Kopfschmerzen (Cephalgie) – Symptome – Beschwerden
Eine Cephalgie (Kopfschmerzen) kann in folgender Art und Weise auftreten:
Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf verschiedene Arten von Kopfschmerzen und werden oft zuerst bemerkt:
- Kurz oder lang anhaltende Schmerzen: Kopfschmerzen können nur wenige Minuten oder auch mehrere Tage dauern. Manche Menschen haben nur selten Kopfschmerzen, andere leiden regelmäßig darunter.
- Stechender oder dumpfer Schmerz: Dies hängt oft von der Art des Kopfschmerzes ab.
- Einseitige oder beidseitige Schmerzen: Migräne ist oft einseitig, Spannungskopfschmerzen betreffen oft beide Seiten.
- Besserung oder Verschlechterung durch Bewegung: Migräne wird oft schlimmer, wenn man sich bewegt. Bei Spannungskopfschmerzen macht es keinen Unterschied, ob man sich bewegt oder nicht.
Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild der Kopfschmerzen:
- Allgemeines Unwohlsein: Man fühlt sich oft krank oder abgeschlagen, wenn man Kopfschmerzen hat.
- Nackenschmerzen: Kopfschmerzen können auch mit Nackenschmerzen verbunden sein. Besonders bei Spannungskopfschmerzen kommt das häufig vor.
- Nausea (Übelkeit) und Emesis (Erbrechen): Besonders bei Migräne ist es häufig, dass einem übel wird oder man erbrechen muss.
- Vertigo (Schwindel): Kann bei verschiedenen Kopfschmerzarten auftreten, besonders bei Migräne.
Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:
- Sehstörungen: Manche Menschen sehen z. B. Lichtblitze oder haben verschwommenes Sehen. Dies kann bei Migräne oder Clusterkopfschmerzen vorkommen.
- Photophobie (Lichtempfindlichkeit): Viele Menschen mit Migräne sind empfindlich gegenüber hellem Licht.
- Geräuschempfindlichkeit: Laute Geräusche können Kopfschmerzen schlimmer machen, besonders bei Migräne.
- Rote, tränende Augen: Bei Clusterkopfschmerzen können die Augen rot werden und tränen, meistens nur auf einer Seite.
Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:
- Müdigkeit
- Reizbarkeit
- Konzentrationsprobleme
Beachte:
- Suchen Sie aktiv nach Warnzeichen (SNOOP: s. u.; red flags; s. u.)
- Sekundäre Kopfschmerzen, d. h. symptomatische Kopfschmerzen als Ausdruck einer anderen Erkrankung. Sind bei fehlenden Red flags eher unwahrscheinlich.
Beachte: Symptomatische Kopfschmerzen sind mit etwa 8 % deutlich seltener als idiopathische Kopfschmerzen (= Kopfschmerzen, die selbst die Erkrankung darstellen) [2].
Kopfschmerz als Leitsymptom
Dringliche therapeutische Konsequenz | Apoplektiformer Kopfschmerz | Primärer Kopfschmerz |
Arteriitis temporalis | Benigner Anstrengungs- Kopfschmerz | Benigner Anstrengungs- Kopfschmerz |
Chronisches subdurales Hämatom | Glaukom | Clusterkopfschmerz |
Glaukom | Karotisdissektion | Migräne |
Karotisdissektion | Postkoitaler Kopfschmerz | Postkoitaler Kopfschmerz |
Meningitis | Sinusvenenthrombose | Spannungskopfschmerz |
Sinusvenenthrombose | Subarachnoidalblutung | |
Subarachnoidalblutung | ||
Tolosa-Hunt-Syndrom (Synonyme: Ophthalmoplegie, Ophthalmoplegia dolorosa): schmerzhafte Lähmung der Augenmuskulatur und eine Sonderform des sogenannten Sinus-cavernosus-Syndroms |
Beachte: In seltenen Fällen tritt Kopfschmerz als Leitsymptom u. a. bei folgenden Erkrankungen auf: Angiom, arterielle Hypertonie, Hydrocephalus, Liquorfistel, postfunktioneller Spätsyndrom, Pseudotumor cerebri.
