Fettsäuren in der Stillphase
Werden Neugeborene gestillt, wird ihr Energiebedarf zu 50 % aus den in der Muttermilch enthaltenden Fetten gedeckt. Die reife Muttermilch weist einen Fettgehalt zwischen 13 und 83 Gramm pro Liter auf – Mittelwerte liegen bei 35 beziehungsweise 45 Gramm pro Liter. Der mittlere Linolensäuregehalt des Milchfettes beträgt etwa 10 % und deckt somit den Bedarf des Kindes an essentiellen Fettsäuren ab. Mit einem Linolensäureanteil von 8-10 % nimmt der Säugling 0,5-0,6 Gramm Linolensäure je Kilogramm Körpergewicht und Tag auf [2].
Die Menge der mit der Muttermilch ausgeschiedenen Fette wird im Gegensatz zu der Fettzusammensetzung der Milch durch die Nahrung nicht beeinflusst [1].
Insgesamt sind inzwischen 167 Fettsäuren in der menschlichen Muttermilch festgestellt worden, wobei den Hauptanteil Palmitin-, Stearin-, Olein- und Linolensäure ausmachen.
Im Unterschied zur Kuhmilch weist Muttermilch einen höheren Gehalt an einfach ungesättigten Fettsäuren – Ölsäure – auf. Die in der Muttermilch enthaltenden mehrfach ungesättigten Fettsäuren – Linol- und Linolensäure – sind in Kuhmilch nicht enthalten. Säuglinge sollten deshalb nicht mit Kuhmilch ernährt werden, da ein Mangel an mehrfach ungesättigten Fettsäuren Störungen der Sehfunktion und eine verminderte Ausreifung des kindlichen Nervensystems zur Folge hat [5.2.].
Die Zusammensetzung des Fettes in der Muttermilch hängt von der Ernährungsweise der Mutter ab. Stillende Frauen sollten aus diesem Grund Nahrungsfette mit einem hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren reduzieren und dafür ausreichend essentielle, mehrfach ungesättigte Fettsäuren zu sich nehmen. Dazu gehören Omega-3-Fettsäuren, wie Alpha-Linolensäure, Eicosapentaensäure (EPA) sowie Docosahexaensäure (DHA), und Omega-6-Verbindungen, wie Linolsäure, Gamma-Linolensäure (GLA), Dihomo-Gamma-Linolensäure und Arachidonsäure. Hauptsächlich kommen diese Verbindungen in pflanzlichen Ölen, wie Maiskeim- und Sojaöl, sowie in Kaltwassermeeresfischen vor [5.1.].
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind essentiell und können somit nicht vom menschlichen Körper synthetisiert werden. Sie müssen mit der Nahrung zugeführt werden, wobei stillende Frauen auf eine ausreichende Zufuhr achten sollten, um einem Mangel vorzubeugen.
Omega-3- und -6-Fettsäuren sind insbesondere für die Bildung von Zellmembranen, Blutfetten und Prostaglandinen von Bedeutung. Sie sollten in einem Verhältnis von 5:1 aufgenommen werden, da eine zu hohe Zufuhr an Omega-6-Fettsäuren die Bildung ungünstiger Eicosanoide fördert, welche als Entzündungsmediatoren wirken und so Entzündungen und Gefäßverengung begünstigen [5.1.]. Zudem erhöht eine zu extreme Aufnahme von Linolsäure das Auftreten von Lipidperoxidationen und verursacht Störungen des Arachidonsäuremetabolismus [5.2.].
Prostaglandine werden durch spezifische Enzyme aus mehrfach ungesättigten C20-Fettsäuren, insbesondere Arachidonsäure, aufgebaut und führen zu wichtigen Veränderungen der Reaktionen der Blutgefäße sowie des Gerinnungssystems [3].
Während der Stillzeit ist eine erhöhte Zufuhr von einfach ungesättigten sowie mehrfach ungesättigten Fettsäuren von erheblicher Bedeutung. Die Ursache dafür ist das schnelle Zellwachstum – Wachstum des Säuglings, gesteigerte Bildung roter Blutkörperchen – innerhalb der Stillzeit, wofür vermehrt essentielle Fettsäuren benötigt werden [5.1.]. Außerdem sind Früh- und Neugeborene nur begrenzt oder gar nicht in der Lage, aus Fettsäuren der Linol- und Linolensäure langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren zu bilden. Erhalten Säuglinge zu wenig Omega-3- und -6-Fettsäuren über die Muttermilch, können nur ungenügende Mengen in den Membranen der Erythrozyten (rote Blutkörperchen) und in den Plasmaphospholipiden eingelagert werden. Folglich sind unter anderem die Funktionsfähigkeit der Erythrozyten, die Blutgerinnung sowie die Wundheilung gestört [5.2.].
