Chronische Schmerzen – Medikamentöse Therapie
Therapieziel
Schmerzlinderung
Therapieempfehlungen
Im Gegensatz zur medikamentösen Therapie akuter Schmerzen, wird die Therapie der chronischen Schmerzen nach einem festen Zeitschema durchgeführt. Damit soll eine Schmerzfreiheit über den kompletten Tag erreicht werden. Des Weiteren kann so der Analgetikabedarf gesenkt werden.
Die Wahl des Schmerzmittels richtet sich nach der genauen Form des Schmerzes:
- Nozizeptive Schmerzen (bedingt durch Gewebereizung oder -schädigung) – Opioid-Analgetika, COX-Hemmer
- Viszerale Schmerzen (Organschmerzen) – Opioid-Analgetika, Nicht-Opioidanalgetika
- Neuropathische Schmerzen (bedingt durch Nervenschädigung) – Antikonvulsiva (Gabapentin, Pregabalin), Antidepressiva (Amitriptylin, Imiprami), Opioid-Analgetika (Medikamente dritter Wahl); ggf. auch Capsaicinhochdosispflaster (bei lokalisierten neuropathischen Schmerzen als Erstlinientherapie), Lidocainpflaster (Medikament der zweiten Wahl)
- Sympathische Schmerzen – Sympathikusblockaden
WHO-Stufenschema
- Nicht-Opioidanalgetikum
- Niederpotentes Opioidanalgetikum (z. B. Tramadol) + Nicht-Opioidanalgetikum
- Hochpotentes Opioidanalgetikum (z. B. Morphin) + Nicht-Opioidanalgetikum
Ad Opioide
Zur Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen – S3-Leitlinie [6]; gesicherte Diagnosen, wenn unter einer zeitlich befristeten Therapie (4 - 12 Wochen) eine klinisch relevante Reduktion von Schmerzen und/oder körperlichem Beeinträchtigungserleben bei fehlenden oder geringen Nebenwirkungen angeben werden, kann eine Langzeitanwendung angeboten werden, bei:
- chronische Rückenschmerzen
- chronischem Arthroseschmerz
- chronischen neuropathischen Schmerzen (Polyneuropathien/Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die mehrere Nerven betreffen verschiedener Ursache, Postzosterneuralgie, PZN; Nervenschmerzen als Folge einer Gürtelrose)
Mögliche Indikationen für eine kurzfristige 4 - 12 Wochen und langfristige (≥ 12 Wochen) Therapie mit opioidhaltigen Analgetika sind [starker Konsens]:
- Sekundäre Kopfschmerzen (z. B. nach Subarachnoidalblutung, SAB)
- Chronische Schmerzen bei manifester Osteoporose. (Wirbelkörperfrakturen/Wirbelkörperbrüche)
- Chronische Schmerzen bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen außer rheumatoider Arthritis (z. B. systemischer Lupus erythematodes, Spondylarthrititiden) (ICD-10-GM M45 - M49: Spondylopathien).
- Chronische postoperative Schmerzen (z. B. Postthorakatomie-, Poststernotomie-, Postmastektomiesyndrom, nach Bauch- und Hernienoperationen, nach Gesichtsoperationen).
- Chronischer Extremitätenschmerz bei ischämischen und entzündlichen arteriellen Verschlusskrankheiten (ICD-10-GM I70 - I79: Krankheiten der Arterien, Arteriolen und Kapillaren).
- Chronische Schmerzen bei Dekubitus (Wundliegegeschwür) Grad 3 und 4 (ICD-10-GM L 89.2 - und ICD-10-GM L89.3 - ).
- Chronische Schmerzen bei fixierten Kontrakturen bei pflegebedürftigen Patienten. Konsens 16. Zentrale (zerebrale) neuropathische Schmerzen (z. B. nach Thalamusinfarkt, multiple Sklerose (MS).
- Komplexes regionales Schmerzsyndrom (engl. Complex regional pain syndrome (CRPS): Chronisches CRPS Typ I und II (Morbus Sudeck). Starker Konsens
Beachte: Laut einer Metaanalyse kommt es bei Patienten mit chronischen Schmerzen, die nicht durch Krebserkrankung ausgelöst werden, nur zu einer geringen Linderung der Schmerzen und einer leichten Verbesserung der körperlichen Lebensqualität [17].