Zerebrovaskuläre Ereignisse und deren Kopfschmerzprävalenz (Kopfschmerzhäufigkeiten)
Zerebrovaskuläres Ereignis | Kopfschmerz | Kopfschmerzprävalenz |
Subarachnoidalblutung (SAB) | akuter Vernichtungskopfschmerz (primäre Donnerschlagkopfschmerzen; engl. thunderclap headache) |
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Intrakranielle Blutung (Hirnblutung) | Plötzliche und heftigste Kopfschmerzen (fast immer) |
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Transitorisch-ischämischer Attacke (TIA) | Kopfschmerzen |
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Ischämischer Insult (ischämischer Apoplex/Schlaganfall) |
Kopfschmerzen |
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Sinusvenenthrombose (SVT) | Kopfschmerzen (Manifestation innerhalb der ersten drei Tage nach dem Ereignis) |
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Differentialdiagnostik anhand des Beginns der Kopfschmerzsymptomatik
Beginn |
Primäre Kopfschmerzen |
Sekundäre Kopfschmerzen |
Apoplektiform | Idiopathischer Donnerschlagkopfschmerz (max. Intensität in < 1 Minute; hält 1 Stunde bis 10 Tage an) |
Subarachnoidalblutung (SAB; Blutung zwischen der Spinnengewebshaut und der weichen Hirnhaut; Donnerschlagkopfschmerz: ca. 50 % der Fälle) |
(Idiopathischer) gutartiger stechender Kopfschmerz | Dissektion (Aufspaltung der Wandschichten z. B. einer Arterie) |
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Trigeminusneuralgie (plötzlich einschießender, reißender und brennender Schmerz) |
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Subakut |
Kopfschmerz vom Spannungstyp | Ischämischer Apoplex |
Migräneattacke | Intrazerebrale Blutung (ICB; Gehirnblutung) |
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Trigemino-autonome Kopfschmerzen: Clusterkopfschmerz; paroxysmale Hemikranie (Kopfschmerzleiden, das durch streng einseitige Schmerzattacken charakterisiert ist); SUNCT-Syndrom (Short-lasting Unilateral Neuralgiform headache with Conjunctival injection and Tearing); Hemicrania continua (anhaltender, streng einseitiger Dauerkopfschmerz) |
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Chronisch |
Chronische Migräne | Riesenzellarteriitis (RZA; Arteriitis temporalis |
Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp |
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Differentialdiagnostik anhand des Beginns der Kopfschmerzsymptomatik und der maximalen Schmerzstärke
Kopfschmerzbeginn/Schmerzstärke | Erkrankungen | Erkrankungen mit unauffälligem neurologischen Befund |
Perakut/stark |
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Über Stunden/mittel |
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Über Tage/mäßig |
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Differentialdiagnostik anhand weiterer Symptome und Befunde
Symptome/'Befunde | Primäre Kopfschmerzen | Sekundäre Kopfschmerzen |
Auftreten |
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Dauer |
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Anamnese |
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Körperlicher Untersuchungsbefund |
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Neurologische Ausfälle |
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Aura |
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Krampfanfälle |
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Vitalparameter |
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Das SNOOP-Schema
