Homosexualität

Homosexualität bedeutet „Gleichgeschlechtlichkeit“, d. h. sexuelle Gefühle und sexuelles Verlangen beziehen sich überwiegend auf Personen des gleichen Geschlechts:

  • von Frau zu Frau = lesbisch
  • von Mann zu Mann = schwul

Beziehen sich die sexuellen Gefühle und Neigungen sowohl auf das weibliche als auch auf das männliche Geschlecht, so wird dies als „bisexuell“ oder „bi“ bezeichnet.

Homiesexual ist ein junger Begriff, der vor allem auf Social Media Plattformen wie TikTok verwendet wird, und zwar bevorzugt von Männern. Damit wird eine Beziehung, Zuneigung oder Liebe zum gleichgeschlechtlichen Partner, dem Homie, ausgedrückt, ohne schwul (oder lesbisch) zu sein – Umarmungen und Küsse gehören dazu, manchmal auch sexuelle Handlungen [1, 2]. Es handelt sich mehr um eine „Bro“mance, d. h. eine intensive Männerfreundschaft (oder Frauenfreundschaft) ohne Sex.

Situative Homosexualität, auch Pseudohomosexualität genannt, betrifft Personen, die heterosexuelle Sexualkontakte bevorzugen, jedoch situationsbedingt längere Zeit mit Personen des gleichen Geschlechts zusammenleben oder leben müssen, z. B. in Arbeitslagern, Haft- oder Erziehungsanstalten, Kasernen, Klöstern, Bohrinseln, Internaten oder Sportler auf Tournee. Weitere gängige Begriffe in diesem Zusammenhang sind Nothomosexualität, Knasthomosexualität, im Nationalsozialismus als Lagerhomosexualität, bezeichnet. Auch die männliche Prostitution gehört dazu.

Als Entwicklungshomosexualität bezeichnet man vorübergehende Homosexualität während der Pubertät [3].

Häufigkeit

Die Häufigkeit homosexuellen Verhaltens in einzelnen Ländern und Kulturen ist schwer einzuschätzen, da die Neigung zur Gleichgeschlechtlichkeit häufig tabuisiert wird oder wurde. Weltweit ist Homosexualität auch heute noch wahrscheinlich in weit über 50 Staaten politisch und/oder kirchlich verboten, wird sozial geächtet, rechtlich verfolgt und sogar teilweise mit der Todesstrafe belegt [3]. In Deutschland ist der § 175, der sogenannte Schwulen-Paragraph, ein typisches Beispiel. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Er bestand seit 1871, wurde 1969 in der BRD dahin gehend geändert, dass Personen zwischen 18 und 21 Jahren noch straffällig waren, Erwachsene Männer über 21 Jahren aber straflos gestellt wurden. Erst 1994 wurde der Paragraph ganz abgeschafft. In der DDR galt die Straffreiheit schon ab 1968.

Entsprechend diesen Unsicherheiten wird die Häufigkeit der Homosexualität in der Literatur zwischen 2-10 % (1 %-5 %) angegeben [5].

Seit dem 1. Oktober 2017 können gleichgeschlechtliche Paare die Ehe schließen. Davor war lediglich eine eingetragene Lebenspartnerschaft möglich [8]. Nach der zu erwartenden hohen Anzahl im Jahr 2018 (21.757) geht die Zahl erwartungsgemäß zurück. Im Jahre 2021 heirateten 8.710 homosexuelle Ehepaare.

Ätiologie (Ursachen)

Es wird davon ausgegangen, dass Homosexualität, wie auch jede andere sexuelle Orientierung, eine komplexe Mischung aus biologischen (Gene, Hirnentwicklung, Außenwelt), psychologischen und sozialen Faktoren ist. Obwohl es bis heute nicht geklärt ist, wie Homosexualität entsteht, gibt es dennoch einige sichere Erkenntnisse.

Genetik

Es gibt kein schwules oder lesbisches Gen. Stattdessen ist der genetische Einfluss extrem polygen, d. h. es gibt keinen genetischen Hauptort oder kleine Gruppe verschiedener Gene, die einen starken Einfluss auf eine homosexuelle Entwicklung haben. Genetische Varianten sind so verstreut, dass eine gesicherte Vorhersage einer homosexuellen Entwicklung nicht möglich ist. Die Homosexualität wird nicht von einem oder wenigen Genen beeinflusst, sondern von vielen sich überschneidenden. Fünf autosomale Loci sind signifikant mit homosexuellen Verhaltensweisen assoziiert. Interessant ist, dass es dabei Hinweise zu Sexualhormonen und dem Geruchssinn als biologische Signalwege gibt [4, 5].

