Asexualität

Asexuelle Personen werden wir folgt definiert:

• Haben kein oder wenig Verlangen nach Sexualität mit anderen Menschen, zu keinem Geschlecht.
• Empfinden keine sexuelle Anziehung zu anderen Menschen, zu keinem Geschlecht.

Im Gegensatz zu sexueller Aversion bzw. Antisexualität oder HSDD (Hypoactive Sexual Desire Disorder), bei denen ursprünglich Sexualität bestand, oder zum Zölibat, bei dem aus religiöser Entscheidung auf Sexualität verzichtet wird, fehlt dieses Gefühl oder diese Neigung zur Sexualität bei asexuellen Personen. Das bedeutet jedoch nicht, dass auch ein Mangel an sexuellem Verlangen an die eigene Person besteht.

Die betroffenen Personen leiden nicht unter dieser Situation. Asexualität ist eine sexuelle Orientierung und genauso vielfältig wie andere sexuelle Orientierungen. Nur fehlt asexuellen Menschen der sexuelle Teil, mehr oder weniger. Schätzungen nach sind etwa 1 % der Weltbevölkerung davon betroffen – mehr Frauen als Männer [1, 2].

Im Jahre 2001 wurde AVEN – Asexual Educuation and Visibility Network (Netzwerk für Öffentlichkeit- und Aufklärungsarbeit über Asexualität) – als international sexuelle Gemeinschaft in den USA gegründet. Sie ist die weltweit größte asexuelle Gemeinschaft. Sie hat heute mehr als 100.000 Mitglieder [2].

Seit 2005 gibt es auch eine deutsche Website [3, 4]. Am 6. April 2021 fand der erste internationale Tag der Asexualität statt, bei dem Asexuelle zum ersten Mal weltweit auf die noch weitestgehend unbekannte Thematik Aufmerksamkeit gemacht haben [5]. Die Community wird auch häufig als Ace-Community bezeichnet, weil asexuell im Englischen wie ace, das englische Wort für die höchste Karte im Kartenspiel, das „ASS/ACE“, ausgesprochen wird (s. u.).

Ursachen

Es gibt keine bisher bekannten Ursachen für die Asexualität. Weder psychische Störungen oder traumatische Sexualerfahrungen noch Genetik sind ursächlich, d. h. es ist keine Erkrankung – die betroffenen Personen leiden nicht darunter [1, 2]. Asexualität ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Personen.

Variationen

Es gibt verschiedene Formen und Ausprägungen der Asexualität, ähnlich wie bei Homo-, Hetero-, Bisexuellen und anderen sexuellen Varianten.

Unterschieden wird im gesamten asexuellen Spektrum zwischen romantischer, sexueller Orientierung und multiplen Mischformen.

Das sexuelle Spektrum reicht von Personen, die absolut keine sexuelle Neigung verspüren, bis zu Menschen, die eine sexuelle Anziehung wahrnehmen.

Asexualität bedeutet nicht, dass asexuelle Personen keinen Sex haben. Viele befriedigen sich selbst oder haben Sex mit einem Partner/Partnerin, weil sie dieser Person eng verbunden sein oder ein Kind haben wollen.

Asexuelle können folglich Personen sein, die

• gar keinen Sex haben, weil sie Sex abstoßend oder uninteressant finden.
• nur unter bestimmten Bedingungen Sex haben. Sie können ihn dann auch genießen.
• gelegentlich Sex haben, wenn sie zu bestimmten Personen eine sexuelle Anziehung empfinden.
• masturbieren, aber Sex mit anderen Personen uninteressant finden.
• eine romantische Verbundenheit in einer Beziehung mit der Partnerin oder dem Partner empfinden und deshalb Sex haben.

Das romantische Spektrum beinhaltet Personen, die sich einzelnen ausgewählten Menschen hingezogen fühlen und sich möglicherweise in sie verlieben, oder sich nur unter bestimmten Umständen zu anderen Personen hingezogen fühlen. Auch dieses Spektrum ist sehr unterschiedlich, z. B. Personen, die u. a. folgende Formen romantischer Gesichtspunkte beinhalten:

• aromantic (aromantisch)
• grey-romantic/grey-asexual (grauromantisch)
• demi-romantic/ demi-sexual (demiromantisch)
• recipromantic/reciprosexual
• akoirromantic/akoisexual
• aceflux/aroflux

Zum asexuellen Spektrum zählt auch der sogenannte Graubereich (gray asexuality, grey asexuality, gray-sexuality). Er beinhaltet demisexuelle, grau-asexuelle (grey-ace/semisexuell), fraysexuelle und fiktophile (Fiktosexualität) Personen. Einzelheiten dazu siehe im Artikel "Demisexualität".

Bin ich asexuell?

Folgende Fragen helfen, um eine Antwort auf diese Frage zu finden [2, 3]:

• Ist sexuelle Abstinenz über Monate und Jahre für mich problematisch?
• Hat mich eine Person oder die Vorstellung einer sexuellen Berührung körperlich erregt?
• Habe ich mich unwohl oder unter Druck gefühlt, wenn ich das Gefühl hatte, eine andere Person erwartet von mir eine sexuelle Gefühlsäußerung?
• Entwickle ich gegenüber einer Person erst dann sexuelle Gefühle, wenn ich eine emotionale oder intellektuelle Bindung aufgebaut habe?
• Wenn ich Sex habe oder sich eine Situation für sexuelle Handlungen entwickelt, kommt es von innen, will ich es, weil es mir Spaß macht, oder ist es eigentlich für mich uninteressant, unwichtig oder sogar unangenehm?

