Rückenschmerzen – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Schmerzlinderung und so Verbesserung der Bewegungsfähigkeit

Therapieempfehlungen

  • Im Vordergrund der Therapie des nichtspezifischen Kreuzschmerzes steht die Aktivierung der Betroffenen!
  • Bei Kindern und Jugendlichen soll eine medikamentöse Behandlung rekurrierender oder chronischer nicht-spezifischer Rückenschmerzen nicht durchgeführt werden [S3-Leitlinie: Rückenschmerz bei Kindern und Jugendlichen].
  • Analgesie (Schmerzlinderung) gemäß WHO-Stufenschema:
    • Nicht-Opioidanalgetikum 
      • Bei akuten Schmerzen im unteren Rücken (Lumbago) keine Verkürzung der Erholungszeit [2]; keine evidente Wirksamkeit [7]
    • Niederpotentes Opioidanalgetikum (z. B. Tramadol) + Nicht-Opioidanalgetikum – erst nach erfolgloser Schmerztherapie mit nicht opioiden Analgetika
    • Hochpotentes Opioidanalgetikum (z. B. Morphin) + Nicht-Opioidanalgetikum
    Beachte: Die Opioidtherapie soll regelmäßig reevaluiert werden, bei akuten nichtspezifischen Kreuzschmerzen nach spätestens vier Wochen, bei chronischen Kreuzschmerzen nach spätestens drei Monaten [1].
    Opioide sollen zur Langzeitbehandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nur im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts angewendet werden.
  • Im akuten Stadium zur Unterstützung nichtmedikamentöser Maßnahmen (s. u. "Weitere Therapie"), damit der Patient schnell wieder seine üblichen Aktivitäten aufnehmen kann.
    Im chronischen Stadium, wenn zur Umsetzung aktivierender Maßnahmen (Multimodale (Psycho- und Physiotherapie), multi- und interdisziplinäre Behandlung/Rehabilitation“) eine Schmerztherapie erforderlich ist.
  • Antiphlogistische Analgetika (NSAR/nichtsteroidale Antirheumatika, z. B. Ibuprofen, Diclofenac); gemäß Leitlinienempfehlungen sollen akute Rückenschmerzen über einen begrenzten Zeitraum mit NSAR und/oder Muskelrelaxantien behandelt werden [1]; NSAR sollten zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen in der niedrigsten wirksamen Dosierung und so kurzzeitig wie möglich angewendet werden. Weitere Therapieoptionen sind:
    • Metamizol (Novaminsulfon) kann zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen in der niedrigsten wirksamen Dosierung und so kurzzeitig wie möglich angewendet werden, wenn NSAR kontraindiziert sind [S3-Leitlinie: ⇔).
    • COX-2-Hemmer können unter Berücksichtigung der Warnhinweise zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden, wenn NSAR kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden [1].
    • Beachte: NSAID und Glucocorticoide können möglicherweise die Chronifizierung von Kreuzschmerzen fördern. Ein Forscherteam weist darauf hin, dass akute Kreuzschmerzen zu Entzündungsreaktionen im Körper führen, die möglicherweise die Ausheilung fördern und eine Chronifizierung vermeiden kann [12].
  • Ggf. Muskelrelaxantien (Medikamente, die Muskelspannungen lösen) : Laut Leitlinie [1]: nicht zur Behandlung bei
    • akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen (akuter Kreuzschmerz) [4]; akuter Schmerz zur kurzfristigen Therapie (zwei bis sieben Tage) [7]
    • chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen 
    Die Versorgungsleitlinie geht möglicherweise an der Realität vorbei: Eine Metaanalyse stärkt den Einsatz von Pridinol: Der Global Assessment zeigt eine Response-Rate für Pridinol von 74 Prozent, für Placebo von knapp 50 Prozent [13].
  • Ggf. Glucocorticoide bei
    • akuter Radikulopathie (Reizung oder Schädigung der Nervenwurzeln) infolge einer lumbalen ("zur Lendenwirbelsäule gehörigen") Diskushernie (Bandscheibenvorfall) [3]
    • akuten Schmerzen: Weder Injektionen noch Tabletten schnitten wesentlich besser ab als Placebo [7].
  • Tetrazepam (Bezodiazepine) bei chronischen, nichtradikulären Schmerzen [7]
  • Neuropathischer Schmerz: Wirkstoffe, die auf die neuronalen Calzcumkanäle wirken (Gabapentin, Pregabalin) (Mittel der ersten Wahl)
  • Ggf. Lokalanästhetika (örtliche Betäubung); Antidepressiva [Beachte: Bei chronischem Rückenschmerz ergaben sich für Trizyklika und SSRI keine Vorteile gegenüber Placebo [7]]
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Analgetika

Analgetika sind Schmerzmittel. Es gibt mehrere verschiedene Untergruppen, wie die NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) zu denen Ibuprofen und ASS (Acetylsalicylsäure) gehören, oder aber die Gruppe um die nichtsauren Analgetika Paracetamol und Metamizol. Sie werden alle weitverbreitet eingesetzt. Bei vielen Präparaten dieser Gruppen besteht die Gefahr von Magenulzera (Magengeschwüren) bei längerer Anwendung.

