Chronische Schmerzen – Weitere Therapie

 

Die Therapie der chronischen Schmerzen erfolgt in Abhängigkeit von der Ursache.

Allgemeine Maßnahmen

  • Ausreichender Schlaf (7-9 Stunden jede Nacht) verbessert die Schmerztoleranz, d. h. führt zu weniger Schmerzempfindung!
  • Tagsüber regelmäßig bewegen, aber intensiven Sport ab 18.00 Uhr meiden.
    Körperliche Aktivität und Übungen bei chronischem Schmerz beim Erwachsenen verbessert signifikant die körperliche Funktion [2].
  • Nikotinrestriktion (Verzicht auf Tabakkonsum) – Rauchen kann auf lange Sicht zu Schmerzen beitragen; es verlangsamt Heilungsprozesse, verschlechtert die Durchblutung und erhöht das Risiko für beispielsweise degenerative Bandscheibenprozesse und ist damit häufig ein Grund für Lumbalgien (Rückenschmerzen)
  • Alkoholrestriktion (Verzicht auf Alkoholkonsum)
    • Alkohol führt zu einem nicht tiefen Schlaf (reduziert die wichtigen REM-Phasen und führt zu Durchschlafstörungen). Das Ergebnis ist ein nicht ausreichend erholsamer Schlaf. 
    • Allerdings zeigte eine Analyse auf Grundlage von 16 Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien mit insgesamt mehr als 640.000 Teilnehmern zum Thema Alkoholkonsum und chronische Schmerzen, dass das Trinken von Alkohol das Risiko für chronische Schmerzen im Vergleich zum Risiko von Abstinenzlern um etwa ein Viertel reduzierte (Odds Ratio [OR] 0,76). Dieses galt allerdings nur für den moderaten Konsum (14 Drinks pro Woche für Männer; bis zu sieben Drinks für Frauen) [9].
  • Nach dem Mittagessen keine koffeinhaltigen Getränke mehr trinken.
  • Normalgewicht anstreben! 
    Bestimmung des BMI (Body-Mass-Index, Körpermasse-Index) bzw. der Körperzusammensetzung mittels der elektrischen Impedanzanalyse und ggf. Teilnahme an einem ärztlich betreuten Abnehmprogramm
    • BMI ≥ 25 → Teilnahme an einem ärztlich betreuten Abnehmprogramm
    • BMI-Rechner – ermitteln Sie unter Berücksichtigung von Geschlecht und Alter Ihren gesunden Gewichtsbereich! (Anzeige)
  • Eine Pufferzone zwischen Arbeitsalltag und dem Zubettgehen schaffen.
  • Schlafhygiene:
    • Vermeiden körperlicher Überanstrengung nach 18:00 Uhr
    • Drei Stunden vor dem Zubettgehen keine größeren Mengen an Essen oder Trinken zu sich nehmen
    • Jeden Tag zur gleichen Zeit schlafen gehen und immer zur gleichen Zeit aufstehen.
    • Eine halbe Stunde vor dem Zubettgehen versuchen zu entspannen, zum Beispiel mit einem warmen Bad (34-36 °C). Es können auch entspannungsfördernde Zusätze ins Badewasser geben werden wie Melisse, Baldrian und Hopfen.
    • Ein bequemes Schlaflager wie auch ein ruhiger Raum sind wichtige Voraussetzungen für einen guten Schlaf.
    • Schlafzimmer nach Möglichkeit komplett abdunkeln. Lichtquellen von außen lassen sich leicht durch lichtundurchlässige Vorhänge oder Rollos beseitigen.
    • Lärmbelästigung kann man mit Hilfe von Ohrstöpseln oder Schallschutzmaßnahmen reduzieren.
    • Im Schlafzimmer sollte eine frische und kühle Luft vorherrschen: Extreme Temperaturen vermeiden – es sollte kühl, aber nicht zu kalt sein. Eine Umgebungstemperatur von 16 bis 18 °C ist optimal.
  • Schwere Bettdecke: Durch den höheren gleichmäßigen Druck auf den Körper kann eine schwere Bettdecke (6,8 kg) für stark ängstliche Personen im Vergleich zur leichteren Bettdecke (2,3 kg) die Schmerzwahrnehmung des Patienten verbessern und infolgedessen den Leidensdruck verringern. Die Schmerzintensität blieb dabei unverändert [5].
    Fazit: Interozeptive oder sozial-affektive Wirkungen von Tiefendruck können eine Schmerzlinderung bewirken.
    Interozeption: Aufnahme innerer Reize, die u.a. von Mechano- und Druckrezeptoren u. a. ausgehen.