Epigenetik

Derzeit gibt es keine gesicherten Befunde über einen Zusammenhang von Homosexualität und Epigenetik [6].

Hormone

Hormonelle Unterschiede, die zu unterschiedlicher sexueller Orientierung von Jungen und Mädchen führen, wurden in früheren Jahren intensiv diskutiert, weil angenommen wurde, dass erhöhte Hormonspiegel die Organisation des Gehirnes, insbesondere des Hypothalamus, in bestimmten sensiblen Phasen beeinflussen können. Diese These konnte bisher durch keine Untersuchungen gestützt werden [7].

Erziehung

Es ist keine Frage der Erziehung, denn schon sehr früh in der Kindheit merken die Kinder, dass sie sich gefühlsmäßig nicht heteronormativ verhalten wollen. Dieses nicht heteronormative Verhalten wird meist schon sehr früh in der Kindheit beobachtet, ist unabhängig von der Erziehung und präsentiert sich lange vor der Pubertät [7].

Homosexualität ist keine Krankheit

1987 wurde die Homosexualität aus dem DSM-III-R (Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen) gestrichen und 1991 auch aus dem ICD-10-GM (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, German Modification). Seitdem gilt Homosexualität als normal.

Das war nicht immer so, denn nachdem im 20. Jahrhundert die Homosexualität zunächst entkriminalisiert wurde, wurde sie als Krankheit eingestuft. Lange Zeit wurde der Versuch unternommen, besonders unter psychologischen und psychotherapeutischen Gesichtspunkten, Ursachen zu finden, die zur vermeintlich falschen Entwicklung geführt haben könnten. Zudem wurde nach Wegen gesucht, die kranke Neigung zu therapieren. Die Entpathologisierung zog sich über viele Jahre hin und endete erst Ende des 20. Jahrhunderts mit der Entfernung der Krankheitsbegriffe aus den Katalogen. Seit 2020 ist die Durchführung solcher Pseudotherapien, sogenannten Konversions-, Umpolungs, Reparativ- Therapien an Minderjährigen in Deutschland verboten. Häufig stecken christlich geprägte Gruppen dahinter.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ermöglicht Betroffenen, sich online und telefonisch zum Schutz vor Konversionsbehandlungen zu informieren [10].

Mythen und Unwahrheiten

„Homosexualität kann geheilt werden.“ Da Homosexualität keine Krankheit ist, kann und muss sie nicht geheilt werden. Dennoch hat man in den letzten Jahrhunderten auf vielfältige Weise versucht, die Betroffenen in einem leidvollen Weg umzupolen. Sport, Medikamente, Hormone, Drogen, erzwungener Sex mit dem anderen Geschlecht, erzwungene Ehen, psychiatrische Therapien bis zu Elektroschocks (Konversionstherapie) kamen zur Anwendung. Erst 2020 wurden Konversionstherapien in Deutschland verboten. Dieses Verbot gilt auch in den meisten anderen Ländern der Welt.

„Kinder und Jugendliche können zur Homosexualität verführt werden.“ Dahinter verbirgt sich die Vermutung, dass lesbische oder schwule Familienangehörige, Freundinnen oder Freunde bzw. sexuelle Handlungen, Leitbilder zur Entwicklung einer Homosexualität sein könnten. Wie oben beschrieben entsteht Homosexualität sehr früh und kann nicht durch äußere Einflüsse getriggert werden.

„Eltern von Lesben und Schwulen haben in der Erziehung etwas falsch gemacht.“ Sexuelle Neigungen – homo-, bi- oder heterosexuell – sind unbeeinflussbar und werden sehr früh festgelegt. Eltern können damit psychisch entlastet werden, denn sie haben in ihrer Erziehung und Beeinflussung nichts falsch gemacht. Umgekehrt kann man sagen, wenn ein Kind mit dieser Sexualität sich glücklich fühlt, warum soll diese Neigung nicht unterstützt werden, denn alle Eltern haben den inneren Wunsch bzw. Auftrag, ihre Kinder glücklich leben zu sehen bzw. lassen.

