Nebenschilddrüsenunterfunktion (Hypoparathyreoidismus) – Einleitung
Der Hypoparathyreoidismus (HypoPT) beschreibt eine endokrine Störung, bei der die Nebenschilddrüsen (Glandulae parathyroideae) unzureichend oder kein Parathormon (PTH) produzieren und freisetzen. Dies führt zu einem Mangel an PTH im Körper, was eine Hypocalcämie (niedriger Calciumspiegel im Blut) und Hyperphosphatämie (erhöhter Phosphatspiegel im Blut) zur Folge hat.
Synonyme und ICD-10: Hypoparathyreose; Nebenschilddrüseninsuffizienz; Parathormonmangel; ICD-10-GM E20.-: Hypoparathyreoidismus
Die Nebenschilddrüsen (lat.: Glandulae parathyroideae) bestehen bei den meisten Menschen aus vier ungefähr linsengroßen Organen und befinden sich im Hals hinter der Schilddrüse (lat. Glandula thyreoidea oder Glandula thyroidea), unterhalb des Larynx (Kehlkopf). Man bezeichnet sie auch als Epithelkörperchen.
Anatomie und Funktionen
Die Nebenschilddrüsen, meistens vier linsengroße Organe, befinden sich hinter der Schilddrüse (Glandula thyreoidea), unterhalb des Kehlkopfs (Larynx). Sie sind für die Produktion von Parathormon (PTH) verantwortlich, das eine zentrale Rolle im Calciumstoffwechsel spielt:
- Calciumregulation: PTH steigert die Mobilisierung von Calcium und Phosphat aus den Knochen durch Aktivierung der Osteoklasten.
- Dünndarm und Niere: In Anwesenheit von Vitamin D fördert PTH die Calciumresorption im Dünndarm und die Calciumreabsorption in der Niere, während es gleichzeitig die Phosphatausscheidung über die Nieren stimuliert.
- Gegenspieler: Calcitonin, produziert in den C-Zellen der Schilddrüse, wirkt als physiologischer Antagonist zu PTH.
Ein Mangel an PTH führt zu einer gestörten Calcium- und Phosphatregulation, was klinisch zu Hypocalcämie (Calciummangel) und Hyperphosphatämie (Phosphatüberschuss im Blut) führt.
Charakteristische Laborbefunde
- Niedriges Parathormon (PTH)
- Hypocalcämie (niedriges Serumcalcium)
- Hyperphosphatämie (erhöhtes Serumphosphat)
- Verminderter 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D-Spiegel
Formen des Hypoparathyreoidismus
- Idiopathischer Hypoparathyreoidismus (ICD-10-GM E20.0)
- Pseudohypoparathyreoidismus (ICD-10-GM E20.1)
- Sonstiger Hypoparathyreoidismus (ICD-10-GM E20.8)
- Hypoparathyreoidismus, nicht näher bezeichnet (ICD-10-GM E20.9)
Nach Ursache
- Primärer Hypoparathyreoidismus: Angeboren (kongenitaler Hypoparathyreoidismus), sehr selten.
- Sekundärer Hypoparathyreoidismus: Am häufigsten, tritt nach Schädigung der Nebenschilddrüsen auf, insbesondere nach Schilddrüsenoperationen (postoperativer Hypoparathyreoidismus).
- Idiopathischer Hypoparathyreoidismus: Ohne erkennbare Ursache, selten.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.
Häufigkeitsgipfel: Vorwiegend nach operativen Eingriffen an der Schilddrüse.
Prävalenz: Postoperativer Hypoparathyreoidismus tritt bei 0,5-6,6 % nach totaler Thyreoidektomie auf.
