Schulterschmerzen (Omalgie) – Einleitung

Schulterschmerzen, medizinisch als Omalgie bezeichnet, sind in der Mehrheit der Fälle Weichteilschmerzen. Beteiligt sind Muskeln, Sehnen, Gelenkkapsel, Schleimbeutel und Gelenkschmiere, nicht aber die Knochen.

Synonyme und ICD-10: Omalgie; ICD-10-GM M25.51: Gelenkschmerz: Schulterregion

Schulterschmerzen sind die dritthäufigste muskuloskeletale Ursache für eine ärztliche Konsultation in einer orthopädischen Sprechstunde und führen häufig zur Arbeitsunfähigkeit.

Anatomie und Physiologie der Schulter

Das Schultergelenk, auch als Glenohumeralgelenk bekannt, ist das beweglichste Gelenk im menschlichen Körper. Es besteht aus dem Humeruskopf (Oberarmknochen), der Gelenkpfanne des Schulterblatts (Glenoid) und dem Schultereckgelenk (Akromioklavikulargelenk). Die komplexe Struktur der Schulter ermöglicht eine außergewöhnlich hohe Bewegungsfreiheit, die für viele alltägliche Aktivitäten unerlässlich ist. Diese Beweglichkeit wird durch mehrere anatomische und physiologische Komponenten gewährleistet:

  • Gelenktypen
    • Glenohumeralgelenk: Ein Kugelgelenk, das eine dreidimensionale Bewegung ermöglicht.
    • Akromioklavikulargelenk: Verbunden mit dem Schlüsselbein und unterstützt die Stabilität der Schulter.
    • Sternoklavikulargelenk: Verbindet das Schlüsselbein mit dem Brustbein.
  • Muskeln und Sehnen
    • Rotatorenmanschette: Eine Gruppe von vier Muskeln (Supraspinatus, Infraspinatus, Teres minor, Subscapularis) und deren Sehnen, die das Schultergelenk umgeben und stabilisieren. Diese Muskeln ermöglichen die Dreh- und Hebebewegungen des Arms.
    • Deltamuskel (Musculus deltoideus): Ein großer, dreieckiger Muskel, der die Schulterform bestimmt und Bewegungen wie das Heben des Arms unterstützt.
  • Bänder und Kapseln
    • Gelenkkapsel: Eine flexible Hülle, die das Glenohumeralgelenk umgibt und Stabilität verleiht.
    • Bänder: Bindegewebsstrukturen, die das Gelenk verstärken und zusätzliche Stabilität bieten (z. B. das Coracohumerale Band).
  • Schleimbeutel (Bursae)
    • Schleimbeutel sind mit Flüssigkeit gefüllte Säckchen, die die Reibung zwischen Sehnen und Knochen reduzieren. Der wichtigste Schleimbeutel in der Schulter ist der subakromiale Schleimbeutel, der sich zwischen der Rotatorenmanschette und dem Akromion (Teil des Schulterblatts) befindet.
  • Bewegungsumfang
    • Das Schultergelenk ermöglicht Bewegungen in alle Richtungen, einschließlich Flexion (Beugung), Extension (Streckung), Abduktion (von der Körperachse wegbewegen), Adduktion (von der Körperachse hinbewegen), Innenrotation und Außenrotation. Diese Vielseitigkeit ist entscheidend für komplexe Bewegungen wie das Werfen eines Balls oder das Greifen nach Gegenständen über dem Kopf.
  • Stabilität und Mobilität
    • Die Schulter ist anfällig für Verletzungen und Verschleiß aufgrund ihres großen Bewegungsumfangs und der relativ geringen knöchernen Stabilität. Die Stabilität des Gelenks wird hauptsächlich durch die Muskeln und Bänder gewährleistet, während die knöchernen Strukturen nur begrenzten Schutz bieten.

Diese komplexe Anatomie und Physiologie macht die Schulter sowohl leistungsfähig als auch verletzungsanfällig. Verschiedene Faktoren wie Überlastung, Traumata und degenerative Veränderungen können zu Schulterschmerzen und Funktionsstörungen führen.