Wg. Vermeidung von Opioidanalgetika: Die Schmerzlinderung bei Verletzungen der Extremitäten (Frakturen, Verstauchungen, Zerrungen und Muskelschmerzen) mit 400 mg Ibuprofen + 1.000 mg Paracetamol war fast identisch wie nach der Gabe von 5 mg Oxycodon plus 325 mg Paracetamol [15].
Bei chronischen nichttumorbedingten Schmerzen (CNTS), soll eine multimodale Therapie mit Psycho- und Physiotherapie durchgeführt werden. In einer Metaanalyse zeigt sich, dass starke Opioide zwar schwachen Opioiden und Nicht-Opioid-Analgetika in der Wirksamkeit überlegen sind, dies jedoch nicht in signifikantem Maß.
Definition: Eine Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika wird bei der Therapiedauer von ≥ 3 Monaten angenommen.
Kontraindikationen
- Primäre Kopfschmerzen (alle Formen)
- Behandlung der Migräneattacke
- Schmerzen bei funktionellen /somatoformen Störungen (ICD-10-GM F45.-: Somatoforme Störungen)
- Fibromyalgie-Syndrom
- Chronischer Schmerz als (Leit-)symptom psychischer Störungen (z. B. Depression [ICD-10-GM F43.2: Anpassungsstörungen; ICD-10-GM F32: Depressive Episode; ICD-10-GM F33: Rezidivierende depressive Störung], anhaltende somatoforme Schmerzstörung [ICD 10 -GMF45.40: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung], generalisierte Angststörung (GAS) [ICD 10 F41.1: Generalisierte Angststörung], posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) [ICD-10-GM F43.1: Posttraumatische Belastungsstörung])
- Schwere affektive Störung und/oder Suizidalität (ICD-10-GM R45.8: Sonstige Symptome, die die Stimmung betreffen) .
Bei chronischen tumorbedingten Schmerzen (Tumorschmerzen) werden empfohlen:
- Morphin (Ansprechrate: ca. 62 %) [9]
- Oxycodon (Ansprechrate: ca. 67 %) [9]
- Dronabinol (Cannabinoide)
Bei der Add-on-Therapie mit Cannabinoiden bei Tumorschmerzen wird die orale Therapie bevorzugt.
Cannabidiol (CBD) verbessert die Effekte von Tetrahydrocannabinol (THC) und THC wiederum moduliert die Opioid-Wirkung auf Rezeptorebene. Wichtig bei der Therapie ist das langsame Eintitrieren.
Bei einer Opioid-Therapie sollte eine medikamentöse Obstipation-Prophylaxe begonnen werden:
- Stufe 1: osmotische Laxantien (z. B. Macrogol). oder stimulierende Laxantien (z. B. Bisacodyl)
- Stufe 2: Kombination aus den beiden Laxantien-Klassen
- Stufe 3: periphere Opioid-Antagonisten (z. B. Methylnaltroxon) zusätzlich zu Stufe-2-Laxantien
- Stufe 4: Zusätzliche medikamentöse Maßnahmen (Amidotrizoeessigsäure, Erythromycin etc.) oder nicht medikamentöse Maßnahmen (Einläufe, manuelle Ausräumung)
Siehe auch unter der Leitlinie der DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V.): "Schmerzen (chronische)" [13].