Omega-3-Fettsäuren – in Leinsamen, Kürbiskernen, frischem, fettreichem Fisch wie Makrele, Hering und Sardine – werden vom Säugling für eine gesunde körperliche Entwicklung sowie für die Entwicklung von Gehirn und Augen benötigt [5.2.]. Dem Neugeborenen sollte deshalb täglich mindestens 0,5-1 Gramm Omega-3-Fettsäuren über die Muttermilch zugeführt werden [5.2.].
Während der Stillzeit wird eine Zufuhr von 0,5-1 Gramm Omega-3-Fettsäuren am Tag für die Mutter empfohlen [5.1.].
Hinweis!
Omega-3-Fettsäuren-Präparate werden als Fischöl angeboten, das reich an EPA und DHA ist. Da die hoch ungesättigten Omega-3-Fettsäuren sehr oxidationsempfindlich sind, ist eine zusätzliche Supplementierung mit natürlichem Tocopherol – Vitamin E –, Vitamin C, Selen und anderen antioxidativ wirksamen Substanzen zu empfehlen, um den Fetus vor oxidativen Schäden zu schützen [5.1.].
Weitere Funktionen der Omega-3-Fettsäuren
- Hemmen die Entstehung von Entzündungsmediatoren
- Steigern die Umwandlung in günstige Eicosanoide, welche verantwortlich sind für Zellwachstum und -regeneration, Geschmeidigkeit der Zellen, Regulierung der Blutfette und des Cholesterins, des Blutdrucks, der Blutplättchen und der Blutgerinnung, Herzfrequenz, allergische und entzündliche Vorgänge, Aufrechterhaltung des Immunsystems, Erhaltung einer gesunden Haut und Erhaltung von geistigen Funktionen
- Wirken entzündungshemmend, blutfett- und blutdrucksenkend sowie blutgerinnungsfördernd
- Schutz vor Arthritis, Allergien, Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung) – da antientzündliche und antithrombotische Wirkung –, Hypertonie (Bluthochdruck), Herzrhythmusstörungen, Ekzemen und vor dem prämenstruellen Syndrom mit Symptomen, wie Ermüdung, Konzentrationsschwäche, deutliche Veränderung des Appetits, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschmerzen
- Vermindern Klebrigkeit der Blutplättchen (Thrombozytenaggregationshemmung) und erweitern die Blutgefäße [5.1.]
Stillende Frauen müssen insbesondere neben den sichtbaren Nahrungsfetten auf die versteckten Fette – in Fertigprodukten und Fastfood – achten, die in der typischen Kost rund 50 % der Gesamtfettzufuhr ausmachen. Die Fettrichtwerte werden in vielen Fällen überschritten. Stillende Mütter sollten deswegen eine Fettzufuhr von 70 Gramm pro Tag beziehungsweise 30 % der Gesamtenergiezufuhr nicht zu überschreiten. Zu hohe Fettbelastungen lassen die Fettwerte im Körper sowie in der Muttermilch ansteigen und führen zu einer verstärkten Ansammlung von Ketonkörpern im mütterlichen Plasma (Ketose) [3]. Das Risiko für das Auftreten von Lipidperoxidationen ist ebenfalls hoch. Um eine Strukturänderung der Fette in schädigende Verbindungen zu verhindern, muss ein ausreichender antioxidativer Schutz vorhanden sein. Der Bedarf an den Antioxidantien, wie Vitamin E, C und Beta-Carotin ist dementsprechend hoch [4].
Die Vitamine A, C und E sind auch in der Lage, die Umwandlung der Omega-6-Fettsäuren, wie Gamma-Linolensäure und Arachidonsäure, in die Entzündungsmediatoren zu hemmen [5.1.]. Eine ausreichende Aufnahme dieser Antioxidantien verringert die Konzentration entzündungsfördernder Eicosanoide und damit die Neigung zur Gefäßverengung [5.1.].
