Erektionsstörung – Medikamentöse Therapie

Therapieziel

  • Verbesserung der Symptomatik

Therapieempfehlungen

Vorab zur Einschätzung der Ursache einer ED: Schwellkörperinjektionstest (SKIT; fakultativ), d. h. intrakavernöse ("in den Schwellkörper hinein") Gabe von Alprostadil (Prostaglandin E1, PGE1), im Rahmen der Erstdiagnostik: beginnend mit einer niedrigen Dosierung von 5 μg. Dadurch können folgende Aussagen getroffen werden:

  • volle Erektion bei niedriger Dosis: psychogene, neurogen oder hormonell bedingte ED wahrscheinlich
  • volle Erektion bei mittlerer Dosis: vaskuläre (gefäßbedingte) Ursache wahrscheinlich
  • keine Erektion bei hoher Dosis: venookklusive Dysfunktion (Unfähigkeit (Insuffizienz) der Venen, bei erigiertem Penis geschlossen zu bleiben)

Ggf. kann zusätzlich in der Tumeszenzphase (nach Erreichen des maximalen Schwellkörpervolumens) des SKIT eine Doppler- beziehungsweise farbkodierte Duplexsonographie erfolgen (s. u. Medizingerätediagnostik).

Stufe 1

  • Phosphodiesterase-5-Hemmern (PDE5-InhibitorenAvanafil, Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil60-70 % der Patienten sprechen darauf an); auf deren korrekte Anwendung sollte hinweisen werden:
    • das Medikament sollte auf leeren Magen eingenommen werden,
    • die Wartezeit des Patienten (wegen Wirkungsbeginn) sollte eingehalten werden.
    Weitere Therapiemöglichkeit: Alprostadil lokal und intraurethral ("in die Harnröhre (Urethra) hinein")

Bei männlichem Hypogonadismus (symptomatische Hypogonadismus/Keimdrüsenunterfunktion) ist eine Testosterontherapie indiziert (s. u. "Andropause/Wechseljahre des Mannes"). Der männliche Hypogonadismus ist wie folgt definiert ist:

  • Gesamt-Testosteron-Serumspiegel < 12 nmol/l beziehungsweise 3,5 ng/ml PLUS
  • durch Androgenmangel eingeschränkten Organfunktionen und Lebensqualität

Stufe 2

  • Intrakavernöse Injektion (= Schwellkörper-Autoinjektionstherapie, SKAT) oder intraurethrale Applikation von Alprostadil (Prostaglandin E1, PGE1)
  • Alprostadil lokal und intraurethral

Stufe 3

  • Implantation eines semirigiden oder hydraulischen Schwellkörperimplantates

Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Weitere Hinweise

  • Bei hypogonadalen Männern mit Erektionsstörungen kann eine Behandlung mit Testosteron die erektile Funktion verbessern. In einer Studie mit 478 Männern mit einer mittel- bis hochgradigen erektilen Dysfunktion (ED) mit einem IIEF-EF Score < 22 Punkte (International Index of Erectile Function) erfolgte eine Testosterontherapie (Testosteron-Injektion anfänglich im 6-Wochen-Intervall erfolgt, später alle 3 Monate). Kontrollgruppe waren Patienten, die keine Testosteron-Injektionen erhielten. 20 bis 25 % der Patienten aus der Interventionsgruppe und in der Kontrollgruppe nahmen zusätzlich PDE5-Inhibitoren.
  • Ergebnis: 
    • Testosteron-Gruppe: IIEF-EF stieg von 15,2 ± 3,7 auf 25,7 ± 2,2 nach 10 Jahren (p < 0,0001) um 11,5 Punkte (nicht adjustierte Werte)
    • Kontrollgruppe: IIEF-EF verschlechterte sich von 18,2 ± 2,6 auf 9,6 ± 1,8 nach 10 Jahren (p < 0,0001) um 9,8 Punkte (nicht adjustierte Werte)
    • adjustiert nach Alter, Gewicht, Bauchumfang, Blutdruck, Glucose und Lipiden führte zu einer Differenz zwischen den Gruppen mit 19,7 (p < 0,0001)
    Für Männer mit nachgewiesenem Hypogonadismus plädieren auch die europäischen Leitlinien für eine Testosterontherapie (zur Therapie  s. u. Andropause) [3].
  • Die intrakavernöse Injektionstherapie (Injektion in den Schwellkörper) von Onabotulinumtoxin A (Botulinumtoxin; 100 Einheiten) führte bei 40 % der Männer mit therapierefraktären Erektionsstörungen dazu, dass sie wieder sexuell aktiv werden konnten [5].
  • Kombination verschiedener Verfahren kann bei erektiler Dysfunktion zum Erfolg führen [4]: 
    • PDE5-Inhibitoren mit Antioxidantien wie L-Carnitin oder L-Arginin sind mit einer verbesserten erektilen Funktion assoziiert.
    • PDE5-Inhibitor mit einer Vakuumtherapie oder mit einer extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) 
  • Männer, die nach einem Myokardinfarkt (Herzinfarkt) wegen erektiler Dysfunktion einen PDE-5-Hemmer (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil) einnahmen hatten ein relativ um 33 % niedrigeres Mortalitätsrisiko (Sterberisiko) als Männer ohne ED-Medikation; das Risiko, wegen Herzinsuffizienz (Herzschwäche) in eine Klinik eingewiesen zu werden war sogar relativ um 40 % niedriger. Dabei ließ sich eine Dosis/Wirkungbeziehung nachweisen: Je höher die Zahl der Einnahmen von PDE-5-Hemmern, desto niedriger war das damit assoziierte Mortalitätsrisiko [2].

