Schadstoffe und Rückstände in der Muttermilch
Dass der Konsum von Alkohol, Nikotin, hohen Mengen koffeinhaltiger Getränke sowie die Einnahme bestimmter Medikamente während der Stillzeit dem Säugling schaden können, ist hinlänglich bekannt. Doch welche weiteren unerwünschten Substanzen können in die Muttermilch übergehen und wie bedenklich sind sie für die Gesundheit des Säuglings?
Unterschieden wird dabei zwischen Schadstoffen (Kontaminanten) und Rückständen:
- Schadstoffe
- gelangen unabsichtlich in Lebensmittel
- entstehen u. a. beim Verarbeitungsprozess von Nahrungsmitteln, z. B. Acrylamid in Kartoffelchips
- stammen aus der Umwelt wie Schimmelpilze, Schwermetalle oder Dioxine
- Rückstände
- finden sich sowohl in Lebensmitteln als auch in Futtermitteln
- stammen von Wirkstoffen und deren Abbauprodukten – dazu zählen z. B. Pestizide (Pflanzenschutzmittel)
- werden bewusst beim Anbau bzw. der Herstellung von Nahrungsmitteln eingesetzt
- können auch erst durch die Lagerung und Verarbeitung von Nahrungsmitteln entstehen
Diese Substanzen sind in unserer Umwelt leider sehr beständig. Vor allem über die Nahrungsketten gelangen sie letztlich auch in den menschlichen Körper. Besonderes Augenmerk gilt dabei den lipophilen (in Fett lösliche) Substanzen, da sie sich im Fettgewebe, in diesem Fall der Mutter, ablagern und über das Milchfett an den Säugling weitergegeben werden können.
In der Muttermilch konnten bislang über 300 unerwünschte Substanzen nachgewiesen werden. Nachfolgend werden Substanzen aufgeführt, die in der Muttermilch lange persistent, das heißt schwer abbaubar, sind, und hinsichtlich ihres Gefährdungspotenzials bewertet.
Bisphenol A
Diese Substanz ist ein Ausgangsstoff für z. B. Polycarbonate und Epoxidharz, aus denen es in geringen Mengen freigesetzt wird. Aufgenommen wird es vor allem aus Lebensmittelverpackungen. Im Darm und in der Leber wird es schnell gebunden. Biologisch wirksam ist nur das freie Bisphenol A, das im Blut nur in sehr geringen Konzentrationen vorkommt [1]. Bisphenol A hat Eigenschaften eines endokrinen Disruptors. Endokrine Disruptoren sind Chemikalien, die die Wirkweise von Hormonen im menschlichen Körper stören können.
Die Nutzung von Bisphenol A gilt derzeit als sicher [2].
Flammschutzmittel
Dazu zählt polybromierter Diphenylether (PBDE). Als Flammschutzmittel findet die Substanz unter anderem in Kunststoffprodukten, Dämm- und Montageschaum, Teppichen, Computern, Druckern, Fernsehgeräten, Textilien und Theatervorhängen Anwendung. PBDE dampft aus, reichert sich in den Nahrungsketten an.
Für den gestillten Säugling ergeben sich jedoch keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch polybromierten Diphenylether [3].
Perfluorierte Tenside
Perfluorierte Tenside werden z. B. als Ausgangsmaterialien zur Herstellung von schmutz-, fett- und wasserabweisenden Oberflächen von Textilien und Verpackungen genutzt. Sie verteilen sich leicht in der Umwelt, da sie sowohl hydrophil (in Wasser löslich) als auch lipophil (in Fett löslich) sind. Über Nahrungsmittel und Trinkwasser gelangen sie in den menschlichen Organismus.
In Tierversuchen fördern die Derivate Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA) die Bildung von Leberadenomen sowie Hoden- und Pankreastumoren, allerdings in höheren Dosen als im menschlichen Blut bisher gemessen. Ob diese Beobachtungen auf den Menschen übertragbar sind, lässt sich derzeit nicht sagen, da wissenschaftlich anerkannte Humanstudien (Studien am Menschen) fehlen.
Synthetische Duftstoffe
Diese Nitromoschusverbindungen werden in Kosmetika eingesetzt. Sie sind lipophil und schwer abbaubar.
In der Muttermilch lassen sie sich nur in geringen Mengen nachweisen, sodass sie zu vernachlässigen sind. Die Belastung durch den Gebrauch von Kosmetika ist sogar höher als die durch die Aufnahme über die Muttermilch.
Weichmacher
Vor Weichmachern haben vor allem Eltern Angst. Die sogenannten Phthalate werden in Kunststoffen und Lebensmittelverpackungen verwendet, aus denen sie freigesetzt und oral oder über die Atemwege und über die Haut aufgenommen werden. Kleinkinder nehmen nicht selten aus Kunststoffen hergestelltes Spielzeug in den Mund oder untersuchen es ausdauernd mit ihren Fingern.
Phthalate sind nicht persistent und reichern sich damit auch nicht im menschlichen Körper an.
Chlorierte Kohlenwasserstoffe
Die Nutzung von chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW), z. B. als Ausgangsprodukt für Kunststoffe wie Vinylchlorid zur Herstellung von Polyvinylchlorid (PVC) sowie als Schädlingsbekämpfungs- oder Lösemittel, wurde in den letzten Jahrzehnten weltweit verboten oder eingeschränkt, da diese organischen chemischen Verbindungen sehr stabil sind, nur sehr langsam abgebaut werden und sich aufgrund ihrer lipophilen Eigenschaften im menschlichen Fettgewebe anreichern können. Einige gelten sogar als kanzerogen (krebserregend).
Fazit
Schadstoffe und Rückstände kommen dank erfolgter Verbote und Beschränkungen in den vergangenen Jahrzehnten in Konzentrationen in der Muttermilch vor, die als "nicht akut toxisch" eingestuft werden, sodass Stillen in diesem Zusammenhang als gesundheitlich unbedenklich gilt.
Die größeren Belastungen erfährt das Baby über Genussmittel, vor allem Nikotin und Alkohol, der Mutter.
Nach wie vor ist das ausschließliche Stillen in den ersten Lebensmonaten eines Säuglings die beste Form der Ernährung [4]. Die Vorteile des Stillens überwiegen.
Literatur
- Sayıcı IU, Orhon FS, Topçu S, Ulukol B, Baskan S: Preliminary study on bisphenol A levels and possible exposure history of mother and exclusively breastfed infant pairs. Eur J Pediatr. 2019 Apr;178(4):541-550. doi: 10.1007/s00431-019-03329-4.
- National Toxicology Program (NTP), U.S. Department of Health and Human Services und das Federal Drug Administration der USA (FDA): A Perinatal and Chronic Extended-Dose-Range Study of Bisphenol A in Rats. Research Report on the CLARITY-BPA Core Study. 2018
- Gemeinsame Presseinformation des Umweltbundesamtes und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfG): Flammschutzmittel in Muttermilch – in Deutschland kein Risiko für Säuglinge. Stillen bleibt die beste Ernährung für Säuglinge. 24/2005, 19.07.2005.
- Padberg S, Bührer C, Menzel J, Weikert C, Schaefer C, Abraham K: Fremdstoffe und Krankheitserreger in der Muttermilch – ein Risiko für das Kind?
Bundesgesundheitsblatt, Themenheft Stillen, 22.06.2018 DOI: 10.1007/s00103-018-2764-5