Frotteurismus

Frotteurismus ist eine seltene Art der sexuellen Befriedigung, die durch Reiben oder Berührung der Genitalien oder anderer erogener Zonen gegen den Körper oder die Kleidung einer anderen Person, ohne deren Einwilligung oder ohne deren Wissen, durchgeführt wird. Die aktive Person wird Frotteur oder Frotteurist genannt. Das Wort kommt aus dem Französischen (se frotter = sich reiben) und wurde im 19. Jahrhundert von französischen Psychiatern geprägt.

Bevorzugte Körperregionen sind Gesäß, Oberschenkel oder Brust. In seltenen Fällen kann die Stimulation bis zum Orgasmus gehen, gegebenenfalls durch Masturbation unterstützt.

Frottage (Frot, Frictation) sind ähnliche sexuelle Befriedigungen, die durch Reibungen und Berührung der Genitalien, als nicht penetrativer Sex, als einvernehmliche Sexualpraxis im Rahmen von Safer Sex von Männern praktiziert werden.

Die Befriedigung seiner Lust sucht der Frotteur meist in öffentlichen, überfüllten Räumen, in denen Berührungen mit anderen Personen nicht zu vermeiden sind und der Körperkontakt scheinbar zufällig kurzzeitig, aber auch über längere Zeit auftreten kann. Beliebte Orte sind U-Bahnen, Menschenansammlungen, öffentliche Konzerte, Warteschlangen, Aufzüge. In Japan sind die U-Bahnen in den Rushhours überfüllt. Die deshalb sehr häufige frotteuristische sexuelle Belästigung hat einen besonderen Namen und wird „Chikan“ genannt. In Bahnhöfen und Zügen werden Betroffene dazu aufgefordert, ertappte Personen bei Bahnangestellten zu melden. Außerdem gibt es den Hauptverkehrszeiten häufig Waggons nur für Frauen.

Epidemiologie

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) ist nicht genau bekannt, weil es keine validen Statistiken zu diesen heimlich agierenden Kontakten gibt. Geschätzt wird die Häufigkeit auf 7-10 % (bis 30 %), wobei es sich hauptsächlich um männliche Akteure handelt. Zudem besteht ein Unterschied zwischen frotteuristischen Fantasien und Wünschen und der tatsächlichen Durchführung. Wahrscheinlich sind die hohen Prozentzahlen auf die Fantasien und Wünsche bezogen, während die aktive Betätigung wohl eher in den niedrigen Bereichen zu suchen ist [1, 2].

Opfer sind meist Frauen und Kinder. Sie spüren zwar eine unangenehme Nähe und Berührung, können aber wegen der räumlichen Enge schwer unterscheiden, ob es sich um eine zufällige oder gewollte Berührung handelt. Die Übergriffe werden meistens von sexuell unerfahrenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchgeführt. In späteren Jahren kommt es häufig zur Reduktion dieses Verhaltens.

Medizinische Gesichtspunkte

Frotteurismus gehört zu den paraphilen Störungen (ICD-10-GM*: F65.-), Untergruppe: F65.8 sonstige Störungen der Sexualpräferenz [3].

Die Diagnose „Frotteurismus“ wird wie bei allen anderen paraphilen Störungen gestellt, wenn

  • das Ausleben zwanghaft ist.
  • die sexuelle Erregung als sehr intensiv empfunden wird.
  • die betreffende Person dadurch unter einem großen Druck steht.
  • die Lebensqualität beeinträchtigt wird, z. B. Ehe, Familie, Umgang mit Freunden, Beruf bzw. anderen Personen Schaden zufügt oder Schaden zufügt werden könnte.

Der zwanghafte, unwiderstehliche innere Drang muss dauerhaft, mindestens aber 6 Monate bestehen.

* (ICD: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, German Modification)

Strafrechtliche Gesichtspunkte

Frotteurismus ist in den meisten Ländern als sexuelle Belästigung oder sexueller Übergriff strafbar.

Ätiologie (Ursachen)

Die Ursachen des Frotteurismus sind weitgehend unbekannt. Diskutiert werden Kombinationen aus psychologischen, sozialen und biologischen Faktoren. Gelegentlich treten sie auch mit exhibitionistischen Störungen auf.

Therapie

Die Psychotherapie ist Grundlage der Behandlung, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie, um die Trigger zu identifizieren, zu modifizieren und die entsprechenden Situationen zu vermeiden.

Wissenschaftliche Perspektive

Die wissenschaftlichen Untersuchungen und Erkenntnisse sind bisher relativ gering, was bei der „Heimlichkeit“ des Procederes nicht verwunderlich ist [1, 2].

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Johnson RS, Ostermeyer B, Sikes et al.: Prevalence and Treatment of Frotteurism in the Community: A Systematic Review. J Am Acad Psychiatry Law, 2014; 42 (4): 478-83.
  2. Frotteurismus-Thieme Connect
  3. Frotteuristic Disorder – Mental Health Disorders