Wirkstoffe (Hauptindikation)

Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE5-Inhibitoren)

Wirkstoffe Besonderheiten
Avanafil
(Spedra)

Bei leichter bis moderater Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance ≥ 30 ml/min) sind keine Dosisanpassungen erforderlich; bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min) ist Avanafil kontraindiziert (Gegenanzeigen)

Bei schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Stadium C) ist Avanafil kontraindiziert; bei leichter bis moderater Leberfunktionsstörung (Child- Pugh-Stadium A oder B) sollte die Behandlung mit der niedrigsten wirksamen Dosis eingeleitet werden

KI Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Apoplex (Schlaganfall), instabile Angina pectoris ("Brustenge"; plötzlich auftretender Schmerz in der Herzgegend mit inkonstanter Symptomatik), Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
Keine Kombi mit Nitraten 

Sildenafil
(Viagra)
Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
KI Myokardinfarkt, Apoplex, instabile Angina pectoris, Herzinsuffizienz
Keine Kombi mit Nitraten
Tadalafil 
(Cialis)
Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
KI Myokardinfarkt, Apoplex, instabile Angina pectoris, Herzinsuffizienz
Keine Kombi mit Nitraten
Vardenafil 
(Levitra)
Dosisanpassung bei Leber-/ schwerer Niereninsuffizienz
KI Myokardinfarkt, Apoplex, instabile Angina pectoris, 
Herzinsuffizienz, schwere Leberinsuffizienz 
Keine Kombi mit Nitraten
  • Wirkweise Phosphodiesterase-5-Hemmer: Vasodilatation → Bluteinstrom Corpus cavernosum (Schwellkörper) ↑ → Erektion verbessert
  • Kontraindikationen (Gegenanzeigen): 
    • Einnahme von Nitraten
    • Myokardinfarkt (Herzinfarkt) in den letzten sechs Wochen
    • Instabile Angina pectoris ("Brustenge"; plötzlich auftretender Schmerz in der Herzgegend mit inkonstanter Symptomatik)
    • Retinopathia pigmentosa (durch Vererbung oder spontane Mutation entstehende Netzhautdegeneration, bei der die Photorezeptoren zerstört werden)
    • NAION (nicht arteritische anteriore ischämische Optikusneuropathie: akuter Verschluss einer den Sehnerven versorgenden Augenarterie)
    • schwere Leberzirrhose, Stadium Child C.
  • Nebenwirkungen: Cephalgie (Kopfschmerzen), Vertigo (Schwindel), Müdigkeit, Sehstörungen, Tachykardie (zu schneller Herzschlag: > 100 Schläge pro Minute), Flush (Hitzewallung mit Hautrötung), gastrointestinal (Dyspepsie (Reizmagen), Übelkeit, Erbrechen), Myalgie (Muskelschmerzen)
  • Nach Prostatektomie (Prostataentfernung) wird durch die Therapie mit einem PDE-5-Hemmer möglicherweise das Risiko für ein biochemisches Rezidiv (Wiederauftreten der Erkrankung) erhöht (4.752 Patienten; 84,7 % versus 89,2 %) [1]

Dosierung, Wirkungseintritt, Wirkungsdauer, Nahrungsabhängigkeit und Nebenwirkungen zugelassener PDE5-Inhibitoren.

