Nebenschilddrüsenüberfunktion (Hyperparathyreoidismus) – Ursachen

Primärer Hyperparathyreoidismus

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT) ist eine Erkrankung der Nebenschilddrüsen (Glandulae parathyroideae), die zu einer übermäßigen Produktion von Parathormon (PTH) führt. Diese gesteigerte Hormonproduktion bewirkt eine Erhöhung des Calciumspiegels im Blut (Hypercalcämie). Der normale Regelkreis, der die Parathormonproduktion an den Calciumspiegel im Blut anpasst, ist gestört.

Primäre Störung des Parathormon-Regelkreises

Beim primären Hyperparathyreoidismus kommt es zu einer Störung des Regelkreises, der normalerweise durch den Calciumspiegel im Blut reguliert wird. In einem gesunden Zustand führt ein hoher extrazellulärer Calciumspiegel zur Hemmung der Parathormonfreisetzung. Beim primären Hyperparathyreoidismus ist dieser Regelkreis gestört: Trotz hoher Calciumspiegel wird Parathormon in erhöhter Menge produziert, was zu einer anhaltenden Hypercalcämie führt.

  • Parathormon bewirkt die Mobilisierung von Calcium aus den Knochen, die Rückresorption von Calcium in den Nieren und die vermehrte Synthese von aktivem Vitamin D.
  • Die Hypercalcämie kann zu einer Vielzahl von systemischen Symptomen führen, darunter Müdigkeit, Muskelschwäche, Knochenschmerzen und Nierensteinen.

Pathophysiologische Mechanismen

Die genaue Pathogenese des primären Hyperparathyreoidismus ist bislang nicht vollständig geklärt, aber verschiedene Mechanismen tragen zur Entstehung bei:

  • Set-Point-Verschiebung: Die Nebenschilddrüsen reagieren erst bei einer höheren Calciumkonzentration mit der Reduktion von Parathormon. Dies führt zu einer andauernden Hypercalcämie.
  • Adenom oder Hyperplasie: In den meisten Fällen liegt ein solitäres Adenom (gutartige Wucherung) einer der Nebenschilddrüsen vor, was zur übermäßigen Produktion von Parathormon führt. Bei etwa 15-20 % der Patienten sind alle vier Epithelkörperchen vergrößert (Hyperplasie).
  • Karzinom: In seltenen Fällen (< 1 %) ist ein bösartiger Tumor der Nebenschilddrüsen (Karzinom) die Ursache.

Auswirkungen auf den Calcium- und Phosphatstoffwechsel

Das übermäßige Parathormon hat verschiedene Wirkungen auf den Calcium- und Phosphatstoffwechsel:

  • Erhöhte Mobilisierung von Calcium aus den Knochen: Dies führt zu einem erhöhten Knochendichteverlust und kann zu Osteoporose oder Osteitis fibrosa cystica (Knochenerweichung) führen.
  • Erhöhte Rückresorption von Calcium in den Nieren: Dies trägt zur Hypercalcämie bei, kann aber auch zur Bildung von Nierensteinen führen.
  • Erhöhte Synthese von 1,25-Dihydroxycholecalciferol (aktivem Vitamin D): Dies führt zu einer gesteigerten Aufnahme von Calcium aus dem Darm.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Der primäre Hyperparathyreoidismus ist eine häufige endokrinologische Erkrankung, die durch eine übermäßige Produktion von Parathormon gekennzeichnet ist, was zu einer anhaltenden Hypercalcämie führt. Die zugrunde liegenden Ursachen umfassen meist ein Adenom oder eine Hyperplasie der Nebenschilddrüsen, seltener ein Karzinom. Der gestörte Regelkreis zwischen Calciumspiegel und Parathormonsekretion verursacht systemische Komplikationen wie Knochenschwund, Nierensteine und Muskelschwäche.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – familiäre Häufungen sind bekannt (familiärer primärer Hyperparathyreoidismus).

