Toucheurismus und Grapschen
Toucheurismus und Grapschen (Grabschen) sind ähnliche Begriffe, aber dennoch unterscheiden sie sich.
Toucheurismus ist ein Zustand sexueller Erregung, den eine Person erreicht, indem sie Brüste, Gesäß oder Genitalbereich einer nicht zustimmenden Person in einer Menschenmenge mit den Händen berührt. Der Ausführende ist der Toucheur (französisch toucher: berühren). Er bevorzugt in der Öffentlichkeit Menschenansammlungen, weil er dort die Chance hat, unerkannt zu bleiben und sich wieder zu entfernen. Toucheurismus wird häufig zusammen mit Frotteurismus, dem Reiben der Genitalien gegen den Körper einee anderen Person ohne deren Einwilligung, genannt. Besonders häufig sind Toucheurismus und Frotteurismus in überfüllten U-Bahnen in Japan. Diese sexuelle Belästigung wird dort „Chikan“ genannt. Zum Schutze der Frauen gibt es dort spezielle Züge oder Waggons, zu denen nur Frauen Zugang haben. Auch in anderen Ländern wie Mexiko, den Philippinen, den Vereinigten Arabischen Emiraten sind nach Geschlechtern getrennte Busse oder Züge üblich, um solche sexuellen Belästigungen zu reduzieren [1].
Grapschen (Grabschen, engl.: groping) unterscheidet sich vom Toucheurismus dadurch, dass der Akteur, der Grapscher, nicht unbedingt in einer Menschenmenge untertaucht oder untertauchen will. Er begeht seine sexuellen Übergriffe durch unsittliches Berühren der Brüste, Genitalien oder durch Klapse auf den Po auch in der Öffentlichkeit.
Epidemiologie
Die Häufigkeit ist nicht bekannt. Das liegt zum einen an der heimlichen Natur der Handlungen (beim Toucheurismus) und zum anderen daran, dass sowohl beim Toucheurismus als auch beim Grapschen die meisten Fälle wegen unterschiedlicher juristischer Relevanz und gesellschaftlicher Normen in vielen Ländern und dem Fehlen wissenschaftlicher Untersuchungen nicht gemeldet werden.
Medizinische Gesichtspunkte
Im Gegensatz zum Grapschen gehört der Toucheurismus zu den paraphilen Störungen (ICD-10-GM*: F65.-), Untergruppe: F65.8: Sonstige Störungen der Sexualpräferenz. Die ursprüngliche Eingruppierung als F65.7 ist im ICD-10 gestrichen und wird subsumiert unter „Sonstigen Störungen der Sexualpräferenz“. Sie ist dort nicht näher ausgeführt.
Die Diagnose Toucheurismus wird wie bei allen anderen paraphilen Störungen gestellt, wenn
- das Ausleben zwanghaft ist.
- die sexuelle Erregung als sehr intensiv empfunden wird.
- die betreffende Person dadurch unter einem großen Druck steht.
- die Lebensqualität beeinträchtigt wird, z. B. Ehe, Familie, Umgang mit Freunden, der Beruf, bzw. anderen Personen Schaden zufügt oder Schaden zufügen könnte.
Der zwanghafte, unwiderstehliche innere Drang muss dauerhaft, mindestens aber 6 Monate bestehen.
* (ICD: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, German Modification)
Strafrechtliche Gesichtspunkte
Die Berührung fremder Personen ohne deren Einwilligung stellt in Deutschland, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, einen sexuellen Übergriff dar und kann daher nach dem Sexualstrafrecht auf Antrag des Opfers geahndet werden. Dies gilt besonders strikt mit der Änderung des Strafgesetzbuches seit dem 11. November 2016, gemäß dem Motto: „Nein heißt Nein“. Es bezieht sich nicht nur auf Toucheurismus, sondern gilt auch für Busen-Grapscher und Berührungen oder Klapse auf den Po. Vor dieser Zeit waren Po- oder Busen-Grapschen wegen des Fehlens der notwendigen Erheblichkeit im Sinne des Gesetzes nicht strafbar. Das galt auch für einen Griff in den Vaginalbereich über der Kleidung [2].
Ursachen
Die Ursachen von Toucheurismus und die Lust am Grapschen sind nicht bekannt. Es wird vermutet, dass psychologische Faktoren wie mangelnde Empathie, soziale Isolation und sexuell Dysfunktion eine Rolle spielen könnten.
Therapie
Die Psychotherapie ist Grundlage der Behandlung, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie, um die Trigger zu identifizieren, zu modifizieren und die entsprechenden Situationen zu vermeiden.
Wissenschaftliche Perspektive
Toucheurismus und Grapschen sind in der wissenschaftlichen Literatur ein weißer Fleck. Zwar wird der Begriff Toucheurismus gelegentlich zusammen mit Frotteurismus genannt, aber in den Artikeln selbst werden keine Ausführungen dazu gemacht, ähnlich wie im ICD-10, in dem der Begriff Toucheurismus unter „Sonstigen paraphilen Störungen“ subsumiert ist.
Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring
Literatur