Latente Schilddrüsenunterfunktion (latente Hypothyreose) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die latente (subklinische) Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) ist durch eine beeinträchtigte, aber noch kompensierte Funktion der Schilddrüse gekennzeichnet, bei der die Serumspiegel der freien Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 noch im Normbereich liegen, jedoch der TSH-Wert erhöht ist (TSH > 4 mU/l). Dies deutet auf eine beginnende Schilddrüsenfunktionsstörung hin, die durch eine vermehrte TSH-Stimulation kompensiert wird.

Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse

Die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse steuert die Hormonproduktion der Schilddrüse durch ein Rückkopplungssystem. Bei der latenten Hypothyreose reagiert die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) auf die abnehmende Funktion der Schilddrüse mit einer vermehrten Ausschüttung von TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon). Diese Stimulation dient dazu, die Schilddrüse anzuregen, mehr Hormone zu produzieren und die Hormonspiegel im Blut konstant zu halten.

  • Hypothalamus schüttet vermehrt Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH) aus.
  • Hypophyse reagiert mit gesteigerter TSH-Produktion.
  • Die Schilddrüse wird zur verstärkten Hormonproduktion angeregt.

Obwohl die Hormonspiegel von fT3 und fT4 noch im Normbereich liegen, weist die erhöhte TSH-Konzentration darauf hin, dass die Schilddrüse bereits an ihre Grenzen stößt und vermehrt stimuliert werden muss.

Kompensatorischer Mechanismus

Der Zustand der latenten Hypothyreose ist häufig klinisch unauffällig, da die peripheren Schilddrüsenhormone noch normal sind. Die Schilddrüse arbeitet jedoch unter erhöhter TSH-Stimulation, was einen kompensatorischen Mechanismus darstellt. Dieser Mechanismus stellt sicher, dass trotz der bereits eingeschränkten Schilddrüsenfunktion der Hormonspiegel im Normbereich gehalten wird. Dieser Zustand kann lange stabil bleiben, jedoch führt die andauernde Überstimulation langfristig zu einer Erschöpfung der Schilddrüsenfunktion.

  • Vermehrte TSH-Stimulation: Die Schilddrüse wird durch die erhöhten TSH-Werte stärker zur Produktion von Hormonen stimuliert.
  • Kompensierte Hormonproduktion: Die Schilddrüse kann durch diese vermehrte Stimulation ihre Funktion aufrechterhalten, wodurch die Hormone fT3 und fT4 noch im Normbereich bleiben.

Fortschreitende Funktionsstörung

Wenn die Schilddrüse weiterhin unter erhöhter Stimulation arbeitet, kann es langfristig zu einer Erschöpfung der Funktion kommen. Dies führt schließlich zu einer Manifestation der Hypothyreose, bei der auch die Serumspiegel von fT3 und fT4 abfallen und die klinischen Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion auftreten.

  • Fortschreitender Verlust der Schilddrüsenfunktion kann zu einer manifesten Hypothyreose führen.
  • Die häufigste Ursache für eine latente Hypothyreose ist die Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis).

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die latente Hypothyreose ist eine frühe Form der Schilddrüsenunterfunktion, die sich durch erhöhte TSH-Werte und normale fT3- und fT4-Spiegel auszeichnet. Sie ist häufig symptomarm, zeigt jedoch bereits eine Störung der Schilddrüsenfunktion an. Ohne adäquate Behandlung oder Überwachung kann sich dieser Zustand zu einer manifesten Hypothyreose entwickeln, bei der die Hormonproduktion der Schilddrüse nicht mehr ausreichend ist, um den Stoffwechsel aufrechtzuerhalten. Die häufigste Ursache ist die Hashimoto-Thyreoiditis, eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung/Erkrankung
    • Ektope Schilddrüse – anatomische Lage der Schilddrüse am falschen Ort
    • Mutation der Hormonrezeptoren
  • Hormonelle Faktoren – Mutation der Hormonrezeptoren

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Jodmangel – Menschen in Jodmangelgebieten Europas sind am stärksten betroffen

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Autoimmunthyreoiditis (AIT; Hashimoto-Thyreoiditis) – Autoimmunerkrankung der Schilddrüse; anfangs mit vermehrter Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen, später mit schleichendem Übergang zur Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Postpartum-Thyreoiditis (PPT; postpartale Thyreoiditis) – erstmaliges Auftreten einer Autoimmunthyreoiditis (AIT) bis 12 Monate nach Entbindung mit Antikörpernachweis bei bestehender Euthyreose (normaler Schilddrüsenfunktion)
  • Thyreoiditis – Schilddrüsenentzündung

Medikamente

  • Aminosalicylsäure – Mittel zur Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn
  • Amiodaron (jodhaltiges Antiarrhythmikum)
  • Antiöstrogene wie Aminoglutethimid (Aromatasehemmer) 
  • Bexaroten (Retinoid-Analogon, das zur Behandlung des kutanen T-Zell-Lymphoms zugelassen ist)
  • Jod [1]
  • Lithium 
  • Thyreostatika wie beispielsweise Carbimazol
  • Unzureichende Hormontherapie bei primärer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) mit L-Thyroxin
  • Zytokine wie Interferon α

Strahlentherapie

  • Radiojodtherapie – Therapie der Schilddrüsenüberfunktion oder von Schilddrüsenkarzinomen mit radioaktiven Substanzen
  • Strahlentherapie der Halsregion – aufgrund bösartiger Tumoren wie maligne Lymphome (bösartige Lymphknotenveränderungen)

Literatur

  1. G Brabant, GJ Kahaly, H Schicha, C Reiners
    Milde Formen der Schilddrüsenfehlfunktion – Ursachen, Diagnostik, Vorgehen
    Dtsch Artzebl 2006; 103(31-32):A2110-15