Hinweise zum Wirkungseintritt von oralen Analgetika/Schmerzmittel [19]
Der Wirkungseintritt bzw. die Auflösungsrate des Arzneimittels ist abhängig von der Einnahmeposition des Patienten:
- 10 Minuten in der Rechtslage, da die Pillen so in den tiefsten Teil des Magens gelangen und dort eine 2,3-mal schnellere Auflösung erzielen als in aufrechter, sitzender oder mittig liegender Haltung
- 23 Minuten in aufrechter, sitzender oder auf dem Rücken liegender Haltung
- > 100 Minuten in der Linkslage
Wirkstoffe (Hauptindikation)
Nicht-Opioidanalgetika
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Besonderheiten |
Nichtsaure Analgetika | Paracetamol |
Für die Schmerztherapie auch geeignet bei:
Geht kaum mit renalen Problemen einher. Dosisanpassung bei Nieren-/Leberinsuffizienz (Nieren- bzw. Leberschwäche) |
Metamizol |
Für die Schmerztherapie bei Kindern geeignet! Bei den Nicht-Opioiden gilt Metamizol als Mittel der Wahl bei Tumorschmerzen. Geht kaum mit renalen Problemen einher. Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz |
|
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) | Acetylsalicylsäure |
Bei Migräne Mittel der ersten Wahl Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz |
Naproxen | KI (Kontraindikationen/Gegenanzeigen) bei schwerer Nieren-/Leberinsuffizienz Gastrointestinale NW (Magen-Darm-Nebenwirkungen) |
|
Ibuprofen |
Für die Schmerztherapie bei Kindern geeignet! Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz |
|
Diclofenac | KI bei schwerer Leber-/Niereninsuffizienz; Herzinsuffizienz/Herzschwäche (New York Heart Association, NYHA, Stadien II-IV), ischämische Herzerkrankung, periphere Arterienerkrankung, zerebrovaskuläre Erkrankung | |
Coxibe | Parecoxib | KI bei schweren Leberfunktionsstörungen |
Celecoxib | KI bei schweren Leberfunktionsstörungen, schwere Niereninsuffizienz |
Opioide (Opioidanalgetika)
Wirkstoffe | Analgetische Potenz | Besonderheiten |
Tramadol | 0,1-0,2 | Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz bei Langzeittherapie Stufe-II-Opioide |
Tilidin (+ Naloxon) |
0,1-0,2 |
Stufe-II-Opioide Ggf. Wirkverlust bei schwerer Leberinsuffizienz |
Pethidin | 0,1 | Dosisanpassung bei Nieren-/Leberinsuffizienz |
Morphin | 1 | Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz Stufe-III-Opioide bei mittleren bis starken Tumorschmerzen |
Oxycodon | 2 | Wird partiell renal eliminiert (über die Nieren ausgeschieden") und kann mit Vorsicht und ggf. unter Dosisanpassung bis CKD (Chronic Kidney Disease) 4/5 eingesetzt werden. |
Hydromorphon | 7-8 | Wird partiell renal eliminiert und kann mit Vorsicht und ggf. unter Dosisanpassung bis CKD (Chronic Kidney Disease) 4/5 eingesetzt werden. |
Buprenorphin (BUP) |
30-40 | Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz |
Fentanyl | 125 |
Durchbruchschmerzen bei Tumorpatienten; BTCP, "breakthrough cancer pain" Kann aufgrund ihrer hepatischen Verstoffwechslung (Verstoffwechselung in der Leber) eine Therapieoption bei CKD (Chronic Kidney Disease) 4/5 sein. |
*Transdermales therapeutisches System
- Tumorschmerzen (bei mittleren und starken Tumorschmerzen: Morphin, Oxycodon, Hydromorphon [10])
- Cave! Das Risiko einer tödlichen Opioid-Überdosierung war laut einer Studie bei gleichzeitiger Einnahme eines Benzodiazepins um das 3,86-fache und bei früherer Einnahme um den Faktor 2,33 erhöht [11].
- Koffein als Adjuvans steigert die Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Paracetamol (Cochrane-Analyse) [7, 8].
Neben der Analgetika-Gabe können noch verschiedene Wirkstoffgruppen mit Einschränkungen eingesetzt werden:
- Tizanidin, Tolperison (Muskelrelaxantien)
- Lidocain (Lokalanästhetika)
- Bei metastatischen Knochen-/Leberkapselschmerzen, akuter Nervenkompression, chronisch entzündliche Schmerzen: Dexamethason (Glucocorticoide)
- Neuropathische Schmerzen: s. u.
- Bei metastasenbedingten Knochenschmerzen: s. u.
Muskelrelaxantien
Beachte: Muskelrelaxanzien wirkten nicht besser als Placebo, wenn sie gegen Fibromyalgie, Kreuzschmerzen, Kopfschmerzen und andere Schmerzsyndrome verordnet wurden. Nachweise für einen schmerzlindernden Effekt ließen sich für Trigeminusneuralgie, Nackenschmerzen und schmerzhafte Krämpfe nachweisen [20}.
Wirkstoffe | Besonderheiten |
Tetrazepam | Toleranzentwicklung möglich |
Tizanidin | Dosisanpassung bei Nieren-/Leberinsuffizienz |
Tolperison | Dosisanpassung bei Nieren-/Leberinsuffizienz |
Lokalanästhetika
Wirkstoffe |
Lidocain 0,5-1 % |
Glucocorticoide
- Indikationen: metastatischen Knochen-/Leberkapselschmerzen, akuter Nervenkompression, chronisch entzündliche Schmerzen
Neuropathische Schmerzen [S2k-Leitlinie]
Beachte:
- Klassische Nicht-Opioid-Analgetika (NSAR, Cox-2-Inhibitoren, Paracetamol, Metamizol) erzielen in der Regel keine insuffiziente Linderung bei chronischen neuropathischen Schmerzen.