Formen der Schulterschmerzen

  • Akute Schulterschmerzen: Treten beispielsweise sportbedingt oder nach dem Tragen schwerer Lasten auf.
  • Chronische Schulterschmerzen: Liegen vor, wenn die Schmerzen über drei Monate anhalten. Hier ist häufig eine degenerative (abnutzungsbedingte) Gelenkerkrankung die Ursache.

Häufige Diagnosen bei Schulterschmerzen

  • Rotatorenmanschettenläsionen: Schäden an der Gruppe von vier Muskeln und deren Sehnen, die das Schultergelenk stabilisieren.
  • Impingement-Syndrom: Einklemmung von Sehnen oder Schleimbeuteln im Schultergelenk.

Differentialdiagnosen

Schulterschmerzen können Symptom vieler Erkrankungen sein, darunter:

  • Rotatorenmanschettenruptur: Riss der Sehnen der Rotatorenmanschette.
  • Schulterluxation: Ausrenkung des Schultergelenks.
  • Arthrose: Degenerative Gelenkerkrankung.
  • Bursitis: Entzündung des Schleimbeutels.
  • Tendinitis: Sehnenentzündung.
  • Kalkschulter: Ablagerungen von Kalk in den Sehnen.

Schulterschmerzen können Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter “Differentialdiagnosen“).

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Häufigkeitsgipfel: Mit steigendem Alter steigt auch die Zahl der von Schulterschmerzen betroffenen Personen.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Diese liegt bei 30 % (in Deutschland), die Lebenszeitprävalenz beträgt 70 %, Tendenz steigend.

Region: Der Schulter-Nacken-Bereich ist die am zweithäufigsten von chronischen Schmerzen betroffene Region [1].

Verlauf und Prognose

Verlauf

Schulterschmerzen können sich je nach Ursache und Schweregrad unterschiedlich entwickeln. Der Verlauf lässt sich in akute und chronische Schulterschmerzen unterteilen:

  • Akute Schulterschmerzen:

    • Treten oft plötzlich auf, meist durch sportliche Aktivitäten oder nach dem Tragen schwerer Lasten.
    • Häufig bedingt durch Verletzungen wie Prellungen, Zerrungen oder Sehnenentzündungen.
    • Bei adäquater Therapie und Schonung klingen die Schmerzen oft innerhalb weniger Wochen ab.
  • Chronische Schulterschmerzen:

    • Definiert durch Schmerzen, die länger als drei Monate anhalten.
    • Häufig verursacht durch degenerative Gelenkerkrankungen wie Arthrose oder chronische Überlastung.
    • Können durch Verkalkungen (Tendinosis calcarea), Sehneneinrisse oder das Impingement-Syndrom (Verrenkung unterhalb des Schulterdachs) entstehen.
    • Schulterschmerzen treten oft nachts auf, da der Spalt im Schultergelenk durch Verkalkungen oder Sehneneinrisse verkleinert wird, was Druck auf die Nerven und Schulterweichteile ausübt.
    • Tagsüber wird der Spalt durch Bewegung wieder vergrößert, was zu einer Linderung der Schmerzen führt.

Prognose

Die Prognose bei Schulterschmerzen hängt stark von der Ursache und der rechtzeitigen und adäquaten Therapie ab:

  • Frühe Therapie: Je früher mit einer gezielten Therapie begonnen wird, desto besser sind die Heilungschancen. Eine rechtzeitige Behandlung kann verhindern, dass akute Schmerzen chronisch werden.
  • Selbstlimitierende Erkrankungen: Einige Schultererkrankungen wie die Tendinosis calcarea oder die Frozen Shoulder (zunehmende Bewegungseinschränkung des Schultergelenks) haben einen selbstlimitierenden Verlauf, d. h., sie können auch ohne äußere Einflüsse abklingen. Bei diesen Erkrankungen hat die konservative Therapie eine besonders hohe Bedeutung.
  • Langzeitverlauf: Etwa 50 % der Betroffenen leiden über einen Zeitraum von über einem Jahr unter Schulterschmerzen, was die Bedeutung einer konsequenten und langfristigen Therapie unterstreicht.

Literatur

  1. Robert Koch-Institut: Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Gesundheit in Deutschland. Robert Koch-Institut/Statistisches Bundesamt, Berlin, 2006, S 225