Unter dem Akronym SNOOP hat die American Headache Society einfache Warnhinweise („worrisome headache red flags“) zusammengestellt, die auf eine ernste Erkrankung hindeuten können [1, 2]:
S: Systemische Symptome | Fieber, Gewichtsverlust oder sekundäre Risikofaktoren (HIV, systemische Krebserkrankung/B-Symptomatik*) |
N: Neurologische Symptome oder abnorme Zeichen | Bewusstlosigkeit, beeinträchtigte Wachsamkeit, Vigilanzstörung, Sprachstörung, fokale neurologische Defizite |
O: "onset" (Einsetzen) | explosionsartiger Beginn mit Erreichen des Punctum maximum (p.m.) innerhalb von 1 Minute, Vernichtungsschmerz/ Donnerschlagkopfschmerz |
O: "Older") (Alter) | neues Ereignis und progressiver Kopfschmerz, vor allem im mittleren Alter > 50 Jahre (Riesenzellarteriitis); höheres Risiko für "echte" Hirnerkrankungen wie Apoplex (Schlaganfall) |
P: Previous Headache History (vorherige Kopfschmerzanamnes) |
erste Kopfschmerzen oder Änderung des Kopfschmerzmusters (Veränderung der Aattackenfrequenz, Schwere oder der klinischen Merkmale) |
*B-Symptomatik
- Unerklärliches, anhaltendes oder rezidivierendes Fieber (> 38 °C)
- Nachtschweiß (nasse Haare, durchnässte Schlafbekleidung)
- Ungewollter Gewichtsverlust (> 10 % Prozent des Körpergewichtes innerhalb von 6 Monaten)
Warnzeichen (red flags) für sekundäre Kopfschmerzen
- Anamnestische Angaben:
- Junge Frau + Migräne mit Aura und hoher Attackenfrequenz + Rauchen + hormonelle Kontrazeption mit Östrogenen → denken an: Apoplex
- Schwangerschaft (insbesondere im 3. Trimenon/Schwangerschaftsdrittel) → denken an: EPH-Gestose (drohende Eklampsie, d. h. schwerste Ausprägung einer Gestose, die einhergeht mit einem Krampfanfall oder einer tiefen Bewusstlosigkeit)
- Lebensalter
- < 3-5 Jahre → denken an: Makrozephalus (Kopfumfang > 97. Perzentile bezogen auf Alter und Geschlecht (bzw. > 2 SD))? Physiotherapie als Hinweis auf Entwicklungsverzögerungen?
- < 10 Jahre + neu auftretender Kopfschmerz → denken an: symptomatische Ursachen
- > 50 Jahre + neu auftretender Kopfschmerz; unabhängig von der Lokalisation → denken an: Riesenzellarteriitis (Arteriits temporalis)
- > 50 Jahre + neu auftretender Kopfschmerz + Änderung oder ungewöhnliche Häufung vorbestehender primärer Kopfschmerzen* → denken an: symptomatische Ursachen
- Tageszeit: regelmäßige nächtliche Kopfschmerzen → denken an: Hirntumor
- Lokalisation: starke okzipitale Kopfschmerzen (zum Hinterhaupt gehörend) → denken an: Hirntumor
- Dauer: unter 8 Wochen → denken an: Hirntumor
- Infekt: Infekt-assoziierte Kopfschmerz (häufigster symptomatischer Kopfschmerz)
- Neuauftretende Kopfschmerzen bei bekanntem Malignom (Tumorerkrankungen) oder HIV-Infektion
- Akute erstmalige oder erstmalig in dieser Stärke aufgetretene Kopfschmerzen → denken an: Hirntumor
- Trauma: posttraumatische Kopfschmerzen
- Wesensveränderungen → denken an: Hirntumor
- Verstärkung durch Husten → denken an: Hirntumor
- Morgendliches nüchtern Erbrechen → denken an: Hirntumor
- Neu zunehmende Kopfschmerzen mit Nüchternerbrechen → denken an: erhöhtem Gehirndruck (auf weitere Zeichen eines Hirndrucks achten: z. B. Papillenödem (Schwellung (Ödem) an der Einmündung des Sehnervs in die Netzhaut, das sich als Vorwölbung des Sehnervenkopfes bemerkbar macht; Stauungspapille i. R. beidseitig)
- Änderung eines lange vorbestehenden Kopfschmerzes
- Nächtliches Erwachen wegen Kopfschmerzen
- Medikamenten- bzw. Drogeneinnahme
- Plötzlich einsetzender Kopfschmerz → denken an: Belastungskopfschmerz oder intrazerebarale Blutung (Hirnblutung)