- Hochpotente Opioide können zur Therapie neuropathischer Schmerzen jeglicher Ursache nur als Medikamente dritter Wahl eingesetzt werden.
- Bei lokalisierten neuropathischen Schmerzen kann die Capsaicinhochdosispflaster als Erstlinientherapie eingesetzt werden.
Antikonvulsiva
Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Calciumkanäle
Wirkstoffe | Nebenwirkungen | Besonderheiten |
Gabapentin | Gut verträglich | Erstlinientherapie chronischer neuropathischer Schmerzen Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz |
Pregabalin | V.a. ZNS-toxisch |
Erstlinientherapie chronischer neuropathischer Schmerzen Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz |
- Bei Patienten mit neuropathischen Tumorschmerzen, die nur teilweise auf Opioid-Analgetika ansprechen, soll Amitriptylin, Gabapentin oder Pregabalin in Betracht gezogen werden [10].
- Pregabalin, das zunehmend zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt wird, hat in einer Placebo-kontrollierten Studie keine Linderung von Ischiasbeschwerden erzielt [15].
- Gabapentin lindert laut einem Cochrane-Review neuropathische Schmerzen besser als ein Placebo – und zwar bei den Diagnosen schmerzhafte diabetische Neuropathie und postherpetische Neuralgie [16].
Antikonvulsiva mit Wirkung auf Natriumkanäle
Wirkstoffe | Nebenwirkungen | Besonderheiten |
Carbamazepin | Kognitive Störungen, Benommenheitsgefühl, Schwindel, Müdigkeit, Ataxie (Gangstörung) und gastrointestinale Störungen (Magen-Darm-Störungen); Hyponatriämie (Natriummangel), Blutbildveränderungen, insb. Leukopenie (krankhafte Verminderung der weißen Blutkörperchen/Leukozyten), Leberschädigung, allergische Hautreaktionen und Herzrhythmusstörungen |
S2k-Leitlinie: kann aufgrund der geringen Evidenz bei der Therapie neuropathischer Schmerzen jeglicher Ursache nicht generell empfohlen werden, kann jedoch im Einzelfall erwogen werden.
Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz |
Oxcarbazepin | Benommenheit, Schwindel, Ataxie und Gedächtnisstörungen Verminderung des kontrazeptiven Schutzes (Empfängnisschutz) |
S2k-Leitlinie: gleiche Aussage wie unter Carbamazepin |
Topiramat | Diplopie (Doppelbilder), Nystagmus, Sehstörungen; Alopecie (Haarausfall), Exanthem (Hautausschlag), Pruritus (Juckreiz); Diarrhoe (Durchfall)/Übelkeit; Arthralgie (Gelenkschmerzen), Muskelzittern; Depression, Schwindel, Somnolenz (Benommenheit) Mögliche Verminderung des kontrazeptiven Schutzes |
S2k-Leitlinie: sollte nicht zur Therapie neuropathischer Schmerzen jeglicher Ursache eingesetzt werden. |
Antidepressiva
S2k-Leitlinie:
- "Trizyklische Antidepressiva haben keine direkten antinozizeptiven Eigenschaften und sind auch wirksam bei Patienten, die keine Depressionen haben. Der Effekt auf die neuropathischen Schmerzen scheint früher und mit geringeren Dosierungen einzutreten als der Effekt auf die Depression".
- Therapie von neuropathischen Schmerzen jeglicher Ursache als Medikamente erster Wahl
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Besonderheiten |
Trizyklische Antidepressiva (TZA) | Amitriptylin |
Medikament der ersten Wahl bei neuropathischen Schmerzen jeglicher Ursache Vor der Behandlung sollte bei allen Patienten mit einem kardialen Risiko und einem Alter über 65 ein EKG abgeleitet werden.
Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz |
Imipramin | ||
Clomipramin | Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz KI bei schwerer Leberinsuffizienz |
|
Selektive Serotonin-und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer | Duloxetin | Medikament der ersten Wahl bei neuropathischen Schmerzen jeglicher Ursache |
Venlafaxin |
Venlafaxin kann aufgrund der nicht ausreichenden Datenlage nicht zur Therapie von neuropathischen Schmerzen jeglicher Ursache empfohlen |
Weitere Hinweise
- Bei nicht beherrschbaren Schmerzen im Rahmen einer Tumorerkrankung kann die Therapie mit Ketamin in Kombination mit einem Benzodiazepin erwogen werden.
- Die Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen wird kontrovers beurteilt [S3-Leitlinie „LONTS – Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen“]
Weitere Wirkstoffe [S2k-Leitlinie]
- Kontra
- Cannabinoide: können zur Therapie neuropathischer Schmerzen jeglicher Ursache nicht empfohlen werden, da ihr Effekt eher gering ausgeprägt ist und die Nebenwirkungsrate hoch ist.
- Benzodiazepine sollen nicht zur Therapie neuropathischer Schmerzen jeglicher Ursache eingesetzt werden.
- Alpha-Liponsäure kann nicht zur Therapie neuropathischer Schmerzen jeglicher Ursache empfohlen werden. Ein Effekt bei der diabetischen Neuropathie kann nicht ausgeschlossen werden. Die Evidenzlage ist allerdings nicht ausreichend.
- Pro
- Lidocain-Pflaster kann zur Therapie von lokalisierten neuropathischen Schmerzen empfohlen werden als Medikament der zweiten Wahl. Die Wirksamkeit wurde insbesondere bei der postzosterischen Neuralgie (Nervenschmerzen nach Herpes zoster) gezeigt. Bei PZN ist auch der primäre Einsatz zu erwägen.
- Capsaicin-8 %-Pflaster kann zur Therapie neuropathischer Schmerzen jeglicher Ursache empfohlen werden. Es sollte als Mittel der zweiten Wahl verwendet werden.
- Botulinumtoxin kann zur Therapie neuropathischer Schmerzen jeglicher Ursache erwogen werden, allerdings nur als Medikament der dritten Wahl bei fokal begrenzten Beschwerden in spezialisierten Zentren.
Bisphosphonate – bei metastasenbedingten Knochenschmerzen
Wirkstoffe | Besonderheiten |
Clodronat | KI bei schwerer Niereninsuffizienz |
Ibandronat | KI bei schwerer Niereninsuffizienz |
Pamidronat | |
Zoledronat | KI bei schwerer Leber/Niereninsuffizienz |
- Wirkweise: hemmen die Osteoklasten und führen so zu einer Zunahme der Knochenmasse
- Nebenwirkungen: Hypocalcämie, gastrointestinal (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Obstipation, Meteorismus), Ösophagusulzerationen
- Einnahme mit viel Wasser
Cave! (Achtung!)
- Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR; z. B. Ibuprofen, Diclofenac) inkl. COX-2-Hemmer (Synonyme: COX-2-Inhibitoren; allgemein: Coxibe; z. B. Celecoxib, Etoricoxib, Parecoxib) erhöhen das Risiko für vaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Apoplex (Schlaganfall)) [1-3]
Keine signifikante erhöhte Rate von vaskulären Todesfällen ist für Naproxen und Acetylsalicylsäure nachweisbar [14]. Beide sind Inhibitoren der Cyclooxygenase COX-1. - Kein Einsatz von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) bei Herzinsuffizienz-Patienten (Patienten mit Herzschwäche), da diese eine Natriumretention (Natrium-Zurückhaltung im Organismus) und Vasokonstriktion (Blutgefäßverengung) verursachen. Dieses führt zur Wirkungsabschwächung von ACE-Hemmer und Diuretika (Entwässerungsmittel) [4].
- Opioide sollten nicht in Kombination mit Sedativa-Hypnotika (Beruhigung-Schlafmittel) verschrieben werden!
