Muskelschmerzen (Myalgie) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Pathogenese von Muskelschmerzen (Myalgien) ist vielfältig und hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. Myalgien können durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden, darunter Entzündungen, Verletzungen, Überlastungen, Infektionen, Stoffwechselstörungen oder Autoimmunprozesse.

Primäre pathophysiologische Mechanismen 

  • Entzündliche Mechanismen (Schwellung und Reizung)
    Myalgien können durch entzündliche Erkrankungen wie Polymyositis (entzündliche Muskelerkrankung), Dermatomyositis (entzündliche Erkrankung der Haut und Muskeln) oder virale Myositiden (Muskelentzündung durch Viren) verursacht werden. Diese Erkrankungen führen zu einer Immunreaktion, bei der die Muskelfasern angegriffen und geschädigt werden. Dies führt zu Schwellungen, Schmerzen und Schwäche in den betroffenen Muskeln.
  • Trauma (Verletzungen) und Überlastung
    Muskelverletzungen durch Überlastung, Zerrungen oder Prellungen (Verletzungen durch stumpfe Gewalteinwirkung) führen zu einer Schädigung der Muskelfasern, was eine lokale Entzündungsreaktion und die Freisetzung von Schmerzmediatoren wie Prostaglandinen (Entzündungsstoffe) und Histamin (körpereigener Stoff, der Schwellungen und Juckreiz verursacht) auslöst. Diese Entzündungsreaktionen verursachen die typischen Muskelschmerzen.
  • Metabolische Störungen 
    Störungen des Energiehaushalts in den Muskeln, wie sie bei Stoffwechselerkrankungen wie Glykogenspeicherkrankheiten (Erkrankungen, bei denen der Zuckerstoffwechsel gestört ist) oder Mitochondriopathien (Erkrankungen der Zellkraftwerke) auftreten, führen zu einer unzureichenden Energieversorgung der Muskeln. Diese Energiekrise in den Muskelzellen führt zu einem metabolischen Stress (Stoffwechselstress), der Muskelschmerzen und Krämpfe auslösen kann.
  • Infektionen 
    Viren, Bakterien oder Parasiten können Myalgien verursachen. Typische virale Infektionen, die Muskelschmerzen verursachen, sind z. B. die Influenza (Grippe) oder das Epstein-Barr-Virus (Virus, das Pfeiffersches Drüsenfieber verursacht). Bakterielle Infektionen wie Borreliose (durch Zecken übertragene Krankheit) können ebenfalls Muskelentzündungen verursachen, die zu Schmerzen führen.
  • Autoimmunerkrankungen 
    Bei Autoimmunerkrankungen (Erkrankungen, bei denen das Immunsystem den eigenen Körper angreift) wie dem systemischen Lupus erythematodes (Autoimmunerkrankung des Bindegewebes) oder der rheumatoiden Arthritis (chronische Entzündung der Gelenke) kommt es zu einer Fehlregulation des Immunsystems, bei der körpereigenes Gewebe, darunter die Muskulatur, angegriffen wird. Dieser Angriff führt zu chronischen Entzündungen und daraus resultierenden Muskelschmerzen.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen 

  • Chronische Schmerzen
    Bei länger bestehenden Myalgien kann eine zentrale Sensibilisierung im Nervensystem entstehen, bei der die Schmerzschwelle im Rückenmark und Gehirn gesenkt wird. Dadurch werden auch geringe Reize als schmerzhaft empfunden (chronisches Schmerzsyndrom).
  • Ischämie (Minderdurchblutung)
    Eine reduzierte Durchblutung der Muskeln, wie sie bei Gefäßerkrankungen oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK; Verengung der Arterien) auftritt, führt zu einem Sauerstoffmangel in den Muskelzellen. Dieser Sauerstoffmangel kann Muskelschmerzen auslösen, insbesondere bei Belastung.

