Afterjucken (Pruritus ani) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beim Pruritus ani handelt es sich meistens um einen Pruritus cum materia (Juckreiz mit sichtbaren Hautveränderungen), oft infolge einer dermatologischen Erkrankung. Häufig ist die Ursache ein kumulativ-toxisches Ekzem (durch wiederholten Kontakt mit irritierenden Substanzen hervorgerufenes Ekzem). Verschiedene Triggerfaktoren wie proktologische (den Enddarm betreffende) und gastroenterologische (den Magen-Darm-Trakt betreffende) Erkrankungen spielen eine zentrale Rolle.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Dermatologische Irritationen: Externe Reize wie Fäzes (Stuhl) auf der perianalen Haut führen zu mechanischen und chemischen Irritationen, die den Juckreiz verstärken.
  • Ekzem: Kumulativ-toxische Ekzeme entstehen durch wiederholten Kontakt mit irritierenden Substanzen und fördern die Entzündungsreaktionen, die den Pruritus verstärken.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

  • Chronifizierung des Pruritus: Wiederholtes Kratzen kann zur Schädigung der Hautbarriere führen, was eine Schwächung des Hautschutzes und das Risiko für sekundäre bakterielle oder mykotische (pilzbedingte) Infektionen erhöht.
  • Psychogene Faktoren: Ein chronischer Juckreiz verstärkt psychische Belastungen wie Stress, die wiederum die Sensibilität der Haut erhöhen und den Juckreiz verstärken können.

Klinische Manifestation

  • Leitsymptom: Anhaltender, meist intensiver nächtlicher Juckreiz im Bereich des Anus.
  • Begleitsymptome: Hautveränderungen wie Rötung, Schwellung, Schuppung und Verdickung der Haut durch wiederholtes Kratzen; mögliche Schmerzhaftigkeit durch Hautverletzungen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Pruritus ani ist überwiegend durch irritative oder entzündliche Hautreaktionen bedingt, die oft von proktologischen oder gastroenterologischen Triggern beeinflusst werden. Eine umfassende Diagnose der ursächlichen Faktoren und die Reduktion irritierender Einflüsse sind für die Behandlung entscheidend, um die entzündlichen Prozesse und das Hautjucken nachhaltig zu lindern.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Scharfe Gewürze – Können die Schleimhaut reizen und Juckreiz verstärken.
    • Ballaststoffarme Ernährung – Fördert harten Stuhlgang, der zu Reizungen führen kann.
    • Mangelnde Flüssigkeitszufuhr – Trockener Stuhl kann die Analregion reizen.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol – Übermäßiger Konsum kann die Durchblutung erhöhen und die Sensibilität in der Analregion verstärken.
    • Tabak (Rauchen) – Fördert eine schlechtere Durchblutung, was die Regeneration der Haut beeinträchtigen kann.
  • Hygiene
    • Mangelnde Analhygiene – Führt zu Ansammlung von Stuhlresten und erhöhtem Risiko für Reizungen und Infektionen.
    • Übertriebene Analhygiene – Häufiges Waschen oder aggressive Reinigungsmittel können die Haut austrocknen und irritieren.
  • Mechanische oder chemische Reizung
    • Gleitmittel oder chemische Substanzen – Inhaltsstoffe in Seifen, Duschgels oder Gleitmitteln können allergische oder irritative Reaktionen hervorrufen.
    • Perineal-Piercing – Kann durch mechanische Reibung oder Infektionen die Haut reizen und Juckreiz fördern.
  • Kleidung und Feuchtigkeit
    • Enge Kleidung – Fördert Reibung und Schwitzen, was die Haut irritieren kann.
    • Feuchtigkeit – Verweilen von Feuchtigkeit in der Analregion begünstigt Pilzinfektionen und Hautirritationen.
  • Psycho-soziale Situation
    • Emotionaler Stress – Kann die Wahrnehmung und Intensität von Juckreiz verstärken.
    • Psychische Belastung – Beeinträchtigt die Fähigkeit, Symptome aktiv zu bewältigen.

Krankheitsbedingte Ursachen

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Eisenmangelanämie (Blutarmut durch Eisenmangel) – Beachte: Bei generalisiertem Pruritus liegt in bis zu 40 % der Fälle ein Eisenmangel vor.