Beachte: 

  • Paracetamol sollte nicht zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden [1]
  • Paracetamol war bei akuten Rückenschmerzen nach 4 Wochen nicht effektiver als Placebo [9].

Weitere Hinweise

  • Bei Personen, die mit akuten, nichttraumatischen, nichtradikulären und muskuloskelettalen Schmerzen im unteren Rückenbereich eine Notaufnahme aufsuchten, konnten Ibuprofen-Tabletten die schmerzbedingten funktionellen Einschränkungen innerhalb von zwei Tagen signifikant stärker linder als eine topische Diclofenac-Behandlung [14]. 

Muskelrelaxantien

Muskelrelaxantien sind Medikamente, die vor allem bei Verspannungen verordnet werden. In der Klinik werden sie u. a. für die Narkose genutzt. Zu den Muskelrelaxantien zählt unter anderem Tizanidin, Tolperison, Methocarbamol und Pridinol.

Rote-Hand-Brief: Tolperison ist nur zur Behandlung der Spastizität nach einem Schlaganfall bei Erwachsenen zugelassen. Außerhalb dieser zugelassenen Indikation besteht zum Beispiel das Risiko für Überempfindlichkeitsreaktionen (bis hin zum anaphylaktischen Schock), ohne dass ein Nutzen nachgewiesen ist [11].

Eine Metaanalyse stärkt den Einsatz von Pridinol: Der Global Assessment zeigt eine Response-Rate für Pridinol von 74 Prozent, für Placebo von knapp 50 Prozent [13].

Antidepressiva

Antidepressiva sind Medikamente wie Amitriptylin oder Venlafaxin, die bei Depressionen eingesetzt werden. Bei Rückenschmerzen werden sie zur Schmerzreduktion eingesetzt.

  • Bei chronischem Rückenschmerz ergaben sich für Trizyklika und SSRI keine Vorteile gegenüber Placebo [7]
  • Es gibt keine Evidenz für Gabapentinoide (Gabapentin, Pregabalin) beim unspezifischem Kreuzschmerz [8]

Opioide

Opioide sind sehr starke Schmerzmittel, zu denen unter anderem Morphium zählt. Sie wirken analgetisch (schmerzlindernd), aber auch sedierend (ermüdend) und antiemetisch (gegen Übelkeit). Sie machen jedoch auch viele Nebenwirkungen wie Obstipation (Verstopfung), Übelkeit/Erbrechen, Atemdepression (vermindern den Atemanreiz). Opioide zählen wie andere Rauschmittel zu den Betäubungsmitteln, weshalb ihr Verkehr genauestens verfolgt und kontrolliert wird.

Lokalanästhetika

Lokalanästhetika sind Medikamente, die verabreicht werden, um in einem begrenzten Körperareal die Schmerzen auszuschalten. Sie werden meist vor kleineren operativen Eingriffen verabreicht.

  • Beachte: Intravenös, -muskulär oder subkutan applizierbare Analgetika, Lokalanästhetika, Glucocorticoide und Mischinfusionen sollen nicht zur Behandlung nichtspezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden [1].

Glucocorticoide

Glucocorticoide sind Medikamente gegen Entzündungen. Außerdem werden sie bei überaktivem Immunsystem – beispielsweise bei allergischen Reaktionen – eingesetzt. Sie können bei oraler Langzeittherapie (also Einnahme von Tabletten) zu Osteoporose-bedingten Frakturen (Knochenbrüchen) führen und dadurch zu Rückenschmerzen.

  • Beachte: Intravenös, -muskulär oder subkutan applizierbare Analgetika, Lokalanästhetika, Glucocorticoide und Mischinfusionen sollen nicht zur Behandlung nichtspezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden [1].
  • Laut S2-Leitlinie zur lumbalen Radikulopathie kann "die orale Corticoidgabe in einer Dosis von 50-100 mg Prednisolon pro Tag empirisch insbesondere bei foraminalen Hernien kurzfristig zu einer deutlichen Schmerzreduktion und auch Funktionsverbesserung führen".
  • Der Einsatz von oralen Steroiden (50-100 mg Prednisolon) bei akuter Radikulopathie infolge einer lumbalen Diskushernie bessert die Funktion (nach drei Wochen), aber nicht den Schmerz [4].
  • Radikulärer Kreuzschmerz: Lumbosakrale Radikulopathien lassen sich mit oralem Gabapentin (Antikonvulsivum; Kapseln zu 300 mg, Zieldosis 1.800-3.600 mg/Tag, auftitriert über 15-24 -age) ebenso gut behandeln wie mit epiduralen Steroidinjektionen [5].
  • Akute Schmerzen: Weder Injektionen noch Tabletten schnitten wesentlich besser ab als ein Placebo [7].