Klinische Manifestation

  • Leitsymptome

    • Schmerzen in den Muskeln, oft abhängig von der Belastung.
    • Steifheit und Muskelschwäche.
    • Lokale Schwellung oder Rötung bei entzündlichen Ursachen.
  • Fortgeschrittene Symptome

    • Chronische Schmerzen mit Einschränkungen der Beweglichkeit.
    • Muskelschwund (Atrophie; Abnahme der Muskelmasse) bei chronischen oder schweren Erkrankungen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Pathogenese von Muskelschmerzen (Myalgien) variiert je nach zugrunde liegender Ursache. Entzündungen, Verletzungen, Stoffwechselstörungen und Autoimmunerkrankungen gehören zu den häufigsten Auslösern. Chronische Myalgien können zu einer zentralen Sensibilisierung führen, die die Schmerzwahrnehmung verstärkt. Eine genaue Diagnostik ist entscheidend, um die Ursache zu identifizieren und eine geeignete Therapie einzuleiten.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Die Wahrscheinlichkeit für eine Statinintoleranz (Statin-assoziierte Muskelschmerzen (SAMS)) ist erhöht, wenn Patienten zwei Kopien der LILBR5-Genvarianten Asp247Gly (homozygot) hatten: Wahrscheinlichkeit für einen CK-Anstieg war um fast das 1,81-Fache (Odds Ratio [OR]: 1,81; 95 %-Konfidenzintervall zwischen 1,34 und 2,45), die für eine Intoleranz bereits bei niedrigen Statindosen um das 1,36-Fache erhöht (OR: 1,36; 95 %-Konfidenzintervall zwischen 1,07 und 1,73; p = 0,013) [3]
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: SLCO1B1
        • SNP: rs4149056 im Gen SLCO1B1
          • Allel-Konstellation: CT (5-faches Risiko einer Myopathie bei Statinzufuhr)
          • Allel-Konstellation: CC (17-faches Risiko einer Myopathie bei Statinzufuhr)
        • Mutationen im RYR1-Gen können Ursache von Myalgien mit oder ohne Rhabdomyolyse sein.

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Drogenkonsum
    • Heroin
    • Kokain
  • Muskelüberlastung bzw. Muskelkater

Krankheitsbedingte Ursachen

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck; Morbus Schaumann-Besnier) – systemische Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung (Haut, Lunge und Lymphknoten)

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Carnitin-Palmitoyl-Transferase-Mangel (CPT1, CPT2) – häufigste autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung des Lipidstoffwechsels, der die Skelettmuskulatur betrifft; häufigste Ursache der genetischen Myoglobinurie (Symptomatik: Nach Ausdauerleistungen, leichten Infektionen, Stresssituationen (z. B. Kälte, Schlafmangel), Fasten und Medikamente (Ibuprofen) kommt es zu den Symptomen der Myoglobinurie, Myalgie (Muskelschmerz) und Krämpfen
  • Elektrolytstörungen
    • Hypokaliämie (Kaliummangel)
    • Hypocalcämie (Calciummangel)
    • Hypomagnesiämie (Magnesiummangel)
    • Hypophosphatämie (Phosphatmangel)
    • Hyponatriämie (Natriummangel)
  • Glykogenosen wie das McArdle-Syndrom – Gruppe angeborener Stoffwechselerkrankungen
    • McArdle-Krankheit (Synonyme: Morbus McArdle, McArdle-Myopathie, McArdle-Syndrom) – Glykogenspeicherkrankheit (Glykogenose) Typ V 
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Hypoadrenalismus
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Hyperparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenüberfunktion)
  • Hypoparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenunterfunktion)
  • Glykogenosen wie das McArdle-Syndrom – Gruppe angeborener Stoffwechselerkrankungen
  • Hypoparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenunterfunktion)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Morbus Pompe – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; lysosomale Speicherkrankheit, die zu Kardiomegalie (Herzvergrößerung) und Herzinsuffizienz (Herzschwäche), neurologischen und muskulären Defiziten führt.
  • Myoadenylatdeaminase-Mangel (Synonyme: MAD-Mangel, Myoadenylate Deminase Deficiency, MADD) – häufigster genetische Stoffwechseldefekt der Skelettmuskulatur; autosomal-rezessiver Erbgang; klinisches Bild: belastungsbedingte Muskelschwäche, Myalgie und Krämpfe; Auftreten bevorzugt in den stammnahen Muskelgruppen wie Oberarmen und Oberschenkeln 
  • Porphyrie bzw. akute intermittierende Porphyrie (AIP); genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; Patienten mit dieser Krankheit weisen eine Reduktion der Aktivität des Enzyms Porphobilinogen-Desaminase (PBG-D) von 50 Prozent auf, die für die Porphyrinsynthese ausreicht. Auslöser einer Porphyrieattacke, die einige Tage, aber auch Monate dauern kann, sind Infektionen, Medikamente oder Alkohol. Das klinische Bild dieser Anfälle präsentiert sich als akutes Abdomen oder als neurologische Ausfälle, die einen letalen Verlauf nehmen können. Die Leitsymptome der akuten Porphyrie sind intermittierende neurologische und psychiatrische Störungen. Im Vordergrund steht häufig eine autonome Neuropathie, die abdominelle Koliken (akutes Abdomen), Nausea (Übelkeit), Erbrechen oder Obstipation (Verstopfung) verursacht sowie eine Tachykardie (zu schneller Herzschlag: > 100 Schläge pro Minute) und ein labiler Hypertonus (Bluthochdruck).