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Haut und Unterhaut (L00-L99)

  • Allergisches Kontaktekzem (Kontaktallergie) – wg. z. B. Farbstoffe auf bedruckten Toilettenpapier, Feuchttücher mit Duftstoffen und Konservierungsmitteln, Seifen etc.; häufige Kontaktallergene sind Benzocain, Cinchocain, Lidocain oder Duftstoffe, wie sie oft in feuchtem Toilettenpapier, Hautpflege- oder Desinfektionsmitteln enthalten sind
  • Dekubitus – bezeichnet ein Ulkus (Geschwür) der Haut bzw. Schleimhaut, welches durch lang andauernde Druckeinwirkung entsteht (z. B. bei Rollstuhlfahrern)
  • Epidermalzyste ‒ prall-elastischer Knoten, der mit Hornmassen gefüllt ist
  • Hidradenitis (Entzündung apokriner Schweißdrüsen) ‒ vor allem im Schambereich und in der Achselgegend
  • Idiopathischer Pruritus ani (mit nicht bekannter Ursache)
  • Lichen sclerosus (LS) (et atrophicus) (Synonyme: Lichen albus; Lichen atrophicus; Lichen sclerosus; Lichen sclerosus et atrophicans; Lichen sclerosus et atrophicus; Morphoeid scleroderma; Weißfleckenkrankheit; White spot diseas) – eine chronisch, entzündliche, vernarbende Hauterkrankung, die durch eine lymphatische Reaktion gekennzeichnet ist und beide Geschlechter bevorzugt im Genitalbereich betrifft; 4 % der Frauen mit Lichen sclerosus entwickeln ein Vulvakarzinom (Vulvakrebs; Krebs der äußeren Genitalorgane der Frau)
  • Psoriasis (Schuppenflechte)
  • Psoriasis inversa, eine Form der Psoriasis vulgaris
  • Sinus pilonidalis (Steißbeinfistel; entzündlich bedingte Fistelbildungen, die fast immer oberhalb der Rima ani (Gesäßfalte) auftreten; wird auf das Einwachsen abgebrochener Haare in die Haut zurückgeführt)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Chlamydieninfektion – häufigsten bakteriellen Erreger von urogenitalen Infektionen (Infektionserkrankungen, die die Harnwege und/oder die Geschlechtsorgane betreffen)
  • Gonorrhoe (Tripper; Geschlechtskrankheit)
  • Herpes-simplex-Viren HSV-1/-2 
  • Mykosen (Pilzerkrankungen) – speziell Dermatophytosen (Candia albicans); besonders häufig bei Diabetiker sowie nach systemischer Therapie mit Antibiotika oder Steroiden
  • Nematoden (Fadenwürmer)
  • Perianale Streptokokkeninfektionen/Streptokokkendermatitis (bei Kindern)
  • Perianale Warzen (Condylomata acuminata; Synonyme: Feigwarzen, Feuchtwarzen und Genitalwarzen) durch HPV-Viren (HPV 6 und 11)
  • Syphilis (Lues; Geschlechtskrankheit)
  • Tinea analis – Dermatophyteninfektion, meist handelt es sich um Trichophyton rubrum
  • Wurmbefall (Oxyuriasis); meist zu diagnostizieren bei Kindern

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Analfissur ‒ schmerzhafter Einriss der Schleimhaut am After
  • Analfistel
  • Analmarisken – schlaffe Hautfältchen (Marisken) um den äußeren Anus herum
  • Diarrhoe (Durchfall), chronische oder rezidivierende
  • Hämorrhoiden
  • Morbus Crohn – chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED); sie verläuft meist in Schüben und kann den gesamten Verdauungstrakt befallen; charakterisierend ist der segmentale Befall der Darmmukosa (Darmschleimhaut), das heißt es können mehrere Darmabschnitte befallen sein, die durch gesunde Abschnitte voneinander getrennt sind; ggf. anale bzw. perianale Fisteln
  • Perianaler Abszess ‒ abgekapselte Eiteransammlung, die sich im Bereich des Anus befindet
  • Psychogener Pruritus ani (z. B. wg. Angst, Depression, Stress)
  • Rektumprolaps (Mastdarmvorfall)
  • Rektovaginalfistel ‒ pathologischer Verbindungsgang zwischen Mastdarm und Scheide

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Anale intraepitheliale Neoplasie (AIN) durch HPV-Hochrisikotypen (vor allem HPV-Typ 16); Risikofaktoren: Rauchen, Immunschwäche, vorangegangene Condylomata acuminata → Analkarzinom
  • Anorektalkarzinom ‒ bösartige Neubildung im Bereich des After und des Mastdarms
  • Morbus Bowen – Hauterkrankung, die zu den Präkanzerosen (Krebsvorstufe) gehört

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Stuhlinkontinenz – Unfähigkeit, den Stuhlgang zurückzuhalten

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Traumata (Verletzungen) durch Fremdkörper, Sexualpraktiken etc.
  • Perianales Hämatom ‒ Bluterguss um den Anus herum

Medikamente

  • Arzneimittelunverträglichkeiten