2015 wurde ein Fragebogen entwickelt, der die Selbsteinschätzung zur Beurteilung der Asexualität erleichtert [6]. Er besteht aus 12 Fragen, von denen jede auf einer 5-Punkte-Skala bewertet wird. Wenn man von der Gesamtzahl 60 den Grenzwert von 40 Punkten überschreitet, kann man davon ausgehen, asexuell zu sein. Siehe dazu am Ende dieses Artikels.

Ist Asexualität eine Krankheit?

Asexualität ist keine Krankheit. Darüber sind sich heute alle Forscher einig [1, 2]. Sie haben keine körperlichen oder psychischen Ausfallserscheinungen und vermissen nichts. Es handelt sich um eine sexuelle Variation wie z. B. LGBTQI: Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex und wird in dieser Kategorie der sexuellen Varianten mit „A“ bezeichnet LGBTQIA.

Asexualität und Partnerschaft

Asexuelle Personen können durchaus in erfüllten Beziehungen und Partnerschaften leben. Dies trifft für etwa 30 % asexueller Menschen zu [1]. Voraussetzung ist, dass eine solche Beziehung auf anderen Grundlagen beruht, wie die meisten anderen Partnerschaften, in denen Liebe meist mit Sexualität kombiniert ist. Für die asexuellen Beziehungen haben z. B. sinnliche Aktivitäten wie kuscheln, umarmen, küssen, gute Gespräche, Nähe, Spaß, Humor, Gemeinsamkeiten einen vorrangigen Stellenwert.

Häufig verwendete Symbole, Ace/Ass-Symbole

• Pride Flag
  Die Pride Flag ist die Flagge für die Ace-Community asexueller Personen und beschreibt farblich die Vielfalt der möglichen Varianten [7, 11]. Die Pride Flag wurde 2010 entwickelt und in einem Forum zur Abstimmung gestellt. Sie besteht aus vier gleich großen horizontalen Streifen. Von oben nach:
  • schwarz = Asexualität
  • grau = asexuelles Spektrum/Grau Sexualität/Demisexualität
  • weiß = Sexualität
  • violett/lila = Gemeinschaft/Community
• Ass
  Das Ass ist die höchste Spielkarte und steht als Symbol für Asexualität [8, 11]. Folgende Einteilung als Erkennungszeichen für Asexualität ist gebräuchlich:
  • Herzass (♥) - romantische Asexuelle
  • Pikass (♠) - aromantische Asexuelle
  • Karoass (♦) - Demisexuelle
  • Kreuzass (♣) - sonstiger Graubereich
• AVEN-Dreieck
  Das AVE -Dreieck ist ein Symbol von AVEN, wird aber sehr häufig auch als Symbol für Asexualität angesehen [9, 11].
  • Die obere Linie des Dreiecks stellt links Homosexualität und rechts Heterosexualität dar (sog. Kinsey-Skala).
  • Von oben nach unten verändert sich die Farbe von weiß über grau bis schwarz, das symbolisiert die Abnahme der sexuellen Anziehung bzw. des sexuellen Verlangens oder der Libido.
  • Der untere Part des Dreiecks ist der Asexualität gewidmet.
  • Asexuelle befinden sich in der schwarz getönten Spitze des Dreiecks.
• Schwarzer Ring
  Ein schwarzer Ring am Mittelfinger der rechten Hand ist ein Symbol der sexuellen Gemeinschaft [10, 11].
• 53x+m³=Ø
  Ist eine Offenbarung: Sex mit mir = kein Resultat [11].

Asexuality Identifikations Skala (AIS) – Fragebogen

Diese Skala besteht aus 12 Punkten, von denen jeder Punkt auf einer 5-Punkte-Skala bewertet wird [6].

Vergabe von Punktwerten

• Frage 1:
  • völlig wahr = 1
  • etwas wahr = 2
  • weder wahr noch falsch = 3
  • eher falsch = 4
  • völlig falsch = 5
• Frage 2-11:
  • völlig falsch = 1
  • eher falsch = 2
  • weder wahr noch falsch = 3
  • etwas wahr = 4
  • völlig wahr = 5
• Frage 12:
  • immer = 1
  • oft = 2
  • manchmal = 3
  • selten = 4
  • nie = 5

Die mögliche Gesamtzahl beträgt 60.

Interpretation

• Der Grenzwert für Asexualität liegt bei 40 Punkten, da 93 % der asexuellen Personen einen Wert von 40 oder darüber erreichen.
• Rund 95 % der sexuellen Personen erzielen einen Wert < 40 Punkten.

Diese Einteilung hat sich besonders unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten bewährt, um verschiedene Gruppen klar zu definieren.

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

1. Bogaert AF: Asexuality: Prevalence and associated factors in a national probability sample. J Sex Res. 2004 Aug; 41 (3): 279-87. doi: 10.1080/00224490409552235.
2. AVEN: The Asexual Visibility and Education Network. https://www.asexuality.org/
3. AVENde: https://www.aven-info.de/asexualitaet/asex.html
4. AVEN-Info.de. https://www.aven-info.de/
5. Erster Internationaler Tag der Asexualität: Aufklärung und Sichtbarkeit. https://www.queer.de/detail.php?article_id=38534
6. Yule MA, Brutto LA, Gorzalka BB: A validated measure of no sexual attraction: the Asexuality Identification Scale. Psychol Assess. 2015 Mar; 27 (1):148-60. doi: 10.1037/a0038196.
7. Symbols of asexuality. AVEN Triangle. http://wiki.asexuality.org/AVEN_Triangle
8. ASS-Symbole. http://de.asexuality.org/asexwiki/index.php/Ass-Symbole
9. AVEN Dreieck. http://de.asexuality.org/asexwiki/index.php/AVEN_Dreieck
10. Schwarzer Ring. http://wiki.asexuality.org/Black_ring
11. Symbols of asexuality. http://wiki.asexuality.org/Symbols_of_asexuality