Sexsucht

Sexsucht, in der medizinischen Fachliteratur als „Hypersexualität“ bezeichnet, ist eine Erkrankung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass das Verlangen nach Sex in Gedanken oder auch im Handeln das Leben zwanghaft bestimmt. Egal, auf welche Art – Pornos ansehen, Selbstbefriedigung, Verkehr mit unterschiedlichen Partnern –, entscheidend ist, dass Sex das tägliche Leben im Beruf und in Beziehungen negativ beeinflusst. Dabei findet keine wirkliche sexuelle Befriedigung statt. Deshalb besteht der Drang nach mehr Sex, verbunden mit einem hohen Leidensdruck. Die Betroffenen haben ihre Sexualität nicht unter Kontrolle und müssen sie ausleben, obwohl sie sich darüber bewusst sind, dass sie sich selbst schaden und sich dauerhaft schlecht fühlen.

Die Begriffe „Satyriasis“ für den Mann bzw. „Nymphomanie“ für die Frau gelten heute als obsolet.

ICD-Klassifikation

Hypersexualität ist ein von der WHO anerkanntes Krankheitsbild mit der ICD 10-Kodierung:

  • F52.7 Gesteigertes sexuelles Verlangen
  • F52.8 Sonstige sexuelle Funktionsstörung, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit
  • F52.9 Nicht näher bezeichnete sexuelle Funktionsstörung, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit
  • F63.8 Störung der Impulskontrolle

Bis die vorgesehene Kodierung für Sexsucht offiziell ist, wird sie unter F 52.8 kodiert [1].

Häufigkeit

Es gibt keine verlässlichen Zahlen zur Häufigkeit. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland etwa 500.000 Menschen sexsüchtig, sogenannte Sexaholiker sind. Männer sind 4- bis 5-mal häufiger betroffen als Frauen. Etwa 5 % der Männer und 1 % der Frauen leben ihre Sucht in der Pornographie [2].

Symptome

Folgende Symptpome und Beschwerden können auf eine Sexsucht hinweisen:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf Sexsucht und werden oft zuerst bemerkt:

  • Übermäßige Masturbation: Ein stark erhöhtes Bedürfnis nach Selbstbefriedigung, das häufig unkontrollierbar ist und den Alltag stören kann.
  • Übermäßige Sexualkontakte: Das ständige Bedürfnis, häufige und oft wechselnde Sexualkontakte zu haben, auch wenn diese das eigene Leben oder die Beziehungen beeinträchtigen.
  • Übermäßiger Konsum von Pornos: Internet-Sexsucht (Synonyme: Cybersex, Onlinesexsucht) führt dazu, dass Betroffene einen großen Teil ihrer Zeit mit dem Konsum von Pornografie verbringen.

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild der Sexsucht:

  • Sex mit Prostituierten: Regelmäßiger, unkontrollierter Kontakt zu Prostituierten, häufig in Verbindung mit einem Zwang zu sexuellen Aktivitäten.
  • Voyeurismus: Starkes Bedürfnis, andere Personen beim Sex oder bei intimen Tätigkeiten zu beobachten.
  • Exhibitionismus: Der Drang, sich in der Öffentlichkeit nackt oder sexuell zu präsentieren, um Aufmerksamkeit oder Erregung zu erlangen.

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Vernachlässigung sozialer und beruflicher Verpflichtungen: Betroffene isolieren sich häufig oder vernachlässigen ihre beruflichen oder sozialen Pflichten, um ihren sexuellen Drang nachzugehen.
  • Schuld- oder Schamgefühle: Nach den sexuellen Handlungen können Betroffene häufig Schuld- oder Schamgefühle empfinden, die das Verhalten weiter verstärken.

Ätiologie (Ursachen)

Die Ursachen sind weitestgehend unbekannt. Diskutiert werden:

  • Neurobiologische Ursachen, z. B. Funktionsstörungen des Belohnungszentrums und/oder der Impulskontrolle
  • Psychosoziale Probleme, z. B.:
    • Gefühl des Abgehängtseins in der Familie, von gleichaltrigen Freunden, von sich selbst
    • Negative emotionale Gefühlszustände wie Angst, Anspannung, Depressivität, Einsamkeit, Gereiztheit, Isolation, gestörtes Selbstwertgefühl, Unsicherheit, die durch hohe Intensität von Sex vergebens versucht werden, aufzulösen [3, 4]

Medikamente

  • Ropinirol – erhöhtes Risiko für Sechs- und Spielsucht [7]

Diagnostik

Die Diagnose ist schwierig, weil der Übergang von noch normal, zu übermäßig, zu süchtig fließend ist (Kontrollverlust, Zerstörung des Familienlebens, des Arbeitsverhältnisses sowie des Sozialverhaltens, selbstzerstörend). Diese Differenzierungen können nur von einem mit dieser Problematik vertrauten Psychiater getroffen werden.

Therapie

Derzeit gibt es keine spezielle, evaluierte Therapie für die Sexsucht. Die wenigen Therapeuten, die sich mit dieser Problematik intensiv auseinandergesetzt haben, richten sich nach den Bedürfnissen und speziellen Problemen der Betroffenen und nach suchttherapeutischen Erfahrungen. An der Universität Gießen wird dazu geforscht [2]. Eine gute Anlaufstelle ist der Verein „Anonyme Sexaholiker Deutschland“ [4].

Sexsucht-Test

Im Internet werden verschiedene Tests angeboten, die einen Hinweis auf eine mögliche Sexsucht geben können. Eine professionelle Diagnose können sie allerdings nicht ersetzen [4, 5, 6].

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. ICD-10-GM-2022: https://www.icd-code.de/suche/icd/code/F52-html?sp=Shypersexualit
  2. Justus-Liebig-Universität Giessen – Fachgebiet Psychologie: Zwanghaftes Sexualverhalten.
  3. Hill A, Berner W, Briken P: Riskantes Sexualverhalten – Formen der sexuellen Selbstschädigung. Die Psychotherapie, 1/2015
  4. Anonyme Sexaholiker Deutschland
  5. Selbst-Test: Bin ich sexsüchtig?
  6. lifeline: Sind Sie sexsüchtig?
  7. DPA. Glaxo muss für Sex- und Spielsucht zahlen. www.​apotheke-adhoc.​de/​nachrichten/​detail/​markt/​glaxo-muss-fuer-sex-und-spielsucht-zahlen/​ (Zugriff am 14.3.2024)