Schmerzen in der Schwangerschaft
- Paracetamol (Mittel der Wahl in jeder Phase der Schwangerschaft: leichte oder mittlere Schmerzen)
Eine Analyse von Untersuchungen am Embryotox-Institut in Berlin ergab keine Hinweise auf Paracetamol-bedingte Schäden: die Forscher führen aus, dass das Risiko für kardiale (das Herz betreffend) und renale (die Nieren betreffend) Schäden unter Paracetamol im dritten Trimester (Schwangerschaftsdrittel) wohl eher zu vernachlässigen ist [18]. - Ibuprofen (nichtsteroidale Analgetikum (Schmerzmittel) der Wahl; kontraindiziert (es besteht eine Gegenanzeige) nach der 28. Schwangerschaftswoche wg. Gefahr eines vorzeitigen Ductusverschlusses und fetaler Nierenfunktionsstörungen)
- Opioide (bei starken Schmerzen; Cave (Achtung): bei peripartaler Anwendung ("um die Geburt herum") Gefahr der Atemdepression (zeigt sich als verlangsamte Atmung, Kurzatmigkeit und Luftnot) und Anpassungsstörungen beim Neugeborenen)
Chronische Schmerzen, Schlafstörungen und Depression
Das Symptomcluster "Schmerzen, Schlafstörungen und Depression" ist sehr häufig vorzufinden. Dieses ist nicht erstaunlich, da die drei Symptombereiche in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Zum einen haben sie Überschneidungsbereiche, zum anderen verstärken sie sich gegenseitig:
- Depressionen gehen häufig mit chronischen Schmerzen einher.
- Wiederholter Schlafentzug kann eine Depression lindern, erhöht aber auch die Schmerzempfindlichkeit.
- Gestörter Schlaf kann somit auch Ursache einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit sein!
- Chronische Schmerzen gehen mit einer deutlich erhöhten Prävalenz einer Insomnie bzw. einer eingeschränkten Schlafqualität einher; Patienten mit chronischen Schmerzen entwickeln häufig eine Depression.
Zur medikamentösen Therapie bei Depression siehe unter "Depression" unter Pharmakotherapie.
Zur medikamentösen Therapie bei Schlafstörungen siehe unter "Schlafstörung" unter Pharmakotherapie; siehe dort auch zum Thema Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)
Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)
Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheit von Sehnen, Bändern und Faszien sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:
- Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, B3, B5, B6, B12, Folsäure, Biotin)
- Mineralstoffe (Calcium, Kalium, Magnesium)
- Spurenelemente (Eisen, Kupfer, Mangan, Selen, Zink)
- Aminosäuren (Tryptophan)
- Sekundäre Pflanzenstoffe (Curcumin, Bromelain aus Ananas-Extrakt)
- Weitere Vitalstoffe (Chondroitinsulfat, Glucosaminsulfat, Coenzym Q10 (CoQ10), Kollagene, Fruchtsäuren – Citrat (gebunden in Magnesium-, Kalium- und Calciumcitrat), Baldrianwurzel-Extrakt, Melissenkraut-Extrakt, Schlafbeerenwurzel-Extrakt)
Bei Vorliegen einer Insomnie (Schlafstörung) infolge von chronischen Schmerzen s. u. Insomnie/Medikamentöse Therapie/Supplemente.
Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.
Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
Literatur
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- Schjerning AM et al.: Duration of treatment with nonsteroidal antinflammatory drugs and impact on risk of death and recurrent myocardial infarction in patients with prior myocardial infarction: a nationwide cohort study. Circulation doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.110.004671; published online Mai 9, 2011
- Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Kardiovaskuläre Nebenwirkungen sind ein Klasseneffekt aller Coxibe: Konsequenzen für ihre zukünftige Verordnung. Deutsches Ärzteblatt, 49/2004, S. A3365
- ACC/AHA Practice Guidelines: ACC/AHA 2005 Guideline Update for the Diagnosis and Management of Chronic Heart Failure in the Adult. American College of Cardiology Foundation and the American Heart Association, Inc.
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Leitlinien
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- S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie komplexer regionaler Schmerzsyndrome (CRPS). (AWMF-Registernummer: 030 - 116), Januar 2018 Langfassung
- S2k-Leitlinie: Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen. (AWMF-Registernummer: 030 - 114), Mai 2019 Langfassung
- S3-Leitlinie: Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS). (AWMF-Registernummer: 145 - 003), April 2020 Langfassung
- S3-Leitlinie: Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. (AWMF-Registernummer: 128 - 001OL), September 2019 Kurzfassung Langfassung
- S1-Leitlinie: Chronischer nicht tumorbedingter Schmerz. (AWMF-Registernummer: 053-036), November 2023 Kurzfassung Langfassung
- Sommer et al.: Diagnostik bei neuropathischen Schmerzen. EAN-NeuPSIG-Leitlinie in der Schmerz. Springer April 2024. Kurzfassung