Inzidenz: Jährlich entwickeln 500-1.000 Menschen einen postoperativen Hypoparathyreoidismus in Deutschland.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Der Verlauf des Hypoparathyreoidismus ist chronisch und erfordert eine lebenslange medizinische Betreuung, um die Folgen des Parathormonmangels zu kontrollieren. Die Hauptbehandlung besteht in der Substitution von Calcium und aktivem Vitamin D (Calcitriol), um den Serum-Calciumspiegel zu normalisieren und die Symptome einer Hypokalzämie zu verhindern. Die wichtigsten Aspekte des Krankheitsverlaufs umfassen:
- Substitutionstherapie: Patienten benötigen eine kontinuierliche Supplementation von Calcium und Vitamin D, um den Calciumspiegel im Normbereich zu halten. Diese Behandlung muss individuell angepasst werden, da die Bedürfnisse und Reaktionen der Patienten variieren können.
- Symptomkontrolle: Eine effektive Therapie zielt darauf ab, die typischen Symptome der Hypocalzämie, wie Muskelkrämpfe, Parästhesien (Missempfindungen), Tetanie (schwere Muskelkrämpfe) und in schweren Fällen Krampfanfälle, zu verhindern. Die Symptome können stark variieren, abhängig von der Schwere der Hypocalcämie und der Wirksamkeit der Behandlung.
- Komorbiditäten: Im Verlauf der Erkrankung können Patienten anfällig für die Entwicklung weiterer gesundheitlicher Probleme werden, insbesondere Nierenschäden (Nephrokalzinose, Nierensteine) durch eine Hypercalcämie, die durch Überdosierung von Calcium oder Vitamin D entstehen kann.
- Regelmäßige Überwachung: Die Therapie erfordert regelmäßige Laborkontrollen, um den Calciumspiegel, Phosphatspiegel und Vitamin D-Spiegel zu überwachen und gegebenenfalls die Dosierung der Medikamente anzupassen. Eine gute Überwachung ist entscheidend, um Komplikationen wie Hypercalcämie oder Hypocalcämie zu vermeiden.
- Langzeitbeobachtung: Patienten sollten regelmäßig auf Anzeichen von Langzeitkomplikationen wie Nierenfunktionseinschränkungen, Katarakt (Linsentrübung; grauer Star), und möglicherweise neurologische Beeinträchtigungen untersucht werden. Diese Langzeitkomplikationen können auf eine suboptimale Kontrolle der Elektrolytspiegel zurückzuführen sein.
Prognose
Die Prognose des Hypoparathyreoidismus ist im Allgemeinen günstig, vorausgesetzt, die Therapie wird konsequent durchgeführt und die Patienten erhalten eine angemessene medizinische Betreuung. Die wichtigsten Punkte der Prognose umfassen:
- Günstige Langzeitaussichten: Mit einer gut eingestellten Substitutionstherapie können die meisten Patienten ein weitgehend normales Leben führen. Die Symptome der Hypocalcämie sind bei gut kontrollierten Patienten selten und die Lebensqualität bleibt weitgehend erhalten.
- Risiken bei unzureichender Behandlung: Eine unzureichende oder inkonsistente Behandlung kann jedoch schwerwiegende Langzeitfolgen haben. Zu den möglichen Komplikationen gehören chronische Nierenschäden (Nephrokalzinose/Ablagerung von Calcium-Salzen im Gewebe der Niere und Niereninsuffizienz/Nierenschwäche), Katarakt und neurologische Störungen wie Depressionen oder kognitive Beeinträchtigungen.
- Hypercalcämische Krise: Obwohl selten, kann eine hypercalcämische Krise bei Überdosierung von Calcium und Vitamin D auftreten. Diese lebensbedrohliche Komplikation erfordert eine sofortige medizinische Intervention und kann langfristige Schäden an Organen, insbesondere den Nieren, verursachen.
- Regelmäßige Nachsorge: Die Prognose wird durch eine enge medizinische Überwachung verbessert. Regelmäßige Kontrollen und Anpassungen der Therapie sind entscheidend, um das Risiko von Komplikationen zu minimieren und die Lebensqualität der Patienten zu erhalten.
Insgesamt ist die Prognose des Hypoparathyreoidismus bei adäquater Behandlung günstig, doch die Patienten müssen sich auf eine lebenslange Überwachung und Therapie einstellen, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen und Komplikationen zu vermeiden.
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Hypoparathyreoidismus. (AWMF-Registernummer: 174 - 005), März 2016 Langfassung