Konventionelle nicht-operative Therapieverfahren

  • Fast Acting Sub-Perception Therapy (FAST) – es handelt sich dabei um eine Rückenmarkstimulation (engl. Spinal Cord Stimulation, SCS), die eine nicht destruktive und reversibel Nervenstimulation darstellt. FAST ist ein neuer Algorithmus, der eine 80%ige Schmerzreduktion nach wenigen Minuten ermöglicht; diese erfolgte im Mittel nach 11, 2 ±1,9 Minuten. Nach 6 Monaten Follow-Up zeigt sich eine Schmerzreduktion von 86 %, diese ist über den Beobachtungszeitraum konstant [6].

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen

  • Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen
  • Sozialmedizinisches Nachsorgeprogramm – Dieses konnte bei schwer chronifizierten pädiatrischen Schmerzpatienten nach einer interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie das Outcome nach sechs Monaten verbessern [8].

Ernährungsmedizin

  • Ernährungsberatung auf der Grundlage einer Ernährungsanalyse
  • Ernährungsempfehlungen gemäß einem Mischköstler unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkrankung. Das bedeutet u. a.:
    • täglich insgesamt 5 Portionen frisches Gemüse und Obst (≥ 400 g; 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst)
    • ein- bis zweimal pro Woche frischen Seefisch, d. h. fette Meeresfische (Omega-3-Fettsäuren) wie Lachs, Hering, Makrele
    • ballaststoffreiche Ernährung (Vollkornprodukte, Gemüse)
  • Beachtung folgender spezieller Ernährungsempfehlungen:
    • Da die Erkrankung mit Entzündungsprozessen einhergeht, sollten Erkenntnisse in Bezug auf eine antiinflammatorische (entzündungshemmende) Ernährung auch Grundlage der Ernährung bei chronischen Schmerzen sein. Siehe unter Ernährung bei „Subklinische Inflammation“.
  • Weitere spezielle Ernährungsempfehlungen in Abhängigkeit von der Ursache der chronischen Schmerzen.
  • Auswahl geeigneter Lebensmittel auf Grundlage der Ernährungsanalyse
  • Ggf. Einnahme eines geeigneten Nahrungsergänzungsmittels
    Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
    Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
  • Detaillierte Informationen zur Ernährungsmedizin erhalten Sie von uns.

Sportmedizin

  • Ausdauertraining (Cardiotraining) und Krafttraining
    Hinweis: Sowohl Ausdauersport als auch Kraftsport haben eine analgetische Wirkung (schmerzstillende Wirkung). Neben dem vegetativen Nervensystem sind körpereigene Opioide und Cannabinoide, sog. Endorphine und Endocannabinoide, daran beteiligt. Das bedeutet aber zugleich, dass Sportler im Vergleich zu Nicht-Sportlern insgesamt schmerztoleranter sind und damit leicht die Gefahr besteht, dass die Belastungsgrenze des Körpers überschritten wird.
  • Erstellung eines Fitness- bzw. Trainingsplans mit geeigneten Sportdisziplinen auf der Grundlage eines medizinischen Checks (Gesundheitscheck bzw. Sportlercheck)
  • Körperliche Aktivität und Übungen bei chronischem Schmerz beim Erwachsenen verbessert signifikant die körperliche Funktion [2].
  • Detaillierte Informationen zur Sportmedizin erhalten Sie von uns.

Psychotherapie

  • Schmerzen können mit verschiedenen Ängsten, aber auch mit Depression oder Aggression vergesellschaftet sein.
    Aus diesem Grunde kann eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) mit Bewältigungsstrategien des Schmerzes indiziert sein.
    Des Weiteren können Entspannungstechniken wie progressive Entspannung, autogenes Training oder Tai Chi Chuan eingesetzt werden.
  • Verhaltenstherapie lindert auch Schmerzen bei Opioid-abhängigen Patienten [1].
  • Mind-Body-Verfahren: Meditation (Cohen d-Wert (Maß für die Effektstärke; Wert von 1,0 entspricht dem Unterschied von einer Stan­dard­abweichung): 0,70), Hypnose (Cohen d-Wert  0,54), Suggestion (Cohen d-Wert 0,68) und kognitive Verhaltenstherapien (KVT) (Cohen d-Wert 0,43)(KVT); Reduktion der Opioiddosis (Cohen d-Wert von 0,26 (0,08 bis 0,44); Effects Stärke signifikant, Ausmaß eher schwach) [3]
  • Detaillierte Informationen zur Psychosomatik (inkl. Stressmanagement) erhalten Sie von uns.