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) – fortschreitende Verengung bzw. Verschluss der die Arme/ (häufiger) Beine versorgenden Arterien, meist aufgrund von Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
  • Thrombophlebitis – Phlebitis (Venenentzündung) oberflächlicher Venen, die zu einer Thrombose (Verschluss der Vene) führt (= oberflächliche Venenthrombose, OVT)
  • Vaskulitiden (entzündliche Erkrankungen der Blutgefäße): z. B. mikroskopische Polyangiitis (MPA) isoliert (!) oder bei systemischer Vaskulitis

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Bakterielle Infektionen, vor allem durch Leptospirose (Morbus Weil), Listeriose, Staphylokokken oder Borrelien (Borreliose) bedingt
  • Virale Infektionen wie durch das Coxsackie-B-Virus (z. B. Bornholm-Erkrankung (Synonyme: epidemische Pleurodynie; Pleurodynia epidemica), Chikungunya-Fieber, Coxsackie B5-Virus; Infektionskrankheit, die zu stechenden Schmerzen am Thorax/Oberbauch sowie auch Myalgie (Myalgia acuta epidemica), Arthralgie (Gelenkschmerzen) und Pseudoappendicitis führt), Cytomegalie, Dengue-Fieber, Gelbfieber, Grippaler Infekt, HIV, Hantavirus-Erkrankung, Hepatitis, infektiöse Mononukleose (Epstein-Barr-Virus-Infektion), Influenza, Lymphogranuloma verum, Norovirus, Poliomyelitis (Kinderlähmung), Rotavirusinfektion, Tollwut etc.
  • Infektionen durch Parasiten wie (Helminthiasis (Wurmbefall), Trichinen/Trichinose, Toxoplasmen/Toxoplasmose)