„Homosexualität ist eine westliche Erfindung, bei uns gibt es das nicht. Früher gab es das nicht.“ Gleichgeschlechtliche Beziehungen gab es immer schon und überall. Wie die Wissenschaft weiß, gehörte schon in der Antike Homosexualität, besonders zwischen Männern, zum Alltag. Aber auch gleichgeschlechtliche Liebe zwischen Frauen war üblich und akzeptiert. Dennoch ist Homosexualität noch heute in vielen Ländern aus politischen oder religiösen Gründen verboten und kann mit Gefängnis oder sogar mit der Todesstrafe bestraft werden.

„Ein Kind braucht Vater und Mutter für eine gute und normale Entwicklung.“ Seit dem Sommer 2017 können Lesben und Schwule in Deutschland heiraten, dürfen Kinder adoptieren und großziehen. Durch viele Untersuchungen ist wissenschaftlich belegt, dass für die Entwicklung der Kinder die Art und Weise, wie Familie gelebt wird und nicht die Familienform entscheidend. Dies bestätigt eine Metaanalyse aus 72 Studien, die über viele Jahre erhoben wurde und letztmalig 2017 ein Update erhielt [11, 12]. Eine niederländische Studie mit knapp 3.000 Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern kommt zu dem Schluss, dass Kinder von gleichgeschlechtlichen Eltern in der Schule nicht schlechter, tendenziell sogar besser abschneiden als Kinder verschiedengeschlechtlicher Eltern [13].

Nachtrag
Der Begriff Homosexualität ist nicht im Altertum, sondern erst im 19. Jahrhundert entstanden. 1869 hat der Schriftsteller Karl Maria Kertbeny diesen Begriff erstmalig publiziert. In den 1860er-Jahren war offensichtlich die Zeit reif, sich mit der gleichgeschlechtlichen Liebe unter dem Gesichtspunkt der Straffreiheit öffentlich auseinanderzusetzen. Gleichzeitig entstanden die Begriffe Uranismus (urainische Liebe, Uranier) (Karl Heinrich Ulrichs) und Konträrsexualität (Carl Westphal). Letztlich hat sich der Begriff Homosexualität weltweit durchgesetzt.

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Schweizer Sexualratgeber. https://www.lilli.ch/lilli/suche/1
  2. Homisexual – what is it? What does it mean? https://taimi.com/wiki/homiesexual-what-is-it-what-does-it-mean
  3. Homosexualität-Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t
  4. Jordan B: [End of the road for the « homosexuality gene »] Med Sci (Paris). 2020 Feb; 36 (2): 181-184. doi: 10.1051/medsci/2020013.
  5. Ganna A, Verweij KJH et al.: Large-scale GWAS reveals insights into the genetic architecture of same-sex sexual behavior. Science. 2019 Aug 30; 365 (6456): eaat7693. doi: 10.1126/science.aat7693.
  6. Voss HJ: Epigenetik und Homosexualität 2013. https://heinzjuergenvoss.de/Voss_2013_Epigenetik_und_Homosexualitaet__.pdf
  7. Bailey JM, Vasey P Diamond LM et al.: Sexual Orientation, Controversy, and Science. Psychol Sci Public Interest. 2016 Sep; 17 (2): 45-101. doi: 10.1177/1529100616637616.
  8. Pawlik V: Anzahl der gleichgeschlechtlichen Eheschließungen in Deutschland bis 2021. https://de.statista.com/statistik/suche/?q=Gleichgeschlechtliche+Ehen
  9. Voss P: Homosexualität: Diskriminierung gibt es noch immer. Deutsches Ärzteblatt, PP, Heft 1, Januar 2005, 27-28
  10. Konversionsbehandlungen erkennen | LIEBESLEBEN
  11. Cornell University: What does the scholarly research say about the well-being of children with gay or lesbian parents? | What We Know (cornell.edu)
  12. Updated December 2017: What does the scholarly research say about the well-being of children with gay or lesbian parents? Parenting well-being (cornell.edu)
  13. Mazrekaj D, De Witte K et al.: School Outcomes of Children Raised by Same-Sex Parents: Evidence from Administrative Panel Data. American Sociological Review (ASR), Volume 85, Issue 5. doi.org/10.1177/0003122420957249
  14. In het Panhuis E: Vor 150 Jahren wurde die "Homosexualität" erfunden. https://www.queer.de/detail.php?article_id=34715
  15. Geschichte sexueller Minderheiten. https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_sexueller_Minderheiten