Werden zu hohe Mengen an gesättigten Fetten aus tierischen Lebensmitteln konsumiert, werden diese anstelle von den mehrfach ungesättigten Fettsäuren in den Zellmembranen eingelagert, wodurch die Membranen an Geschmeidigkeit, Reaktionsbereitschaft und Funktion abnehmen [5.1.]. Gesättigte Fette erhöhen die Entzündungsneigung sowie die Klebrigkeit der Blutplättchen und verengen die Blutgefäße [5.1.].
Essentielle Fettsäuren – Vorkommen in den Nahrungsmitteln
- Omega-6-Verbindung Linolsäure – Pflanzenöle, wie Getreidekeim-, Distel-, Raps-, Sojabohnen-, Sesam- und Sonnenblumenöl
- Omega-6-Verbindung Gamma-Linolensäure (GLA) – Nachtkerzen- und Borretschöl, Öl aus den Samen der Schwarzen Johannisbeere
- Omega-3-Verbindung alpha-Linolensäure – Sojabohnen, Walnüsse, Spinat, Linsen, Portulak, Weizenkeime, Leinsamen und die daraus hergestellten Öle
- Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) – durch das Vorkommen in Algen, Moosen und Farnen gelangen diese Fettsäuren in hoher Konzentration über die Nahrungskette in Kaltwasserfische, wie Makrele, Hering, Lachs und Forelle, in Muscheln, ins Fleisch von Wildtieren, die die Moose und Farnen fressen [5.1.]
Folgen eines Mangels an essentiellen Fettsäuren
- Geschwächtes Immunsystem, erhöhte Anfälligkeit für Infektionen
- Gestörter Herzrhythmus
- Gestörte Sehkraft
- Gestörte Wundheilung
- Gestörte Blutgerinnung
- Haarausfall
- Hypertonie (Bluthochdruck)
- Fettstoffwechselstörung (Hyperlipoproteinämie)
- Nierenerkrankungen
- Reduzierte Funktionstüchtigkeit der Erythrozyten (rote Blutkörperchen)
- Hautveränderungen – schuppige, rissige, verdickte Haut
- Verminderte Leberfunktion
- Verstärkung der Symptome von Arthritis (Gelenkentzündung), Allergien, Atherosklerose (Arterienverkalkung), Thrombose, Ekzemen, des prämenstruellen Syndroms – Ermüdung, Konzentrationsschwäche, deutliche Veränderung des Appetits, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschmerzen
- Erhöhtes Krebsrisiko [5.1.]
Folgen eines Mangels an essentiellen Fettsäuren – Auswirkungen auf den Säugling
- Vermindertes Ganzkörperwachstum
- Ungenügende Entwicklung das Gehirns
- Geschwächtes Immunsystem, erhöhte Anfälligkeit für Infektionen
- Gestörter Herzrhythmus
- Reduzierte Funktionstüchtigkeit der Erythrozyten (rote Blutkörperchen)
- Verminderte Leberfunktion
- Verringerung der Lernfähigkeit
- Hyperaktivität
- Neurologische Störungen – Konzentrations- und Leistungsschwäche
- Erhöhte Entzündungsneigung
- Verkleben der Thrombozyten (Blutplättchen)
- Verengung der Blutgefäße
- Gestörte Sehkraft
- Gestörte Wundheilung
- Gestörte Blutgerinnung [5.1.]
Literatur
- Biesalski HK, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Pölert W, Puchstein Ch, Stähelin HB: Ernährungsmedizin. Kapitel 17, 224-230, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1999
- Eschenbruch B: Wasser und Mineralstoffe in der Ernährungsmedizin. Kapitel 5.7, 128-130, Umschau Zeitschriftenverlag Breidenstein GmbH; Frankfurt am Main 1994
- Huth K, Kluthe R: Lehrbuch der Ernährungstherapie. Kapitel 3, 106-125. Georg Thieme Verlag Stuttgart New York, 1995
- Niestroj I: Praxis der Orthomolekularen Medizin. Kapitel 10, 199-206, Hippokrates Verlag GmbH; Stuttgart 2000
- Schmidt E, Schmidt N: Leitfaden Mikronährstoffe. Kapitel 2, 318-339 (5.1.), 3, 370-400 (5.2.). Urban & Fischer Verlag; München, Februar 2004