  Avanafil (Spedra®) Sildenafil (Viagra®) Tadalafil (Cialis®) Vardenafil (Levitra®)
Dosierung 50/100/200 mg 25/50/100 mg 5/10/20 mg
Tbl.: 5/10/20 mg
ST: 10 mg
Wirkungseintritt 10-30-45 min. 30-60 min. 30-120 min. 30 min.
Empfohlener Einnahmezeitpunkt vor sexueller Aktivität 15-30 min. > 60 min. > 30 min. 25-60 min.
Wirkungsdauer 6 h 8-10-12 h 24-36 h 8-10-14 h
Nahrungsabhängigkeit Ja (Fett) Ja Nein
Tbl.: ja (Fett)
ST: durch Flüssigkeiten
Nebenwirkungen Häufig: Kopfschmerzen (7 %), Gesichtsrötung (Flush, 4,6 %), Nasenverstopfung (5 %)

Gelegentlich: Schwindel, Somnolenz, Nebenhöhlenschmerzen, verschwommenes Sehen, Palpitationen, Hitzewallungen Belastungsdyspnoe, Dyspepsie, Übelkeit, Erbrechen
Kopfschmerzen (18 %), 
Gesichtsrötung (Flush, 14,1 %), Dyspepsie (6,2 %), 
Rhinitis (5 %), 
verändertes Farbensehen (Blausehen, 2-14 %)

Leichter bis mittlerer 
Kopfschmerzen (15 %),
Gesichtsrötung (Flush, 4 %), Dyspepsie (10-11 %), 
Myalgie (4 %)

Kopfschmerzen (8 %), 
Gesichtsrötung (Flush, 11,1 %), Dyspepsie (3,7-5 %), 
Rhinitis (< 6 %)
Absolute Kontraindikationen Siehe Subthema Avanafil Stenokardien 
Einnahme von NO-Donatoren 
Retinitis pigmentosa
   
Zeitpunkt des Spitzenplasmaspiegels 30-45 min. 60 min. (30-120 min.) 120 min.
Tbl.: 30-120 min.
ST: 45-90 min.
Halbwertszeit 6-17 h 4 h (3-5 h) 17,5 h 4-6 h


Weitere Substanzen – nur von Spezialisten einzusetzen

Alphablocker

Wirkstoffe Besonderheiten
Yohimbin Indikationen: ED durch SSRI* 
KI bei Herzerkrankungen
Doxazosin Indikationen: ED und BPH**
Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz
Keine Empfehlung bei schwerer Leberinsuffizienz
  • Wirkweise: Alphablocker
  • Nebenwirkungen: Blutdruckanstieg, Palpitationen, Vertigo (Schwindel), Nervosität, Kopfschmerzen, gastrointestinal (Übelkeit, Erbrechen)

*Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
**Benigne Prostatahyperplasie (BPH; gutartige Prostatavergrößerung)


Antidepressiva

Wirkstoffe  Besonderheiten 
Trazodon Ggf. Dosisanpassung bei 
Nieren-/ Leberinsuffizienz
  • Wirkweise: Serotonin-Reuptake-Hemmer + α-Blockade
  • Indikationen: ED mit Depression, psychogene ED
  • Nebenwirkungen: Sedierung, orthostatische Dysregulation, Unruhe

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die männliche Vitalität sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Calcium, Magnesium, Phosphor)
  • Spurenelemente (Chrom, Jod, Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Aminosäuren (verzweigtkettige; abgekürzt BCAA für engl. Branched-Chain Amino Acids: Isoleucin, Leucin, Valin)
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Lycopin, Kürbiskernöl, Soja-Isoflavone (Daidzein, Genistein, Glycitein))
  • Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10))

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Michl U et al.: Use of PDE5-inhibitors may adversely impact biochemical recurrence following radical prostatectomy. J Urol 2014, online 5. September; doi: 10.1016/j.juro.2014.08.111
  2. Anderson DP et al.: Association Between Erectile Dysfunction and Death or Cardiovascular Outcomes After Myocardial Infarction. BMJ, 10. März, 2017, Heart online first
  3. Dohle GR et al.: Guidelines on male hypogonadism. European Association of Urology 2015
  4. Mykoniatis I et al.: Assessment of Combination Therapies vs Monotherapy for Erectile Dysfunction A Systematic Review and Meta-analysis JAMA Netw Open. 2021 Feb; 4(2): e2036337 doi: 10.1001/jamanetworkopen.2020.36337
  5. El-Shaer W et al.: Intra-cavernous injection of BOTOX® (50 and 100 Units) for treatment of vasculogenic erectile dysfunction: Randomized controlled trial. Andrology 2021; https://doi.org/10.1111/andr.13010

Leitlinien

  1. Dohle GR et al.: Guidelines on male hypogonadism. European Association of Urology 2015