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Becker-Muskeldystrophie – genetisch bedingter Muskelschwund
  • Dermatomyositis – zu den Kollagenosen zählende chronische Systemerkrankung; eine idiopathische Myopathie (= Muskelerkrankung) bzw. Myositis (= Muskelentzündung) mit Hautbeteiligung, die häufig paraneoplastisch auftritt; Myalgien in ca. 50 % der Fälle
  • Duchenne-Muskeldystrophie – genetisch bedingter Muskelschwund
  • Einschlusskörperchenmyositis – neuromuskuläre Erkrankung
  • Fibromyalgie (Fibromyalgie-Syndrom) – Syndrom, welches zu chronischen Schmerzen (mindestens 3 Monate) in mehreren Körperregionen führen kann
  • Interstitielle Myositis
  • Lupus erythematodes, systemischer (SLE) – schwere Multiorganerkrankung; Autoimmunerkrankung, bei der es zu Bildung Autoantikörpern kommt; sie zählt zu den Kollagenosen.
  • Muskelverletzungen
    • Muskelkontusion (Muskelprellung)
    • Muskelquetschung
    • Muskelriss
    • Muskelzerrung
  • Myofasziales Schmerzsyndrom
  • Myopathien (Muskelerkrankungen) mit Enzymdefekten sowie auch toxische Myopathien (z. B. durch Statine)
  • Myositis (Muskelentzündung), durch Viren wie Cocsackie-Viren oder Bakterien wie Staphylokokken oder Borrelien bedingt
  • Formen der Myotonien wie die Myotonia congenita oder die Paramyotonia congenita
  • Formen der myotonen Dystrophie (Muskelerkrankungen) wie die myotone Dystrophie Typ 1 (Curschmann-Steinert) oder die proximale myotone Myopathie
  • Osteoporose (Knochenschwund)
  • Panarteriits nodosa – Kollagenose, die zur Verdickung der Gefäßwände und somit zu Mangeldurchblutung führt
  • Polymyalgia rheumatica (Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis) – bilateraler Muskelschmerz und/oder beidseitige Steifigkeit (> 1 Stunde)
  • Polymyositis – immunologisch bedingte Erkrankung, die zu den Kollagenosen zählt; Myalgien in ca. 50 % der Fälle
  • Rhabdomyolyse  Auflösung quergestreifter Muskelfasern
  • Rheumatoide Arthritis – chronisch entzündliche Multisystemerkrankung, die sich meist in Form einer Synovialitis (Gelenkinnenhautentzündung) manifestiert. Sie wird auch als primär-chronische Polyarthritis (PcP) bezeichnet.
  • Vaskulitiden (Gefäßentzündungen)
  • Weitere degenerative Myopathien (Muskeldystrophien)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Amyloidmyopathie – Muskelerkrankungen, die durch die Ablagerung verschiedener Stoffe charakterisiert ist
  • Chronisches Müdigkeitssyndrom (Chronic-Fatigue-Syndrom; CFS)
  • Depression
  • Epilepsie-Äquivalente
  • Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHMD, FSHD; Synonyme: Muskeldystrophie Landouzy-Dejerine; Landouzy-Déjérine-Syndrom) – Muskelerkrankung (Myopathie), von der hauptsächlich die Gesichtsmuskulatur (-fascio), die Schultergürtelmuskulatur (-skapulo) und die Oberarmmuskulatur (-humeral) betroffen ist.
  • Guillain-Barré-Syndrom (GBS; Synonyme: Idiopathische Polyradikuloneuritis, Landry-Guillain-Barré-Strohl-Syndrom); zwei Verlaufsformen: akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie bzw. chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (Erkrankung des peripheren Nervensystems); idiopathische Polyneuritis (Erkrankungen mehrerer Nerven) der spinalen Nervenwurzeln und peripheren Nerven mit aufsteigenden Lähmungen und Schmerzen; tritt meist nach Infektionen auf
  • Isaacs-Mertens-Syndrom (Neuromyotonie) – plötzlich auftretende Erkrankung, die zu schwerer Dauerverspannung der Muskulatur ist
  • Kompression des Rückenmarks/der Spinalnerven
  • Meningitis (Hirnhautentzündung)
  • Motoneuronerkrankungen1, 2
    • Amyotrophische Lateralsklerose (ALS; Synonyme: Myatrophe Lateralsklerose oder auch Motor Neuron Disease und Lou-Gehrig-Syndrom) – degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems; es kommt zu einer fortschreitenden und irreversiblen Schädigung oder Degeneration der Nervenzellen (Neurone). Durch die Degeneration kommt es zur zunehmenden Muskelschwäche (Lähmung, Parese), die mit Muskelschwund (Amyotrophie) einhergeht.
    • Poliomyelitis (Kinderlähmung)
  • Morbus Parkinson1 (Schüttellähmung)
  • Multiple Sklerose1 (MS)
  • Myotone Dystrophie (Synonyme: Curschmann-Steinert-Syndrom; Myotone Dystrophie Typ 1; Steinert-Krankheit) – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; Myopathie (Muskelkrankheit) mit Myotonie (vermehrte Muskelspannung) und Funktionsstörung einer Vielzahl von Organen
  • Neuralgie – Schmerzen im Ausbreitungsgebiet eines sensiblen Nerven ohne nachweisbare Ursache auftreten können
  • Nervenwurzelreizsyndrom1
  • Neuropathien1 (Erkrankungen des peripheren Nervensystems) – diabetisch, alkoholisch
  • Somatoforme Störungen wie das chronische Unterbauchschmerzsyndrom oder in starken Belastungssituationen
  • Spinale Muskelatrophie (SMA) – Muskelschwund, der durch einen fortschreitenden Untergang von motorischen Nervenzellen im Vorderhorn des Rückenmarks verursacht wird
  • Stiff-Person-Syndrom1 – Erkrankung, die zu einer zunehmenden Versteifung der Rumpf- und Gliedmaßen führt
  • Radikulitis (Nervenwurzelentzündung)
  • Tabes dorsalis (Neurolues) – Spätstadium der Syphilis, bei dem es zu einer Entmarkung des Rückenmarks kommt

1Muskelkrämpfe (Krampie)
2Faszikulationen

Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98) 