- Erhöhte Temperaturen → denken an: Meningitis (Hirnhautentzündung)/Meningoenzephalitis (kombinierte Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) und der Hirnhäute (Meningitis))
- Massiv erhöhter Blutdruck → denken an: hypertensive Krise
- Allgemeinsymptome wie Gliederschmerzen, Gewichtsabnahme → denken an: Arteriitis temporalis
- Perakuter Beginn (Vernichtungskopfschmerz, < 1 min.) – Ausschluss einer akuten neurologischen Erkrankung (z. B. Subarachnoidalblutung, SAB (Blutung zwischen der Spinnengewebshaut und der weichen Hirnhaut); posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom) erforderlich; weitere Differentialdiagnosen sind:
- Karotisdissektion – Aufspaltung von Intima und Media der A. carotis (Halsschlagader) durch eine Blutung
- primär-zerebrale Angiitis
- reversible zerebrale Vasokonstriktionssyndrom (RCVS): Erkrankung, die typischerweise Frauen mittleren Alters betrifft und im Zusammenhang mit der Einnahme adrenerger oder serotinerger Substanzen auftritt. Neben dem Vernichtungskopfschmerz treten in der zerebralen Angiographie (bildgebendes Verfahren zur Darstellung von Arterien und Venen unter Verwendung von Kontrastmittel) multiple und multilokuläre Vasospasmen (Gefäßspasmen) auf
- Lang anhaltende, progrediente Kopfschmerzen → denken an: Arteriitis temporalis, Sinusvenenthrombose (SVT; Verschluss von Hirngefäßen durch einen Blutpfropf), Tumor
- Wiederholtes Erbrechen
- Progrediente (fortschreitende), therapieresistente Kopfschmerzen
- Meningismus (schmerzhafte Nackensteifigkeit) → denken an: SAB
- Neu aufgetretene Hals-/Nackenschmerzen/retroorbitale ("hinter der Augenhöhle") Schmerzen → denken an: Aortendissektion (Synonym: Aneurysma dissecans aortae) – akute Aufspaltung (Dissektion) der Wandschichten der Aorta (Hauptschlagader), mit einem Einriss der inneren Schicht der Gefäßwand (Intima) und einer Einblutung zwischen der Intima und der Muskelschicht der Gefäßwand (äußere Media), im Sinne eines Aneurysma dissecans (krankhafte Ausweitung der Schlagader)
- Exanthem (Hautausschlag) → denken an: Coxsackie-Infektion, HIV, Rückfallfieber, Schlafkrankheit (Afrikanische Trypanosomiasis), Sindbis-Fieber, Syphilis, Trichinen, Vaskulitis, Virales hämorrhagisches Fieber
- Neurologische Auffälligkeiten*: → denken an: EPH-Gestose (Eklampsie), intrazerebrale Blutung (ICB), Hirntumor, ischämischer Apoplex (Schlaganfall), Meningoenzephalitis, Sinusvenenthrombose (SVT), Subarachnoidalblutung (SAB), Subduralhämatom (SDH; Bluterguss (Hämatom) unter (sub) der harten Hirnhaut zwischen Dura mater und Arachnoidea)
- epileptische Anfälle
- Bewusstseinsänderung
- Neurologische Ausfälle:
- Gangauffälligkeiten
- Paresen (Lähmungen)
- Sehstörungen (Doppelbilder!) → denken an: Apoplex (Schlaganfall) im Versorgungsgebiet der A. cerebri posterior, Arteriitis temporalis, Glaukom, reversible posteriore Leukenzephalopathie (PRES)
- Sensibilitätsstörungen (u. a.)
- Paralyse, Stauungspapille und der Symptomenkomplex aus Desorientiertheit, Gedächtnisverlust, Somnolenz und Bewusstlosigkeit
- Unklare Gesichtsfeldeinschränkungen → denken an: Hirntumor
*Hinweise – ohne Markierung begleitender Allgemeinsymptome – für ein sekundäres Kopfschmerzsyndrom
Literatur
- Dodick DW: Clinical clues and clinical rules: primary vs. secondary headache. Adv Stud Med 2003; 3:S550–S555
- Rizos T et L:. Common disorders in the neurological emergency room-experience at a tertiary care hospital. Eur J Neurol 2011;18:430-5.
- American Headache Society (2016) Worrisome headache red flags – „SNOOP“. https://americanheadachesociety.org/wp-content/uploads/2016/07/Primary_or_Secondary_Headache.pdf