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Adenom (gutartige Geschwulst) der Nebenschilddrüse (solitäres Epithelkörperchenadenom/ einzelne vergrößerte Nebenschilddrüse); in 80-85 % der Fälle
  • Hyperplasie der Nebenschilddrüsen – alle vier Epithelkörperchen sind vergrößert; in 15-20 % der Fälle
  • Karzinom der Epithelkörperchen; sehr selten (< 1 % der Fälle)

Sekundärer Hyperparathyreoidismus

Pathogenese (Krankheitsentstehung) 

Beim sekundären Hyperparathyreoidismus handelt es sich um eine Überproduktion von Parathormon (PTH) als Reaktion auf eine systemische Erkrankung, die eine Hypocalcämie (Calciummangel), eine Hyperphosphatämie (Phosphatüberschuss) oder erniedrigte 1,25(OH)₂-Vitamin D-Spiegel verursacht. Im Gegensatz zum primären Hyperparathyreoidismus liegt die Ursache nicht in den Nebenschilddrüsen selbst, sondern in einer zugrunde liegenden metabolischen Störung, die die Calcium- und Phosphat-Homöostase beeinträchtigt.

Dysregulation der Hypocalcämie-induzierten Parathormonsekretion

Bei einem sekundären Hyperparathyreoidismus tritt die Hypocalcämie als Folge einer Grunderkrankung auf. Dies führt zu einer kompensatorischen Erhöhung der Parathormonsekretion aus den Nebenschilddrüsen, um den Calciumspiegel im Blut wieder anzuheben. Parathormon bewirkt die Mobilisierung von Calcium aus den Knochen, die vermehrte Rückresorption von Calcium in den Nieren und die verstärkte Bildung von aktivem Vitamin D (1,25-Dihydroxycholecalciferol) in den Nieren, um die Calciumaufnahme im Darm zu steigern.

Pathogenetische Mechanismen

Die häufigsten Ursachen des sekundären Hyperparathyreoidismus betreffen den Vitamin-D-Stoffwechsel und Erkrankungen der Nieren:

  • Vitamin-D-Mangel: Bei einem Mangel an Vitamin D wird die Calciumaufnahme im Darm reduziert, was zu einer chronischen Hypocalcämie führt. Als Reaktion darauf wird mehr Parathormon produziert, um den Calciumspiegel durch Mobilisierung aus den Knochen aufrechtzuerhalten.
  • Niereninsuffizienz: Im fortgeschrittenen Stadium der Niereninsuffizienz/gestörte Nierenfunktion (insbesondere bei terminaler Niereninsuffizienz) kommt es zu einer Hyperphosphatämie aufgrund der verminderten Phosphatausscheidung. Das überschüssige Phosphat bindet freies Calcium im Blut und führt so zu einer relativen Hypocalcämie. Zudem ist die Nierenfunktion beeinträchtigt, sodass die 1α-Hydroxylase-Aktivität, die für die Umwandlung von Vitamin D in seine aktive Form verantwortlich ist, abnimmt. Dies führt zu einem Mangel an aktivem Vitamin D (1,25(OH)₂-Vitamin D) und verschärft die Hypocalcämie weiter.

Folgen der chronischen Parathormonüberproduktion

Die anhaltend erhöhte Parathormonproduktion führt zu einer Reihe von Veränderungen im Calciumstoffwechsel und der Knochengesundheit:

  • Osteoklastenaktivierung: Parathormon stimuliert die Osteoklasten, was zu einem erhöhten Abbau von Knochengewebe und einer Freisetzung von Calcium in den Blutkreislauf führt. Dies kann langfristig zu Knochenschwund (Osteopenie oder Osteoporose) führen.
  • Renale Calciumreabsorption: In den Nieren wird durch das Parathormon die Calciumrückresorption verstärkt, was die Hypocalcämie kompensiert, aber gleichzeitig das Risiko von Nierensteinen erhöht.
  • Mineralstoffwechselstörungen: Durch die chronische Hyperphosphatämie und die vermehrte Calciumfreisetzung aus den Knochen kann es zu einer Gefäßverkalkung und anderen mineralstoffbedingten Komplikationen kommen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Der sekundäre Hyperparathyreoidismus entsteht infolge einer systemischen Erkrankung, die den Calcium-, Phosphat- oder Vitamin-D-Stoffwechsel beeinträchtigt. Die häufigsten Ursachen sind Vitamin-D-Mangel und Niereninsuffizienz, die eine chronische Hypocalcämie auslösen und die Nebenschilddrüsen zur Überproduktion von Parathormon stimulieren. Die langfristige Überproduktion von Parathormon führt zu Knochenschwund, Nierenkomplikationen und Verkalkungen im Gewebe.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Nicht ausreichende Aufnahme von Vitamin D und Calcium über die Nahrung (Malabsorption)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Anorexia nervosa (Magersucht)
  • Chronische Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) mit verminderter Vitamin D 3-Aktivierung und Phosphatretention
  • Hepatische Ursachen eines sekundären Hyperparathyreoidismus bei normaler Nierenfunktion:
    • alkoholische Leberzirrhose (Leberschrumpfung)
    • primär biliäre Leberzirrhose
    • Cholestase (Gallenstau) 
  • Maldigestion ("schlechte Verdauung")/Malabsorption (Störung in der Resorption von Nahrung im Darm) – durch Gastrektomie (Magenentfernung), Zöliakie, chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, Lactoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit)
  • Renale Osteopathie (Knochenveränderungen (Osteomalazie/Knochenerweichung), die durch eine chronische Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) bedingt sind) → Renaler sekundärer Hyperparathyreoidismus
  • Totale parenterale Ernährung (künstliche Ernährung durch spezielle Infusionslösungen)
  • Vitamin D-abhängige Rachitis