  • Ciguatera-Intoxikation; tropische Fischvergiftung mit Ciguatoxin (CTX); klinisches Bild: Diarrhoe/Durchfall (nach Stunden), neurologische Symptome (Parästhesien, taubes Gefühl an Mund und Zunge; Kälteschmerz beim Baden) (nach einem Tage; persistieren lange bis Jahre)
  • Coturnismus – lebensbedrohende Erkrankung, die nach dem Verzehr von Wachteln (Coturnix coturnix) auftreten kann; Häufung in Mittelmeerländern; innerhalb weniger Stunden nach der Geflügelmahlzeit kommt es zur Rhabdomyolyse/Auflösung quergestreift der Muskelfasern (im Regelfall starker Anstieg der Creatininkinase, CK), die mit sehr starken Gliederschmerzen einhergeht, und in ca. 10 bis 40 % der Fälle zum nachfolgenden akuten Nierenversagen; die Therapie ist rein supportiv (unterstützend), d. h. angepasstes Flüssigkeit- und Elektrolytmanagement, alkalisieren des Urins und forcierte Diurese (stark vermehrte Harnproduktion mit Hilfe von Diuretika und erhöhter Flüssigkeitszufuhr) zur Förderung der Myoglobin- und Toxinausscheidung.
    Beachte: Auch Kochen und Einfrieren schützt nicht vor dieser Intoxikation.
  • Rhabdomyolyse – Auflösung quergestreifter Muskelfasern

Medikamente

  • Antiarrhythmikum (Amiodaron)
  • Antibiotika
    • Penicillin
    • Sulfonamide
  • Antiepileptikum (Phenytoin)
  • Antihypertensivum (Enalapril, Labetalol) 
  • Antimalariamittel (Artemether, Chloroquin, Hydroxychloroquin, Lumefantrin)
  • Antimykotika 
    • Allylamine (Terbinafin)
  • Antiparkinsonmittel (Levodopa)
  • Antiprotozoika
    • Analogon des Azofarbstoffs Trypanblau (Suramin)
  • Antiretrovirale Medikamente
  • Arsentrioxid
  • Betablocker (Metoprolol)
  • β2-Sympathomimetikum (Salbutamol) 
  • Calcimimetikum (Etelcalcetid) 
  • Chelatbildner (Deferasirox, Deferoxamin, D-Penicillamin, Deferipron)
  • Fibrate
  • Gichtmittel (Colchicin) 
  • Hormone
    • Aromatasehemmer (Anastrozol, Exemstan, Letrozol)
    • Corticosteroide
    • Prostaglandinderivate (Bimatoprost, Latanoprost, Travoprost, Unoprostone)
    • selektiver Inhibitor der Steroid-5α-Reduktase vom Typ II und Typ III (Finasterid)
    • Thyreostatika (Carbimazol)
    • Wachstumshormon (Wh; Somatropin; growth hormone, Gh)
  • H2-Antihistaminika (H2-Rezeptor-Antagonisten, H2-Antagonisten, Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten) –Cimetidin, Famotidin, Lafutidin, Nizatidin, Ranitidin, Roxatidin
  • Immunmodulator (Tacrolismus) 
  • immunsuppressive (Cyclosporin) 
  • Immuntherapeutika (Interferon α)
  • Lipidsenker
    • Cholesterinresorptionshemmer – Ezetimib
    • Fibrinsäurederivate (Fibrate) – Bezafibrat, Clofibrat, Fenofibrat, Gemfibrozil
    • HMG-CoA-Reduktasehemmer (Hydroxy-Methyl-Glutaryl-Coenzym-A-Reduktaseinhibitoren; Statine) – Atorvastatin, Cerivastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Mevastatin, Pitavastatin, Pravastatin, Rosuvastatin, Simvastatin) häufiger Rhabdomyolyse (Auflösung quergestreifter Muskelfasern/Skelettmuskulatur sowie Herzmuskulatur) in Kombination mit Fibraten, Ciclosporin (Cyclosporin A), Makroliden oder Azol-Antimykotika; des Weiteren führen Statine zu einem Abfall der endogenen Coenzym Q10-Synthese; Häufigkeit der Myalgie im klinischen Alltag liegt bei 10 bis 20 %
      Von einer Statin-Myopathie spricht man, wenn:
      • Symptome innerhalb von vier Wochen nach Beginn der Statineinnahme auftreten
      • sich diese innerhalb von vier Wochen nach Absetzen des Medikaments wieder zurückbilden und
      • bei einer Reexposition wieder auftreten.  
      Wichtigster Risikofaktor einer Statin-bedingten Myopathie ist die Dosis80 mg Simvastatin: 20-fach höheres Myopathierisiko als Studienteilnehmer mit einer Tagesdosis von 20 mg; keine signifikanten Risikounterschiede ergaben sich zwischen 20 und 40 mg [5].
      Patienten mit rs4149056 im Gen SLCO1B1 mit der Allel-Konstellation CT hatten 3-mal häufiger eine Myopathie unter einem Statin als Patienten mit TT-Genotyp [5].
      Es gibt inzwischen auch Studien (doppelblind randomisiert und offen nicht-randomisiert), die die statinassoziierten Muskelbeschwerden auf einen Nocebo-Effekt zurückzuführen [1, 2].
      Beachte: 
      • Folgende Medikamente/Substanzen erhöhen das Risiko von Myalgien/Myopathien unter Statinen: Danazol; Fibrate; HIV-1-Protease-Hemmer (Indinavir, Amprenavir, Saquinavir, Nelfinavir, Ritonavir); Itraconazol, Ketoconazol; Cyclosporin; Makrolidantibiotika (Erythromycin, Telithromycin, Clarithromycin); Nefazodon; Verapamil; Amiodaron; Niacin (> 1 g); Grapefruitzubereitungen (Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht!)
      • StatinWISE-Studie: Die meisten Patienten unter einer Statintherapie entwickeln Beschwerden, die kausal nicht dem Statin zuzuordnen sind [5].
        SAMSON-Studie: 90 % der statinassoziierten Nebenwirkungen traten ebenfalls unter Placebo auf [6].
  • Lithium
  • Monoklonale Antikörper – Imatinib, Pertuzumab, Trastuzumab
  • Narkotikum (Propofol)
  • Opioidantagonisten (Nalmefen, Naltrexon)
  • Phosphodiesterase-5-Hemmer/PDE5-Hemmer (Avanafil, Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil)
  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI, Säureblocker) [3]
  • Retinoide (Acitretin, Alitretinoin)
  • Selektive Prostazyklin-IP-Rezeptor-Agonisten (Selexipag)
  • Virostatikum (Interferon alpha)
  • Zytostatika 
    • Antimetabolite (Methotrexat (MTX))
    • Hydroxyurea
    • Taxane (Paclitaxel)
    • Vincristin
    • Weitere Zytostatika (Vincristin)

