) und Blutungen.

Molekulare und zelluläre Veränderungen:

  • Entzündungsreaktion: Durch Gewebeschädigung wird eine sofortige Entzündungsreaktion ausgelöst, die zur Freisetzung von Zytokinen (entzündungsfördernde Proteine) führt.
    • Akute Phase: Leukozyten (weiße Blutkörperchen) wandern in das betroffene Gewebe ein, um die Heilung zu unterstützen.
    • Folgen: Lokale Schwellung und Entzündung im betroffenen Bereich, die zu Schmerzen und Funktionsverlust führen.

Entwicklung struktureller Veränderungen:

  • Einrisse und Zerreißungen: Durch die mechanische Gewalt entstehen Risse im Gewebe oder an den Organen, insbesondere an stark durchbluteten Organen wie Leber und Milz.
    • Blutungen: Massive innere Blutungen können die Folge sein, insbesondere bei Verletzungen der großen Blutgefäße.
  • Perforationen der Hohlorgane: Hohlorgane wie Magen, Dünn- und Dickdarm können durch stumpfe oder penetrierende Gewalt perforiert werden.
    • Folge: Austritt von Darminhalt oder Magensäure in die Bauchhöhle, was zu einer Bauchfellentzündung (Peritonitis) führen kann.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Veränderungen in der Gewebsarchitektur:

  • Hämatombildung: Bei stumpfen Traumen kommt es häufig zur Bildung von Hämatomen (Blutergüssen) in den betroffenen Geweben und Organen.
    • Folgen: Diese Hämatome können durch Druck auf benachbarte Strukturen zusätzliche Schmerzen und Funktionsstörungen verursachen.
  • Ischämie (Durchblutungsstörung): Durch den Verlust von Blut oder die Kompression von Blutgefäßen kann die Sauerstoffversorgung der betroffenen Organe unterbrochen werden.
    • Folgen: Gewebsnekrosen (Absterben von Gewebe) in schlecht durchbluteten Bereichen.

Beteiligung des umgebenden Gewebes:

  • Peritonitis (Bauchfellentzündung): Eine Perforation von Hohlorganen wie Darm oder Magen führt zur Freisetzung von Bakterien und chemischen Substanzen in die Bauchhöhle.
    • Folgen: Starke Entzündungsreaktionen, Fieber und schwere Infektionen.
  • Ausbreitung der Entzündung: Entzündliche Prozesse können sich auf benachbarte Gewebe und Organe ausbreiten.
    • Organbeteiligung: Beteiligung von Leber, Milz, Nieren oder Bauchspeicheldrüse bei anhaltenden Entzündungen.

Vaskuläre Veränderungen:

  • Hypovolämischer Schock: Bei starken inneren Blutungen kann das zirkulierende Blutvolumen so stark reduziert werden, dass es zu einem Schock kommt.
    • Folge: Organversagen aufgrund von Sauerstoffmangel.

Klinische Manifestation

Leitsymptome:

  • Bauchschmerzen: Schmerzen im Bauchbereich sind das häufigste Symptom, insbesondere nach einem Unfall oder einer Gewalteinwirkung.
    • Schmerzlokalisation: Je nach betroffenem Organ können die Schmerzen diffus oder lokalisiert auftreten.
  • Abwehrspannung: Der Bauch fühlt sich hart und angespannt an, was auf innere Verletzungen oder eine beginnende Peritonitis hindeuten kann.
  • Schocksymptome: Blasse Haut, schneller Puls, niedriger Blutdruck und Schwäche deuten auf einen Schockzustand durch Blutverlust hin.

Fortgeschrittene Symptome:

  • Peritonitis: Entzündliche Reaktionen im Bauchraum führen zu starken Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen.
  • Blutungen: Innere Blutungen können zur Schwäche, Schwindel und schließlich zum Kreislaufkollaps führen.

Progression und Organbeteiligung

Lokale Gewebeveränderungen:

  • Gewebsnekrose: Durch den Blutverlust oder eine unterbrochene Durchblutung können betroffene Organe Gewebsnekrosen entwickeln.
    • Beispiele: Nierenversagen bei Verletzungen der Nierenarterien oder Lebernekrose bei schweren Leberverletzungen.

Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:

  • Multiorganversagen: Bei schweren Verletzungen und anhaltender Blutung kann es zu einem Multiorganversagen kommen.
    • Betroffene Organe: Leber, Nieren, Lunge und Herz können bei schwerem Blutverlust und Schock versagen.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

Beeinträchtigung der Organfunktionen:

  • Verlust der Organfunktion: Bei schweren Verletzungen kann die Funktion der betroffenen Organe stark eingeschränkt werden.
    • Beispiele: Leberfunktionsstörungen nach Rissen in der Leber oder verminderte Nierenfunktion nach Traumata der Nieren.

Langfristige Folgen:

  • Vernarbungen: Nach schweren Verletzungen können Narben im Gewebe und an den Organen entstehen, was die Beweglichkeit und Funktion beeinträchtigen kann.
  • Adhäsionen (Verwachsungen): Narbengewebe kann Verwachsungen im Bauchraum verursachen, was die Beweglichkeit der Organe beeinträchtigt und zu chronischen Schmerzen führen kann.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Versuche der Geweberegeneration:

  • Bildung von Narbengewebe: Nach einer Verletzung versucht der Körper, das geschädigte Gewebe durch Narbenbildung zu reparieren.
    • Folge: Die Funktionalität des betroffenen Organs kann durch Narbengewebe eingeschränkt werden.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen:

  • Verstärkte Aktivität benachbarter Organe: Bei Funktionsverlust eines Organs übernehmen benachbarte Organe oder Gewebe teilweise dessen Funktion.
    • Beispiel: Erhöhte Leberfunktion bei Schädigung eines Teils der Leber.

Limitierende Faktoren für Regeneration und Heilung:

  • Ausmaß der Verletzung: Bei großen Gewebsschäden kann die Regeneration eingeschränkt sein, insbesondere bei unzureichender Blutversorgung.
  • Chronische Entzündungen: Anhaltende Entzündungen verhindern eine vollständige Heilung und fördern die Bildung von Verwachsungen.

Zusammenfassung

Ein Abdominaltrauma kann durch stumpfe oder penetrierende Verletzungen verursacht werden und zu lebensbedrohlichen Schäden an inneren Organen führen. Die Pathogenese umfasst eine sofortige mechanische Schädigung der Organe, gefolgt von entzündlichen und vaskulären Reaktionen. Ohne schnelle medizinische Versorgung können Blutungen, Gewebsnekrosen und Multiorganversagen auftreten. Langfristige Folgen wie Narbenbildung und Verwachsungen können die Organfunktion beeinträchtigen und zu chronischen Beschwerden führen.

Ätiologie (Ursachen)

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Auffahrunfall
  • Anpralltrauma – stumpfe Gewalteinwirkung durch Anprall, z. B. an den Autogurt oder das Lenkrad (Verkehrsunfall); mit Beginn des Schulalters verunglückt jedes dritte Kind als Fußgänger und jedes vierte Kind als Radfahrer
  • Dezelerationstrauma (plötzliche Unterbrechung einer schnellen Körperbewegung) – z. B. bei Stürzen aus größerer Höhe (bei Säuglingen: Sturz vom Wickeltisch)
  • Einklemmung
  • Explosion
  • Iatrogen (vom Arzt verursacht) im Rahmen von operativen Eingriffen
  • Sportunfälle
  • Stich-, Schuss- oder Pfählungsverletzungen
  • Stöße, Tritte, Schläge gegen das Abdomen (ggf. auch Kindesmisshandlung)
  • Überrolltrauma
  • Verschüttung

Weiteres

Ein Abdominaltrauma kann auch iatrogen (vom Arzt verursacht) sein. Im Rahmen folgender Eingriffe kann es zu Verletzungen im Bereich des Abdomens (Bauch) kommen:

  • Laparoskopie (Bauchspiegelung)
  • Laparotomie (Eröffnung der Bauchhöhle)
  • Punktionen