Medikamente

  • Antiepileptika

Weitere Ursachen

  • Dialysebehandlung
  • Mangelnde Sonnenlichtexposition (UV-Mangel)

Tertiärer Hyperparathyreoidismus

Pathogenese (Krankheitsentstehung)  

Der tertiäre Hyperparathyreoidismus entwickelt sich als Folge eines lange bestehenden sekundären Hyperparathyreoidismus. Hierbei entgleist die ursprünglich adaptive Reaktion der Nebenschilddrüsen auf den Calciummangel. Durch die chronische Überstimulation der Nebenschilddrüsen kommt es zur autonomen (unabhängigen) Überproduktion von Parathormon (PTH), was zu einer Hypercalcämie (Calciumüberschuss) führt.

Chronische Stimulation der Nebenschilddrüsen

Während eines sekundären Hyperparathyreoidismus, wie er z. B. bei chronischer Niereninsuffizienz oder Vitamin-D-Mangel vorkommt, wird die Parathormonsekretion über Jahre durch eine Hypocalcämie stimuliert. Diese ständige Anregung führt zu einer Hypertrophie (Vergrößerung) und Hyperplasie (Vermehrung der Zellen) der Nebenschilddrüsen, sodass diese autonom Parathormon produzieren, unabhängig vom Calciumspiegel im Blut.

Autonome Parathormonproduktion

Im Verlauf des tertiären Hyperparathyreoidismus wird die Regulation durch den Serum-Calciumspiegel aufgehoben. Die Nebenschilddrüsen beginnen, selbstständig Parathormon zu produzieren, unabhängig davon, ob das Serum-Calcium bereits erhöht ist. Diese fehlende Rückkopplung führt zu einem anhaltend hohen Calciumspiegel im Blut (Hypercalcämie), da Parathormon weiterhin freigesetzt wird, obwohl der Körper ausreichend oder zu viel Calcium hat.

Folgen der Hypercalcämie

Die anhaltende Hypercalcämie hat verschiedene Auswirkungen auf den Körper:

  • Osteopenie/Osteoporose: Die fortgesetzte Freisetzung von Parathormon führt zu einem verstärkten Abbau von Knochengewebe (Osteoklastenaktivierung), was die Knochenstruktur schwächt und das Risiko für Frakturen erhöht.
  • Nierensteine: Der erhöhte Calciumspiegel im Blut führt zu einer vermehrten Calciumausscheidung in den Nieren, was das Risiko für Nierensteine und andere Nierenschäden erhöht.
  • Verkalkungen: Die erhöhte Calciumkonzentration im Blut kann zu Verkalkungen in Weichteilen und Blutgefäßen führen, was das Risiko für Gefäßerkrankungen erhöht.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Der tertiäre Hyperparathyreoidismus ist das Ergebnis einer chronischen Überstimulation der Nebenschilddrüsen durch einen sekundären Hyperparathyreoidismus. Diese Überstimulation führt zu einer autonomen Parathormonproduktion, unabhängig vom Serum-Calciumspiegel. Dies führt zu einer anhaltenden Hypercalcämie, die mit schweren Komplikationen wie Knochenschwund, Nierensteinen und Verkalkungen in verschiedenen Geweben einhergeht. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind wichtig, um diese Folgeerscheinungen zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • langjährig bestehender sekundärer Hyperparathyreoidismus bei Niereninsuffizienz

Weitere Ursachen

  • Dialysebehandlung