Achtung!
Drei Monate oder länger systemische Glucocorticoidtherapie erhöht das Osteoporoserisiko um 30-50 Prozent. Bei einer Therapie mit Dosieraerosolen, wie beispielsweise beim Asthma bronchiale tritt diese Nebenwirkung nicht auf.

Antidepressiva

  • Indikationen: Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen bei Vorliegen einer komorbiden Depression oder Schlafstörung [1]
  • Antidepressiva sollten nicht zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden [1].

Antiepileptika/Antikonvulsiva

  • Gabapentin, Pregabalin, Topiramat und Carbamazepin sollten nicht zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden [S3-Leitlinie].

Cannabis

Bei Patienten mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen existieren bislang keine Studien zur Therapie mit Cannabis.

Kleine Studien zeigen einen geringen Nutzen im Vergleich zum Placebo in der Schmerzkontrolle bei chronisch neuropathische Schmerzen [10].

Phytotherapeutika (orale) [1]

  • Weidenrinde kann in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen zur Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden
  • Teufelskralle (Harpagophytum procumbens) sollte nicht zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheit von Sehnen, Bändern und Faszien sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3)
  • Mineralstoffe (Magnesium)
  • Spurenelemente (Eisen, Kupfer, Mangan, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA); Omega-6-Fettsäuren: Gamma-Linolensäure (GLA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Curcumin, Bromelain aus Ananas-Extrakt)
  • Weitere Vitalstoffe (Glucosaminsulfat, Kollagene)

Bei Vorliegen einer Insomnie (Schlafstörung) infolge von Rückenschmerzen s. u. Insomnie/Medikamentöse Therapie/Supplemente.

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz: Nicht-spezifischer Kreuzschmerz (AWMF-Registernummer: nvl-007), Dezember 2017 Kurzfassung Langfassung
  2. Williams CM, et al.: Efficacy of paracetamol for acute low-back pain: a double-blind, randomised controlled trial. Lancet 2014; 384: 1586-96
  3. Goldberg H et al.: Oral Steroids for Acute Radiculopathy Due to a Herniated Lumbar Disk. A Randomized Clinical Trial. JAMA2015; 313(19): 1915–1923; doi:10.1001/jama.2015.4468
  4. Shaheed CA et al.: Efficacy and tolerability of muscle relaxants for low back pain: Systematic review and meta-analysis. Eur J Pain 2016; online 22. Juni; doi: 10.1002/ejp.907
  5. Cohen SP et al. Epidural steroid injections compared with gabapentin for lumbosacral radicular pain: multicenter randomized double blind comparative efficacy study. BMJ 2015; 350: h1748; online 16. April; doi: 10.1136/bmj.h1748
  6. Shaheed CA et al.: Efficacy and tolerability of muscle relaxants for low back pain: Systematic review and meta-analysis. Eur J Pain 2016; online 22. Juni; doi: 10.1002/ejp.907
  7. Chou R et al.: Systemic Pharmacologic Therapies for Low Back Pain: A Systematic Review for an American College of Physicians Clinical Practice Guideline. Ann Int Med 2017; online 14. Februar; doi: 10.7326/M16-2458
  8. Shanthanna H et al.: Benefits and safety of gabapentinoids in chronic low back pain: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. PLoS Med 14(8): e1002369 August 15, 2017 https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1002369
  9. Williams CM, Maher CG, Latimer J et al.: Efficacy of paracetamol for acute low-back pain: a double-blind, randomised controlled trial. Lancet 2014;384:1586-1596 doi:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(14)60805-9
  10. Mucke M, Phillips T, Radbruch L et al (2018) Cannabis-based medicines for chronic neuropathic pain in adults. Cochrane Database Syst Rev. https://​doi.​org/​10.​1002/​14651858.​cd012182.​pub2
  11. Rote-Hand-Brief: Tolperison-haltige Arzneimittel. AkdÄ Drug Safety Mail | 2020-37
  12. Parisien M et al.: Acute inflammatory response via neutrophil activation protects against the development of chronic pain Science Translational Medicine 2022;14(644) doi: 10.1126/scitranslmed.abj9954
  13. Überall MA et al.: Efficacy and safety/tolerability of pridinol: a meta-analysis of double-blind, randomized, placebo-controlled trials in adult patients with muscle pain Curr Med Res Opin. 2022 Jul;38(7):1141-1151.
  14. Khankhel N et al.: Topical Diclofenac Versus Oral Ibuprofen Versus Diclofenac + Ibuprofen for Emergency Department Patients With Acute Low Back Pain: A Randomized Study. Ann Emerg Med 2024; https://doi.org/10.1016/j.annemergmed.2024.01.037

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz: Nicht-spezifischer Kreuzschmerz (AWMF-Registernummer: nvl-007), Dezember 2017 Kurzfassung Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Rückenschmerz bei Kindern und Jugendlichen. (AWMF-Registernummer: 027 - 070), Dezember 2021 Langfassung
  3. S2k-Leitlinie: Spezifischer Kreuzschmerz. (AWMF-Registernummer: 187-059), April 2024 Langfassung