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Alkoholintoxikation
  • Ciguatera-Intoxikation; tropische Fischvergiftung mit Ciguatoxin (CTX); klinisches Bild: Diarrhoe (nach Stunden), neurologische Symptome (Parästhesien, taubes Gefühl an Mund und Zunge; Kälteschmerz beim Baden) (nach einem Tage; persistieren lange bis Jahre)
  • Heroinintoxikation
  • Kokainintoxikation

Literatur

  1. Gupta A, Thompson D, Whitehouse A et al.: Adverse events associated with unblinded, but not with blinded, statin therapy in the Anglo-Scandinavian Cardiac Outcomes Trial – Lipid-Lowering Arm (ASCOT-LLA): a randomised double-blind placebo-controlled trial and its non-randomised non-blind extension phase Lancet 2017; Published Online May 2, 2017; doi: http://dx.doi.org/10.1016/ S0140-6736(17)31075-9
  2. Pedro-Botet J, Rubiés-Prat J: Statin-associated muscle symptoms: beware of the nocebo effect  Lancet 2017. Published Online May 2, 2017 http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(17)31163-7
  3. Clark DW, Strandell J: Myopathy including polymyositis: a likely class adverse effect of proton pump inhibitors? Eur J Clin Pharmacol 2006 Jun;62(6):473-9. Epub 2006 Apr 22.
  4. Siddiqui MK et al.: A common missense variant of LILRB5 is associated with statin intolerance and myalgia. Eur Heart J 2017, online 29. August. doi: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehx467
  5. Herrett E et al.: Statin treatment and muscle symptoms: series of randomised, placebo controlled n-of-1 trials. BMJ 2021;372:n135. doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.n135
  6. Wood F et al.: N-of-1 Trial of a Statin, Placebo, or No Treatment to Assess Side Effects; N Eng J of Med 2020; doi: 10.1056/NEJMc2031173