Beachte: Psychotherapeutische Behandlungsansätze können in der Therapie neuropathischer Schmerzen jeglicher Ursache eingesetzt werden. Bislang ist allerdings eine 30%ige Schmerzreduktion aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht belegbar [S2k-Leitlinie].

Komplementäre Behandlungsmethoden

  • Bei der komplementären Schmerztherapie werden die Methoden der klassischen Medizin (Operation etc.) um natürliche Verfahren ergänzt, wie:
    • Akupunktur
    • Biofeedback
    • Elektrotherapie
    • Frequenztherapie
    • Hochtontherapie
    • Low-Level-Lasertherapie
    • Neuraltherapie
    • Softlaserbehandlung
    • Proliferationstherapie – reparatives und regeneratives Injektionsverfahren zur Schmerzbehandlung an Gelenken und am Bewegungsapparat
  • Autogenes Training  – auf Autosuggestion basierendes Entspannungsverfahren. Eine Metaanalyse konnte zeigen, dass autogenes Training im Vergleich zur Standardbehandlung zu einer signifikant stärkeren Schmerzreduktion führt; im Hinblick auf die Reduktion der Schmerzen war das Verfahren im direkten Vergleich zu anderen psychologischen Interventionen wie zum Beispiel progressive Muskelentspannung (Progressive Muskelrelaxation (PMR); Progressive Relaxation (PR)) oder Selbsthypnose gleichermaßen wirksam [7].
  • Kognitive Strategien – Rückwärts zählen (dafür ist die Zusammenarbeit von linker und rechter Inselrinde vonnöten) und an etwas Schönes denken, führt zur Schmerzlinderung [4]
  • Spiegeltherapie – zur Reduktion chronischer Schmerzen bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen durch Veränderungen in Bezug auf die Körperwahrnehmung und -repräsentation
  • In der Praxisleitlinie Tumorschmerz (2021) werden folgende alternative Therapieverfahren benannt: Misteltherapie, Hyperthermieverfahren, Thymusextrakte und traditionelle chinesische Medizin (TCM).

Literatur

  1. Ilgen MA et al.: A randomized trial of a pain management intervention for adults receiving substance use disorder treatment. Addiction published Volume111, Issue 8 August 2016 Pages 1385-139316 February 2016 doi: 10.1111/add.13349
  2. Geneen LJ, Moore RA, Clarke C et al.: Physical activity and exercise for chronic pain in adults: an overview of Cochrane Reviews. Cochrane Database Syst Rev. 2017 Jan 14;1:CD011279. doi: 10.1002/14651858.CD011279.pub2.
  3. Garland EL et al.: Mind-Body Therapies for Opioid-Treated Pain A Systematic Review and Meta-analysis JAMA Intern Med. Published online November 4, 2019. doi:10.1001/jamainternmed.2019.4917
  4. Schulz E et al.: Ultra-high-field imaging reveals increased whole brain connectivity underpins cognitive strategies that attenuate pain. eLife Sep 2, 2020 eLife 2020;9:e55028 doi: 10.7554/eLife.55028
  5. Baumgartner JN et al.: Widespread pressure delivered by a weighted blanket reduces chronic pain: A randomized controlled trial. J Pain 2021; https://doi.org/10.1016/j.jpain.2021.07.009
  6. Metzger et al.: A Novel Sub-Perception Spinal Cord Stimulation Therapy Enabling Clinically Significant Pain Relief and Fast Onset. Expert Rev Med Devices. 2021 Mar;18(3):299-306
  7. Kohlert A et al.: Autogenic Training for Reducing Chronic Pain: A Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trials. Int J Behav Med. 2021 Oct 27;1-12. doi: 10.1007/s12529-021-10038-6.
  8. Dogan M et al.: A randomized controlled trial on long-term effectiveness of a psychosocial aftercare program following pediatric chronic pain treatment: Who benefits the most? Eur J Pain 2022; https://doi.org/10.1002/ejp.1998
  9. Karimi R et al.: Association between alcohol consumption and chronic pain: a systematic review and meta-analysis. Br J Anaesth 2022;129:355–365; https://doi.org/10.1016/j.bja.2022.03.010

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen. (AWMF-Registernummer: 030 - 114), Mai 2019 Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. (AWMF-Registernummer: 128 - 001OL), September 2019 Kurzfassung Langfassung